Dieter Zetsche erhält viel Lob bei seinem letzten Aktionärstreffen als Vorstandschef. Der Umbau des Konzerns findet allerdings nicht nur Beifall. Auch beim Klimaschutz fordern die Anleger mehr Engagement.

Berlin - So sehr gemenschelt hat es in den vergangenen Jahrzehnten noch nie auf einer Daimler-Hauptversammlung. Wann hat man jemals bei einem Aktionärstreffen feuchte Manageraugen wie bei Vorstandschef Dieter Zetsche gesehen? Zetsche zeigte sich gerührt, als er nach einer Lobrede von Aufsichtsratschef Manfred Bischoff gleich zum Auftakt der Hauptversammlung Beifall erhielt – obwohl der Gewinn und Aktienkurs im vorigen Jahr eingebrochen sind, die Dividende gekürzt wurde. Zetsche lächelte beim aufbrandenden Applaus, erhob sich dann lächelnd und verbeugte sich.

 

Mit Zetsche gehe ein „Ausnahmemanager“. Er sei wie kein anderer zur Marke des Unternehmens geworden, rühmte Bischoff. Auch die Vertreter von Aktionärsvereinigungen sowie Investmentgesellschaften würdigten Zetsches Leistungen, sparten aber zugleich nicht mit Kritik. „Sie haben die Irrfahrt mit Chrysler vor dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise gerade noch rechtzeitig beendet. Sie haben das ramponierte Image des Sterns wieder auf Hochglanz poliert und mit der Kernmarke Mercedes-Benz die Krone im Premiumsegment zurückerobert“, bilanzierte Janne Werning von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken.

Wenig Beifall fand bei den Rednern das „Projekt Zukunft“

Werning servierte indes, anders als Bischoff, nicht nur Jubelbrause. „Daimler hat es nie wirklich geschafft, aus Premiumpreisen auch Premiummargen zu generieren“, kritisierte Werning. „So schnell das Geld reinkam, so schnell wurde es wieder ausgegeben. Daimler hat ein chronisches Effizienzproblem, das Herr Zetsche nie wirklich angepackt hat“, monierte der Finanzmanager.

Wenig Beifall fand bei den Rednern auch das „Projekt Zukunft“, der geplante Umbau des Konzerns, für den die Aktionäre aber letztlich grünes Licht gegeben haben. Unter dem Dach der neuen Holdinggesellschaft Daimler AG sollen die Mercedes-Benz AG, die Daimler Truck AG und die Daimler Mobility AG als drei rechtlich selbstständige Gesellschaften für Autos und Transporter, Lastwagen und Busse sowie Finanzgeschäfte und Mobilitätsdienstleistungen angesiedelt werden. Nach Angaben des Unternehmens ist es die umfangreichste Neuaufstellung in der mehr als 130-jährigen Daimler-Geschichte.

„Daimler hat den Anspruch in der neuen Mobilitätswelt führend zu sein. Das verlangt ein Höchstmaß an Innovationskraft und Beweglichkeit, um auf Veränderungen schnell zu reagieren und neue Wachstumschancen zu nutzen“, beschrieb Aufsichtsratschef Bischoff die großen Erwartungen, die mit diesem Umbau verbunden sind.

Eine aufgeblähte Führungsspitze stand in der Kritik

Anders als von Börsenspezialisten erhofft, soll die künftige Lastwagentochter im Zuge des Umbaus nicht an die Börse gebracht werden. Nicht nur Ingo Speich von der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka-Investment, sondern auch Janne Werning von Union Investment zeigte sich enttäuscht. Die neue Struktur sei kein Selbstläufer, sagte Speich. „Damit ein Mehrwert generiert wird, müssen Sie die neue Struktur mit Leben füllen und aktives Portfoliomanagement betreiben. An vorderster Front erwarten die Aktionäre einen Börsengang der Lkw-Sparte, betonte Speich.

Kritisiert wurde auch, dass bei der neuen Konzernstruktur eine aufgeblähte Führungsspitze geplant sei. Bei den Töchtern soll es drei Aufsichtsräte mit jeweils 20 Mitgliedern und vielen Doppelbesetzungen geben. Christian Strenger, ein renommierter Experte für alle Fragen rund um eine gute und gesetzlich saubere Unternehmensführung, sprach von einem „Posten-Festival“. Breiten Raum nahmen auch Fragen zu den unzähligen rechtlichen Auseinandersetzungen rund um den Vorwurf der Abgasmanipulation ein – ohne dass die Antworten Neues zutage förderten. Auch zum geplanten Sparpaket bei Daimler hielt sich der Vorstand bedeckt.

Erstmals trat auch ein Klimaschützer der Bewegung Fridays for Future auf

Erstmals trat auch ein Klimaschützer der Bewegung Fridays for Future auf. „Verkaufen Sie nicht die Zukunft von mir und meiner Generation“, forderte der 19-jährige Maximilian Reimers. Ein Asteroid habe das letzte Artensterben auf der Erde ausgelöst, der neue Asteroid heiße Daimler, sagte Reimers. Das vom künftigen Daimler-Chef Ola Källenius in der vergangenen Woche als ersten Eckpfeiler seiner Strategie angekündigte Programm zur Verwirklichung der Klimaneutralität bei Daimler bis 2039 lehnte er als viel zu zögerlich ab. Mehr Klimaschutz forderte auch Janne Werning von Källenius. „Schneiden Sie alte Zöpfe ab und beenden Sie endlich das kostspielige und klimaschädliche Engagement in der Formel 1. Die heutige Jugend orientiert sich an Ihrer Landsfrau Greta Thunberg und nicht an Lewis Hamilton“, sagte der Finanzmanager und schlug vor, das Geld nicht in die Rennserie, sondern in alternative Antriebstechnologien zu investieren.