Cyber-Partisanen in Belarus So kämpfen Hacker gegen Lukaschenko
Der Protest in Belarus findet nicht nur auf der Straße statt – sondern auch im Digitalen. Mit kreativen Aktionen wenden sich die IT-Branche und Hacker gegen den Präsidenten.
Der Protest in Belarus findet nicht nur auf der Straße statt – sondern auch im Digitalen. Mit kreativen Aktionen wenden sich die IT-Branche und Hacker gegen den Präsidenten.
Stuttgart - Studenten mit einem Laptop oder Tablet in der Hand gehören in den meisten Universitäten auf der Welt ebenso zum üblichen Erscheinungsbild, wie Bücher in eine Bibliothek gehören. Ein Denkmal in Bronze ist dem so ausgestatteten Akademiker-Nachwuchs meistens nicht gesetzt. In Minsk ist das anders. In der Aula der staatlichen Universität für Informatik steht exakt diese Skulptur. Sie ist ein Sinnbild dafür, wie sich Belarus selber sieht.
Das Land ist so etwas wie die digitale Werkbank der Welt. Hier werden Produkte für westliche Firmen entworfen, hier haben hochmoderne Callcenter ihren Sitz. Die Ausbildung der Belarussen gilt als hervorragend, die Gehälter all derer, die in der Informatikbranche arbeiten, liegen weit über dem Landesdurchschnitt. Hier wurde eine Selfie-App entwickelt, mit der Fotos humoristisch verändert werden können und die lange Zeit als Vorreiter auf ihrem Gebiet galt. Belarus, das Zentrum der Zukunftstechnologie, so hat es Präsident Alexander Lukaschenko immer wieder erklärt. Nun wendet sich die Zukunft gegen ihn.
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Hunderttausende gehen in Belarus gegen Lukaschenko auf die Straße, heimlicher, aber mit ebenso großer Wirkung hat auch der digitale Widerstand begonnen. Eine Gruppe von Cyber-Piraten, oder je nach Übersetzung Cyber-Partisanen, hat der Regierung den Kampf angesagt – und das mit überaus kreativen Mitteln. Die Cyber-Partisanen haben bereits die Namen von den Polizisten veröffentlicht, die sich auf der Straße gegen die Demonstranten stellen. Angeblich haben sie die Systeme des Innenministeriums gehackt, um an die Informationen zu kommen.
Doch damit nicht genug. Die Hacker haben den Präsidenten höchstselbst auf die Fahndungslisten der Behörden gesetzt – und diese Information über die Webseiten staatlicher Medien verbreitet. Die Hacker kündigen an, die Steuerämter lahmzulegen, und fordern den Präsidenten dazu auf, sich auf der Straße öffentlich per Megafon beim belarussischen Volk zu entschuldigen. Andernfalls wolle man einen genaueren Blick auf sein Privatvermögen richten – und die Konten sperren.
Während die Cyber-Partisanen aus dem Verborgenen hinaus handeln, haben zahlreiche Unternehmer aus der IT-Branche ihren Unmut über das System öffentlich gemacht. Seine Firma Pandadoc werde seine Geschäftstätigkeit in Belarus einstellen, wenn „sich die Situation nicht grundlegend ändert“, kündigte der Chef des Unternehmens Mikita Mikado nach Angaben der Online-Zeitung „Russland.capital“ an. Andere Unternehmen aus der Branche hätten denselben Gedanken. Insgesamt tragen IT-Unternehmen nach Angaben Mikados mehr als sechs Prozent zum Bruttoinlandsprodukt des Landes bei. „Wenn das wegfällt, wäre das ein harter Schlag“, sagt Mikado.
Der Firmenchef gab seine Gedanken zu Protokoll, nachdem die Sicherheitskräfte den Firmensitz durchsucht hatten. Mehrere Manager des Unternehmens befinden sich noch in Haft.