Daimler will die Motorsteuerung per Update so verbessern, dass die Emissionen der Dieselautos sinken. Experte Ferdinand Dudenhöffer hat Zweifel – und lässt kein gutes Haar am Krisenmanagement des Stuttgarter Autobauers.

Stuttgart - Es klingt ein wenig wie das berühmte Pfeifen im Wald. „Wir sind davon überzeugt, dass der Diesel nicht zuletzt wegen seiner niedrigen CO2-Emissionen auch künftig ein fester Bestandteil im Antriebsmix sein wird“, sagte Vorstandschef Dieter Zetsche am Dienstag bei der Bekanntgabe des sogenannten Zukunftsplans von Daimler für den Diesel. Ferdinand Dudenhöffer, Chef des CAR-Instituts der Universität Essen-Duisburg, glaubt hingegen nicht, dass es dem Konzern mit seinen erweiterten „freiwilligen Servicemaßnahmen“ gelingen wird, das erschütterte Vertrauen in diese Antriebsart wiederherzustellen. Rechtlich sind die Maßnahmen kein Rückruf; sie wurden, so versichert Daimler, ohne Druck von außen ergriffen. Dudenhöffer, der freilich kein Freund des Selbstzünders ist, bezeichnet die Daimler-Aktion sogar als „lächerlich“ und als Ausweis von „Hektik und Planlosigkeit“. Darauf deutet nach den Worten des 66-Jährigen auch hin, dass der Konzern auf viele Fragen keine konkrete Antwort gibt.

 

Ein kostenloses Software-Update

Klar ist bis jetzt, dass die Stuttgarter drei Millionen in ganz Europa verkaufte Dieselfahrzeuge nach den Normen Euro 5 und Euro 6 in die Werkstätten holen wollen, um die Stickoxidemissionen zu mindern. Dort, so sagte ein Sprecher, werde ein Software-Update aufgespielt, das für den Kunden kostenlos sein wird. Geplante Aufenthaltsdauer: eine Stunde. Der Konzern will sich die Maßnahme nach eigenen Angaben 220 Millionen Euro kosten lassen. Betroffen sind alle Fahrzeuge, die von Motoren mit der internen Bezeichnung OM 651 und OM 642 angetrieben werden.

Stickoxide und Feinstaub sind vor allem im Stuttgarter Talkessel ein großes Problem. Die zehn wichtigsten Fakten dazu sehen Sie im Video:

Fahrzeuge mit unerlaubt hohem Schadstoffausstoß

Seit der vergangenen Woche sind diese Kürzel auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Es sind die Motoren, die auch im Durchsuchungsbeschluss der Stuttgarter Staatsanwaltschaft genannt sind, über den zuerst die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet hatte. Die Ermittler gehen von einer Million Fahrzeuge aus, die zwischen 2008 und 2016 in Europa und in den USA mit unerlaubt hohem Schadstoffausstoß verkauft wurden. Daimler hat sogleich heftig bestritten, eine illegale Abschalteinrichtung eingebaut zu haben, um den Schadstoffausstoß zu senken.

Zu den drei Millionen Fahrzeugen kommen noch die 250 000 Autos hinzu, die das Unternehmen auf Veranlassung von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nachbessert. Hierbei handelt es sich vor allem um Autos der Kompaktklasse mit dem Motor OM 607, der von Renault stammt. Anders als BMW und Audi konzentriert Daimler seine Maßnahme nicht auf Euro-5-Fahrzeuge, sondern will auch die Emissionen von Autos nach Euro 6 mindern. Im Zentrum der Diskussion über Fahrverbote steht der Euro-5-Diesel; bekannt ist jedoch, dass teilweise auch die modernsten Motoren nach der jetzt gültigen Norm Euro 6 zumindest auf der Straße die Vorgaben verfehlen.

Was bringt das vergrößerte Thermofenster?

Die Aktion soll in den kommenden Wochen beginnen und wird nach Angaben des Sprechers bis weit ins Jahr 2018 dauern. Die Kunden, so heißt es, würden jeweils von ihrer Werkstatt angeschrieben. Details zu den angestrebten Verbesserungen mag das Unternehmen nicht verraten.

Es gehe um deutliche Verbesserungen beim Emissionsverhalten und um eine Vergrößerung des Thermofensters, teilte ein Sprecher mit. Das vergrößerte Thermofenster würde dazu führen, dass die Abgasreinigung bereits bei niedrigeren Temperaturen funktioniert und nicht abgeschaltet wird, um einen kalten Motor vor Schäden zu schützen.

Die neue Dieselgeneration

Allgemein verweist der Sprecher nur darauf, dass die betroffenen Motoren bereits vor vielen Jahren entwickelt wurden. So stammt der OM 651 aus dem Jahr 2004, der OM 642 ist noch vier Jahre älter. Getröstet werden die Kunden mit dem Hinweis, dass die Ingenieure „unter anderem aktuelle Erkenntnisse aus der Entwicklung der neuen Dieselmotorenfamilie“ nutzen könnten. Die Entwicklung dieser neuen Dieselgeneration hat sich Daimler drei Milliarden Euro kosten lassen. Die entsprechenden Maschinen werden von den Experten in den allerhöchsten Tönen gelobt und bestehen alle Abgastests. Nach dem Marktstart des neuen Vierzylinders OM 654 in der neuen E-Klasse im vergangenen Jahr sollen Varianten bald in weiteren Mercedes-Modellen eingesetzt werden.

Zweifel an der Software-Aktion

Der Hinweis auf das Thermofenster bringt den Autoexperten Dudenhöffer auf die Palme. Seiner Ansicht nach lässt sich die Abgasbehandlung nicht ohne Weiteres variieren; die bisherige Software sei eng auf den Motor abgestimmt. Deshalb hält es der Chef des CAR-Instituts für absehbar, dass sich bei niedrigen Temperaturen künftig Ablagerungen im Motor bilden, die zu Schäden führen können. Viele Autofahrer, deren Motorsteuerung per Software-Update verändert wurde, klagen (unabhängig von der Automarke) darüber, dass die Leistung nachlässt und der Verbrauch steigt.

Auswirkungen an der Börse

Der Autoexperte beanstandet auch das gesamte Krisenmanagement des Konzerns. Eine Maßnahme anzukündigen, ohne genau zu sagen, was mit dem Fahrzeug eigentlich geschieht, das hält er für verfehlt – und erinnert an den ehemaligen Daimler-Chef Jürgen Schrempp, der es nach dem Debakel mit der ersten Generation der A-Klasse besser gemacht habe. Als das kleine Auto bei Schlingertestfahrten („Elchtest“) umfiel, wurde der Verkauf gestoppt; alle Fahrzeuge wurden zurückgerufen, um den Schleuderschutz ESP (Elektronische Stabilitätsprogramm) einzubauen, der entgegen den ursprünglichen Plänen in die Serienausstattung übernommen wurde.

Auch an der Börse hat der Dieselplan keine Begeisterung ausgelöst. Am Mittwoch kostete die Daimler-Aktie knapp 64 Euro, etwas weniger als am Vortag. In den zwölf Monaten davor war der Kurs kontinuierlich auf mehr als 70 Euro im März gestiegen, seitdem aber wieder gesunken. Am kommenden Mittwoch verkündet Daimler die Zahlen für das zweite Quartal.