Der Daimler-Vorstand räumt nach einer Mitarbeiter-Befragung ein, dass Handlungsbedarf besteht – und verweist die Beschäftigten an ihre Vorgesetzten.

Stuttgart - Die gute Nachricht steht gleich oben: Die Teilnahmequote von 80 Prozent, so heißt es in der „Blitzinfo“ von Daimler über die Ergebnisse der jüngsten Mitarbeiterbefragung, sei der bisher höchste Wert; bei der vorangegangenen Befragung 2016 hatten sich 76 Prozent der Beschäftigten beteiligt. „Die hohe Beteiligung zeigt das Interesse und die Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen, unsere Unternehmenskultur aktiv mitzugestalten“, bilanziert der Konzern. Sehen lassen kann sich auf den ersten Blick auch das aus Sicht des Managements zentrale Ergebnis der Befragung von knapp 300 000 Frauen und Männern in mehr als 50 Ländern: 75 Prozent sind mit ihrem Arbeitgeber zufrieden oder sehr zufrieden und stolz darauf, bei Daimler zu arbeiten. Das heißt aber auch: jeder vierte Mitarbeiter ist es nicht.

 

Bosch hängt Daimler ab

Daimler hat mit der jüngsten Befragung, die im Herbst 2018 durchgeführt wurde, erstmals den weltweit tätigen Dienstleister Gallup, Washington/USA, beauftragt, der eine führende Position auf diesem Gebiet hat. Aufgrund des Wechsels sind die aktuellen Ergebnisse nicht mit den Äußerungen bei vorangegangenen Befragungen vergleichbar. Unabhängig davon kommt aber zum Beispiel der Zulieferer Bosch (der nicht zu den Gallup-Kunden gehört) auf eine deutlich bessere Quote. 87 Prozent der Beschäftigten, so hat Personalchef Christoph Kübel beim vorläufigen Jahresrückblick vor einer Woche gesagt, seien stolz, bei Bosch zu arbeiten.

Aufgrund seiner Stellung verfügt der Markt- und Meinungsforscher Gallup über eine Datenbank mit anonymisierten Aussagen der Mitarbeiter von Unternehmen, mit denen das Institut zusammenarbeitet. Diese Beschäftigten sind nach der Befragung von Gallup im Durchschnitt zu 36 Prozent emotional an ihr Unternehmen gebunden. Bei Daimler sind es nur 28 Prozent der Mitarbeiter. Gallup weist darauf hin, dass es zwischen Zufriedenheit und emotionaler Bindung einen Unterschied gibt. „Ein zufriedener Mitarbeiter weist nicht zwangsläufig eine hohe emotionale Bindung auf“, heißt es. Gleichwohl besteht aus der Sicht der Marktforscher zwischen den Eigenschaften eine enge Beziehung. Die emotionale Bindung, die sich aus Sicht der Marktforscher in Motivation und Engagement zeigt, gilt aber als zentraler Erfolgsfaktor für ein Unternehmen. Für die gesamte deutsche Wirtschaft weisen die Forscher auf der Basis einer regelmäßig wiederholten Umfrage („Gallup Engagement Index“), die nicht auf der eigenen Datenbank beruht, eine Quote von nur 15 Prozent Mitarbeitern mit einer hohen emotionalen Bindung an den Arbeitgeber aus; im Ausland sind die Werte teils deutlich höher.

„Es gibt noch Potenzial nach oben“

„Es gibt noch Potenzial nach oben, um ein anregendes und motivierendes Arbeitsumfeld zu schaffen“, hat Personalchef Winfried Porth nach Angaben von Mitarbeitern bei einer internen Präsentation von Ergebnissen gesagt. Im Klartext: Der Wert soll verbessert werden. Auf einer Skala von eins („Stimme überhaupt nicht zu“) bis fünf („Stimme vollständig zu“) haben die Mitarbeiter zum Thema emotionale Bindung zwölf Einzelaussagen bewertet (zum Beispiel: „Bei der Arbeit scheinen meine Meinungen zu zählen“ oder „Bei der Arbeit gibt es jemanden, der meine Entwicklung fördert“), woraus Gallup einen Mittelwert errechnet hat. Dieser Wert beträgt 3,63; allerdings waren die Ergebnisse bei 75 Prozent der weiteren Gallup-Kunden besser.

Dass Handlungsbedarf besteht, räumt Daimler ein, aber was geschehen soll, das stößt nicht überall im Unternehmen auf Begeisterung. Vorstand und Führungskräfte würden weiter daran arbeiten, die Unternehmenskultur zu verbessern, heißt es offiziell, aber angesprochen fühlen müssen sich zunächst einmal nur die Gruppen- und Abteilungsleiter. „Diskutieren Sie die Ergebnisse in Ihrem Team und mit Ihrer Führungskraft!“, fordert die „Blitzinfo“ die Beschäftigten auf. Nach den personalwirtschaftlichen Analysen von Gallup tragen aber überwiegend die Vorgesetzten die Schuld an Defiziten. Dass sie hierauf womöglich von ihren Untergebenen angesprochen werden sollen, halten Daimler-Beschäftigte, die das Betriebsklima kritisch sehen, für eine reichlich naive Vorstellung.

Der Gesamtbetriebsrat mag keinen Kommentar abgeben

Mäßige Umfrageergebnisse, so kritisieren Beschäftigte weiter, seien aber nicht nur die Folge von konkreten Defiziten am Arbeitsplatz. So wird die Aussage, „Ich habe eine klare Vorstellung von der zukünftigen Ausrichtung meines Unternehmens“, auf der Skala von eins bis fünf nur mit 3,46 bewertet; damit landet Daimler im unteren Viertel der Vergleichsunternehmen aus der Gallup-Datenbank.

Die Frage nach direkten Konsequenzen aus der Befragung lässt der Konzern unbeantwortet. Der Gesamtbetriebsrat hat sich die Ergebnisse der Umfrage zwar erläutern lassen, mag dazu aber keinen Kommentar abgeben. Es falle – auch in Ermangelung von Vergleichswerten zu anderen Firmen – sehr schwer, eine generelle Einschätzung vorzunehmen, heißt es lediglich.