Die japanischen Spieler sind für Handball-Verhältnisse eher klein gewachsen, dennoch feiert der Ex-Bundestrainer Trainer Dagur Sigurdsson erste kleine Erfolge mit dem Team – ein 22:26 gegen Spanien.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

München - Der FC Bayern besitzt ja eine erfolgreiche Basketball-Abteilung, aber selbst bei der Handball-WM hat der Rekordmeister seine Finger im Spiel. Trainer Niko Kovac hat schon die Ehrung für den besten Spieler des Spiels bei seinen Kroaten vorgenommen, Abwehrmann Javi Martinez tags darauf bei einem spanischen Landsmann. Am Montag nun war Japans Torhüter Kai Akihito dran, doch da musste der Münchener Weltclub passen. Überhaupt: wer konnte schon ahnen, dass nach der Partie der Spanier ein Japaner ausgezeichnet wird. Deren Star ist die Mannschaft? Von wegen! Das Aushängeschild heißt: Dagur Sigurdsson (45). Wenn dessen Name bei der Teampräsentation aufgerufen wird, toben die bis zu 12 000 Fans in der Olympiahalle.

 

Als Bundestrainer hat Sigurdsson mit dem EM-Titel 2016 seine Duftmarke hinterlassen. Bis er dem Lockruf aus Japan erlag, wo der Hobbymusiker auch schon als Spieler (2000 bis 2003) den Takt vorgegeben hat. Und so langsam die Früchte seiner Arbeit ernten kann. „Ich denke, wir sind auf einem guten Weg“, sagte er vor dem 22:26 (11:10) gegen Spanien – und nach dem Spiel klang das so: „Ich bin stolz.“ Auch wenn es die dritte Niederlage in der dritten Partie setzte nach Mazedonien und Kroatien. Europäische Top-Teams. „Deshalb sind wir hier, um zu lernen, wie man so ein Turnier durchsteht“, sagt er.

WM-Teilnahme dank Wildcard

Wobei die Japaner eigentlich gar nicht hätten dabei sein dürfen. Bei der Asien-Meisterschaft wurde die Qualifikation als Sechster verpasst. Doch der Weltverband hatte ein Einsehen und vergab eine Wildcard, was zumindest den (wirtschaftlichen) Stellenwert der Landes in der Handball-Welt unterstreicht. National sieht das anders aus, da haben Fußball, Basketball oder Baseball die Nase vorne. „Der Stellenwert des Handballs in Japan ist nicht so groß – leider“, sagt Sigurdsson, was nicht heißen soll, dass er keine Unterstützung bekommt. Zum Amtsantritt standen zehn Länderspiele pro Jahr auf dem Programm, jetzt über 30. Aber die Liga besteht nur aus neun Clubs, zuletzt gegen Kroatien kam sogar ein Spieler zum Einsatz, der noch nie in Japans erster Liga gespielt hat. So gewinnen die Spieler zwar keine Spiele – aber an Erfahrung.

Auch das zählt. In der Vorbereitung gab es einen Sieg gegen Tschechien und Unentschieden gegen Polen oder die Schweiz. Und jetzt 22:26 gegen Ex-Weltmeister Spanien – ein Ausrufezeichen (vor sechs Jahren endete der Vergleich noch 12:40). An diesem Mittwoch wartet Island, zum Abschluss am Donnerstag gegen Bahrain soll ein Sieg her. Beim Asien-Rivalen ist in Aron Kristjansson einer von gleich fünf Isländern bei der WM tätig. Trainer als Exportschlager.

Kein Fernweh in Fernost

Soweit ist es mit Japans Spielern noch nicht. Zwei spiel(t)en in Frankreich, einer dank Sigurdssons Kontakten in Island – das war’s. Was den Vorteil hat, dass der Kader für Lehrgänge rasch zur Verfügung steht, aber eben internationale Erfahrung fehlt. Also ab ins Ausland? „Das ist schwierig“, sagt Sigurdsson. Fast alle Akteure spielen bei Firmen-Teams. Wenn sie wechseln, würden sie ihren Job aufs Spiel setzen und so viel Risikobereitschaft ist in Japan eher selten. „Den Spielern fehlen auch 15 bis 20 Zentimeter Körpergröße“, sagt Sigurdsson gerne, wenn er auf die Probleme im Land der populären Kirschblüte angesprochen wird. Dennoch hat er den Schritt keine Sekunde bereut. Er wollte mehr Zeit für die Familie, die hat er. Zwei Drittel des Jahre kann er in der Heimat verbringen. Mit dem traurigen Nebeneffekt, dass Sigurdsson sich verstärkt um den Vater kümmert, der an Alzheimer erkrankt ist.

Dafür nimmt der ehrgeizige Trainer ein paar Abstriche in Kauf. „Sportlich bin ich zwei, drei Stufen runtergegangen, aber die Spieler sind unheimlich ehrgeizig und lernwillig“, sagt der Entwicklungshelfer, der zumindest im Training mit den Spielern japanisch redet.

Abgerechnet wird sowieso erst am Schluss. Bei Olympia. Ein Vorbild gibt es da schon: Bei den letzten Sommerspielen erreichte Gastgeber Brasilien das Viertelfinale, auch dank eines Sieges gegen Deutschland. Zu diesem WM-Duell wird es nicht kommen nachdem die DHB-Auswahl die Hauptrunde erreicht hat – sehr zur Freude auch von Sigurdsson: „Natürlich drücke ich der deutschen Mannschaft die Daumen.“