Die Kunden von fünf Lkw-Herstellern haben zu viel für die Fahrzeuge bezahlt und können nun auf Schadenersatz klagen. Bereits die Kartellstrafe für die Konzerne beläuft sich auf 2,9 Milliarden Euro.

Stuttgart - Die EU-Kommission hat gegen ein Kartell von Lastwagenherstellern die Rekordgeldbuße von 3,2 Milliarden Euro verhängt. Nach den Worten von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager haben die fünf Hersteller, die bei mittleren und schweren Lastwagen einen Marktanteil von 90 Prozent in der EU haben, 14 Jahre lang die Preise abgesprochen. Sie sprach von einem „Ausrufezeichen“, das die EU-Kommission wegen eines schweren Kartellverstoßes gesetzt habe. Und: „Unsere Botschaft ist klar: Kartelle haben in Europa keinen Platz.“ Dem 1997 gebildeten Kartell gehörten der Daimler-Konzern sowie die Unternehmen MAN, Volvo/Renault, Iveco und DAF an. Alle Unternehmen haben nach den Angaben ihre Kartellbeteiligung eingeräumt und einem Vergleich zugestimmt.

 

Die Ermittlungen gegen Scania laufen weiter

Neben der Absprache von Verkaufspreisen ging es um die Weitergabe der Kosten für die Einhaltung von Umweltnormen an die Kunden. Aufgeflogen ist das Kartell, weil MAN die EU-Kommission über die Absprachen informierte. Als Kronzeuge in dem dann folgenden Verfahren, das im Januar 2011 mit Durchsuchungen bei den Konzernen begann, ist die VW-Tochter ohne Geldbuße davongekommen. Ohne diesen Persilschein hätte MAN nach Mitteilung der EU-Kommission 1,2 Milliarden Euro zahlen müssen. Die höchste Strafe entfällt nun auf Daimler: eine Milliarde Euro. Ebenso wie Iveco und Volvo/Renault erhielt Daimler einen Rabatt, mit dem die EU-Kommission die Zusammenarbeit bei den Ermittlungen honoriert hat. Die Geldbuße für DAF beträgt 753 Millionen Euro, Iveco muss 495 Millionen Euro zahlen; Volvo/Renault wird mit 670 Millionen Euro zur Kasse gebeten. Im Zuge der Untersuchung wurde auch ein Verfahren gegen Scania eingeleitet, das noch läuft.

„Daimler bedauert diese Vorfälle und hat schon vor längerer Zeit die Konsequenzen daraus gezogen“, teilen die Stuttgarter mit. Zu den Absprachen selbst äußert sich das Unternehmen nicht. „Daimler nimmt seine Verantwortung in Bezug auf das Wettbewerbsrecht sehr ernst und hat alle geeigneten Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass alle Mitarbeiter in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht handeln“, heißt es weiter. Die damals Verantwortlichen im Lastwagenbereich sind nach früheren Informationen nicht mehr auf ihren Posten.

Absprachen unter Mitgliedern „der höchsten Führungsebene“

In ihrer Mitteilung nennt die EU-Kommission ein interessantes Detail zum Ablauf der Gespräche: „Zwischen 1997 und 2004“, so heißt es, „verliefen die Absprachen unter den Mitgliedern der höchsten Führungsebene, wobei die Zusammenkünfte gelegentlich am Rande von Handelsmessen oder anderen Branchenveranstaltungen stattfanden.“ Hinzu seien Telefonkontakte gekommen. Ab 2004 wurde das Kartell nach den Recherchen der EU-Kommission über die deutschen Töchter der Lastwagenhersteller organisiert; danach erfolgte die Kommunikation grundsätzlich auf elektronischem Weg. Unter anderen war im Jahr 1999 im Vorstand Dieter Zetsche, der gegenwärtige Vorstandsvorsitzende, für die Nutzfahrzeuge zuständig.

Der Daimler-Aufsichtsrat hat sich nach Beginn der EU-Ermittlungen mit der Verantwortung des Vorstands befasst, wenngleich sich der Verdacht gegen das Unternehmen und nicht gegen einzelne Manager gerichtet hat. Dazu wurde nach Angaben einer Sprecherin gutachtlichen Rat einer unabhängigen Anwaltskanzlei eingeholt. „Auf der Grundlage der veranlassten Prüfungen und eingehenden Erörterungen sieht er gegenwärtig keinen Anlass, Schadensersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder geltend zu machen“, heißt es.

Reichen die Rückstellungen?

Mit dem Bußgeld ist das Thema Kartell für die Unternehmen noch nicht beendet. Die EU-Kommission weist ausdrücklich darauf hin, dass Kunden, die durch die Absprachen geschädigt wurden, auf Schadenersatz klagen können. Das verhängte Bußgeld wird dabei nicht mindernd angerechnet. Über den Umfang des Schadens machen die Brüsseler keine Angaben.

Daimler hat für die Bußgeldzahlungen Rückstellungen gebildet. Deren Gesamthöhe hat der Konzern unter Verschluss gehalten, um keinen Hinweise auf die erwartete Strafzahlung zu geben. Erstmals wurden für den Jahresabschluss 2011 Rückstellungen gebildet; für den Abschluss 2014 wurden weitere Rückstellungen gebildet, die Daimler auf 600 Millionen Euro bezifferte.