Öffentlich stillen? Jawohl! Mit blanker Brust protestieren dänische Mütter dagegen, dass ihnen das Stillen an mehr und mehr Orten untersagt wird. Sie finden Applaus bei Hunderten von Sympathisanten.

Kopenhagen - Auf dem Kopenhagener Rathausplatz stehen die Kinderwagen Rad an Rad, dazwischen haben Frauen Decken ausgebreitet und lagern mit ihren Babys in der Sonne. Wenn eines der Kleinen quengelt, knöpfen die Mütter ihre Blusen auf und legen die Säuglinge an die Brust. Sofort verstummt das Geschrei.

 

Was aussieht wie eine überdimensionierte Babyparty, ist in Wirklichkeit eine politische Manifestation. Hunderte Frauen beteiligten sich in Kopenhagen und anderen dänischen Städten an einem „Still-In“: Die öffentliche Brust-Entblößung zeigt den Protest der Mütter dagegen, dass ihnen das Stillen an mehr und mehr Orten untersagt wird. Und dass weder Gesetzgeber noch Gleichberechtigungsorgane die Entwicklung stoppen wollen. Auslösendes Moment war ein Spruch des Rats für Gleichberechtigung, der eine Klage gegen einen Kaffeehausbesitzer abwies. Eine Mutter hatte sich beschwert, dass sie aufgefordert wurde, ihre Brust zu bedecken oder das Lokal zu verlassen. Die Diskriminierungswächter gaben dem Café-Eigner recht: Der nackte Busen könne das „Schamgefühl“ anderer Gäste verletzen, weshalb er einschreiten durfte.

Selbst im Schwimmbad gibt es böse Blicke

Das ist kein Einzelfall: Nicht nur in Cafés würden stillende Mütter zunehmend behindert, klagt Trine Maria Larsen, die zu der Protestaktion aufgerufen hatte. Selbst an kinderfreundlichen Orten wie Schwimmbädern, Warenhäusern oder im Zoo seien sie nicht nur missbilligenden Blicken ausgesetzt, sondern sogar Verboten.

„Sind ja bloß Brüste“ lautete der Slogan, dem die dänische Grammatik eine Doppelbedeutung verlieh. Denn genauso konnte er als „Sind ja bloße Brüste“ verstanden werden. „Was ist so schrecklich daran, mit anzusehen, wie Babys trinken?“, fragt Larsen. „Jetzt sitzen im ganzen Land junge Frauen und wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen.“ Und das in Dänemark, das immer stolz auf seine Freizügigkeit war, und wo städtische Busse mit Reklameschildern, auf denen eine Klinik für Plastikchirurgie mit entsprechenden Bildern für „neue Brüste“ wirbt, durch die Straßen fahren. Einerseits zunehmende Sexualisierung des öffentlichen Raums und andererseits wachsende Prüderie? „Mir missfällt die Richtung, in die sich unsere Gesellschaft entwickelt“, sagt die Organisatorin.

Mit Spatzen auf Kanonen schießen

Ihr Protest fand Widerhall bei Hunderten Müttern und vielen Sympathisanten. Nicht aber in den entscheidenden Gremien. Den Vorschlag der linken „Einheitsliste“, Frauen das Recht auf öffentliches Stillen gesetzlich zu sichern, wie dies in Schottland, den USA und Australien geschah, findet keine Gegenliebe bei Gleichstellungsminister Manu Sareen. „Man muss die Relation beachten. Es ist ja nicht so, dass Frauen nicht stillen dürfen, und wenn ein paar Cafés dies verbieten, kann man sein Geld woanders ausgeben.“

Auch der Restaurantverband meint, man schieße auf Spatzen mit Kanonen: „Es geht nur um eine Handvoll Orte. Man muss Platz für unterschiedliche Konzepte haben“, meint die Direktorin Katja Østergaard. In der Blog-Sphäre prallen die Meinungen wie immer aufeinander. Die einen wollen die mütterfeindlichen Kneipen boykottieren, die anderen jubeln, dass es Orte gibt, in denen ihnen nicht „die Titten in den Teller fallen“. Die einen meinen, das Nuckeln von Babys sei „unappetitlich“. Die anderen finden es süß. Unappetitlich seien eher die Erwachsenen, die ihren Burger verschlingen, während ihnen das Dressing aus den Mundwinkeln tropft.