Nach dem Krieg haben die USA Amerikahäuser eingerichtet – zur Demokratieerziehung. Als Kulturzentren florieren sie heute in Tübingen und Heidelberg.
Tübingen - Rent an American – einen Amerikaner mieten! Diese Idee liegt Ute Bechdolf besonders am Herzen. Sie ist seit 1999 Direktorin des Deutsch-Amerikanischen-Instituts (d.a.i) in Tübingen und ist somit länger im Amt als alle ihre Vorgänger seit 1952. Denn seit damals besteht dieses Institut, das in diesen Tagen ausgiebig seinen sechzigsten Geburtstag feiert. Einen Amerikaner mieten? Dahinter verbirgt sich die Vermittlung von jungen Frauen und Männern aus den USA, die in Deutschland studieren, in die Klassenzimmer deutscher Schulen. Rund 180-mal im Jahr ist das d.a.i. damit erfolgreich. Und wenn die Amerikaner vor den Schulklassen stehen und sich und ihr Land vorstellen, „da kippen Vorurteile“, sagt Ute Bechdolf.
Auch nach sechs Jahrzehnten erfüllt „rent an american“ ziemlich genau den Anspruch aus den Nachkriegsjahren. Zwar wird häufig das große Wort von der Freundschaft zwischen Deutschland und den USA bemüht, aber treffender sind wohl Begriffe wie Toleranz, der binationale Austausch, das gegenseitige Kennenlernen der Menschen zweier Nationen, die bis 1945 Kriegsgegner waren. Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Deutschland Amerika-Häuser gegründet. Die politische Aufgabe lautete Re-Education und Redemokratisierung. In den Köpfen der Deutschen sollte nach zwölf Jahren Diktatur die Demokratie verankert werden mit dem Ziel, dem neuen Verbündeten langfristig zu Frieden und Wohlstand zu verhelfen – und ihn als Allianzpartner gegenüber der Bedrohung aus dem Osten zu stärken. Die Amerika-Häuser in Deutschland wurden von US-Seite als Vertreter der über die ganze Welt verteilten US Information Centers eingerichtet. Sie wurden mit Mitteln der US-Steuerzahler unterhalten und sollten zur „vorurteilsfreien Unterrichtung und damit zum gegenseitigen Verstehen der Nationen beitragen“. Die Einrichtungen wurden von manchen Deutschen deshalb als Propagandainstrument bezeichnet. Anderen stieß noch über Jahre der Gedanke an die „Oberlehrer aus Amerika“ auf.
Das d.a.i. gilt heute als kritische und engagierte Institution
Viele freilich waren gerade nach dem Jahren der Unterdrückung von Meinungsfreiheit und Kulturfreiheit ganz besonders neugierig auf den „American Way of Life“. Und die nutzten die Informations- und Bildungsangebote, die in diesen Häusern geboten wurden. Vieles begann mit Bibliotheken, schnell kamen Filme hinzu, Vorträge und Konzerte mit Musikern aus den Vereinigten Staaten. Der Besuch der Veranstaltungen war meist kostenlos, das Ausleihen der Bücher immer. „Das d.a.i. Tübingen gilt heute als eine kritische und engagierte Institution, die vielen verschiedenen Menschen ein Forum bietet, auf dem ganz unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen“, erklärt Ute Bechdolf. Der Tübinger Regierungspräsident Hermann Strampfer weist in diesem Zusammenhang auf den regelmäßig stattfinden Arabisch-Amerikanischen Dialog hin. Der befasste sich ursprünglich mit dem Thema Irak, zurzeit steht Syrien im Fokus.
