Für die Schweizer ist der deutsche Anwalt ein Spion, der sich geheime Dokumente verschaffte. Die Deutschen dagegen feiern ihn als Whistleblower, der eine Straftat aufgedeckt hat. Der Prozess läuft jetzt in Zürich.

Stuttgart - Der wegen Wirtschaftsspionage in Zürich angeklagte Stuttgarter Jurist Eckart Seith hat schwere Vorwürfe gegen die Schweizer Justiz erhoben. Die Anklage sei ein Angriff gegen die Bundesrepublik Deutschland, sagte Seith am Dienstag vor dem Bezirksgericht in Zürich.

 

Seith wird vorgeworfen, mithilfe interner Dokumente einer Schweizer Bank einen Mandanten in Deutschland verteidigt und die Dokumente als Beweis für illegale Machenschaften der Bank an die deutsche Staatsanwaltschaft weitergeleitet zu haben.

Für die Schweizer Staatsanwälte ist das strafbar, Seith sieht sich dagegen als Aufklärer. Er wird in Deutschland wegen der Aufdeckung des Cum-Ex-Skandals um Betrug am deutschen Steuerzahler als Whistleblower gefeiert. Deutschland und die Schweiz liegen seit Jahren über die Beurteilung des Bankgeheimnisses über Kreuz. So hatte Deutschland keine Scheu gehabt, CDs mit vertraulichen Informationen Schweizer Banken über mutmaßliche deutsche Steuersünder anzukaufen.

Seith erstritt 45 Millionen Euro Schadenersatz für seinen Mandanten

Die Züricher Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre und sechs Monate Haft für Seith, ohne Bewährung. Dieser habe zwei ehemaligen Sarasin-Angestellten Geld für die Dokumente in Aussicht gestellt. Die beiden Deutschen sind ebenfalls angeklagt. In der Anklageschrift werden zahlreiche konspirative Treffen dokumentiert, darunter eines im März 2013 in Schaffhausen in einem Restaurant „hinter verschlossener Weinkellertüre“, wie es heißt.

Seith weist zurück, das sein Verhalten strafbar war. Er widerspreche den meisten von der Staatsanwaltschaft gegen ihn vorgebrachten Handlungen nicht. „Es gehört zum Besten, was mir in meiner jetzt 33-jährigen Berufstätigkeit als Rechtsanwalt gelungen ist“, sagte er vor Gericht.

Hintergrund ist der Aufsehen erregende Prozess des Ulmer Drogerie-Unternehmers Erwin Müller gegen die Schweizer Bank J. Safra Sarasin. Seith hatte mit vertraulichen internen Dokumenten der Bank nachgewiesen, dass sie ihren Kunden Müller über riskante Investitionen in einen Fonds getäuscht hatte. Dieser Fonds machte umstrittene und heute illegale Cum-Ex-Dividendengeschäfte. 2017 erstritt er 45 Millionen Euro Schadenersatz für seinen Mandanten. Seith hatte das Material auch Steuerfahndern übergeben und damit Ermittlungen über diese Cum-Ex-Geschäfte angestoßen, die den Fiskus um Millionenbeträge gebracht haben. Der Fall läuft noch.

Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Ausschüttungsanspruch werden hin und hergeschoben

Bei „Cum-Ex“-Geschäften schieben Investoren rund um den Dividendenstichtag Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Ausschüttungsanspruch hin und her. Am Ende ist dem Fiskus nicht klar, wem sie gehörten. Die Folge: Kapitalertragsteuern werden mehrfach erstattet, obwohl die Steuer nur einmal gezahlt wurde.

Ein betrogener Kunde müsse das Recht haben, eine Straftat aufzudecken, argumentierte Seith. „Gibt das Schweizer Recht der Privatklägerin Safra-Sarasin das Privileg, ihre ausländischen Bankkunden mit falschen Angaben betrügerisch um Millionen zu schädigen?“, fragte er in seiner Stellungnahme. Er habe nie jemand Geld für Dokumente in Aussicht gestellt, vielmehr sei einer der Sarasin-Mitarbeiter aus eigenen Stücken auf ihn zugekommen.

Seith und seine Anwälte hatten zum Prozessauftakt moniert, dass die Beweisstücke eines inzwischen von dem Fall abgezogenen Anwalts ausgeschlossen werden müssten, weil er befangen und parteiisch war. Das Gericht ging auf Anträge, dass der Prozess neu aufgerollt werden müsse, aber nicht ein.