Strampfer ist Präsident des d.a.i.-Trägervereins mit 1350 Mitgliedern, Tendenz steigend. Viele junge Menschen sind dabei, viele Ältere ebenso. „Das Mittelalter ist nicht so gut vertreten“, stellt Strampfer fest. Beruf und Familie fordern ihren Preis. Der amerikanische Steuerzahler musste übrigens nur einige Jahre lang ganz für die Amerika-Häuser in aller Welt aufkommen, 1955 stieg die Bundesrepublik in die Finanzierung ein. Heute wird der Etat zu zwei Dritteln von den Beiträgen der Mitglieder und Einnahmen von Reiseveranstaltungen getragen und zu einem Drittel von Zuschüssen der Stadt Tübingen, des Landes, der US-Botschaft und anderen.
Viele der ursprünglich 40 Amerikahäuser gibt es nicht mehr
„Mitte Februar 1952 ließ das Stuttgarter Amerika-Haus das Tübinger Kulturamt wissen, dass statt einer Bücherei ein gut ausgestattetes Amerika-Haus einzurichten sei“, schreibt Christiane Pyka in einem Bericht in den „Tübinger Blättern“. Sie war über eine lange Zeit Stellvertretende Direktorin und Kulturreferentin des d.a.i. in Tübingen und leitet seit 2010 das Deutsch-Amerikanische Zentrum James-F.-Byrnes-Institut in Stuttgart. Viele der ursprünglich rund 40 Amerika-Häuser in Deutschland gibt es seit vielen Jahren nicht mehr, andere jedoch sind zu gut besuchten Kulturzentren in ihren Städten geworden.
In Tübingen wurde das erste Amerika-Haus am 20. Juni 1952 in den Räumen des „Museums“ eingerichtet. Schon im Januar 1953 wurde eine Etage in der Karlstraße 3 nahe der Neckarbrücke eingerichtet. Dort residiert das d.a.i. noch immer. Gerade erst wurde der Veranstaltungssaal neu gestaltet. Hier findet der Englischunterricht für die ganz kleinen Kinder statt. Selbst Zweijährigen wird die Sprache nahegebracht, „und vor Kurzem wollte eine Neunzig jährige bei uns ihr Englisch auffrischen“, sagt Bechdolf. 2200 Teilnehmer werden jährlich bei den Sprachkursen gezählt.
Im Gegensatz zu den Deutsch-Amerikanischen Instituten in Tübingen und Freiburg hat das Heidelberger Institut – es firmiert unter dem Kürzel DAI – seinen 60. Geburtstag schon einige Jahre hinter sich; das Amerika-Haus in der Sofienstraße, aus dem es hervorgegangen ist, war 1946 gegründet worden. Als die Amerikaner 40 Jahre später ihr Re-Education-Programm offiziell beendet hatten und aus dem Trägerverein ausstiegen, hat die Stadt Heidelberg alles darangesetzt, das Haus zu erhalten. Das ist, trotz eines relativ bescheidenen Budgets, gelungen. Das DAI ist 362 Tage im Jahr geöffnet, 2011 kamen zu 800 Veranstaltungen 200 000 Besucher.
Die Heidelberger bieten eine zweisprachige Kita an
In der großen gründerzeitlichen Villa mit der umfangreichen Bibliothek, in der das DAI logiert, wurden vor vielen Jahren die „Nights of Poets“ erfunden und die „Slam-Poetry“ populär gemacht. Das Institut ist zum wohl wichtigsten Treffpunkt für Freunde der Literatur und des (Stumm-)Films geworden, es bietet Raum für internationale Konferenzen und Kontroversen auf lokaler Ebene. „Wir wollen den Jetlag mildern“, hat Direktor Jakob Köllhofer einmal gesagt, dessen Ziel ist, das Neueste aus den USA ohne große Verzögerungen nach Heidelberg zu bringen.
Seit den Anschlägen auf das World Trade Center 2001 hat das DAI zudem begonnen, Kindergärten einzurichten; sie sollen völkerverbindend Kinder mit einer zweisprachigen Betreuung auf das Leben in einer globalisierten Welt vorbereiten. Das Angebot kommt gut an. Schon 200 kleine Heidelberger gehen in eine Kita des DAI.