Die Beschäftigungssicherung ging ruhig über die Bühne. Doch Daimler-Personalchef Porth wehrt sich gegen mehr Einfluss der IG Metall bei Leiharbeitern.

Stuttgart - Ganz ohne lautstarke öffentliche Auseinandersetzungen haben sich Vorstand und Betriebsrat des Daimler-Konzerns auf eine Beschäftigungssicherung bis zum Jahr 2016 geeinigt. Personalvorstand Wilfried Porth sagt, welche Vorteile dies für das Unternehmen hat.

 

Herr Porth, aufgrund der guten Nachfrage geht der Daimler-Konzern in diesem Jahr davon aus, dass die weltweite Zahl der Beschäftigten im Vergleich zum Jahresende 2010 steigen wird. Im ersten Halbjahr 2011 sind weltweit etwa 6000 Beschäftigte, davon die Hälfte in Deutschland, hinzugekommen. Wie geht es weiter?

Wir gehen unverändert von 10.000 neuen Stellen aus; 6000 im Ausland und 4000 im Inland. Im weiteren Jahresverlauf sorgen im Ausland die US-Nutzfahrzeugtochter Freightliner, wo in der Vergangenheit Personal abgebaut worden war, und unser neues Kompaktwagenwerk in Ungarn mit einem Ziel von 2500 Stellen im Endausbau für den Schub. Im Inland kommen in der zweiten Jahreshälfte noch die Übernahmevon jungen Mitarbeitern nach der Ausbildung und gewisse Umfänge aus dem Personalaufbau im Lastwagenwerk Wörth hinzu.

Trotz guter Konjunktur und Neueinstellungen haben Sie mit dem Betriebsrat eine Zukunftssicherung mit Laufzeit bis 2016 abgeschlossen, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Räumen Sie damit ein, dass die Zeiten schwieriger werden und die Phase des Personalaufbaus zu Ende geht?

Die bisherige Zukunftssicherung endet am 31. Dezember 2011. Darin sind Themen enthalten, die auch über diesen Zeitpunkt hinaus geregelt werden müssen. Dazu gehören zum Beispiel die Frage, wie wir mit der Übernahme der Auszubildenden umgehen, und die Flexibilitätsvereinbarung, die es uns erlaubt, acht Prozent der Belegschaft mit Zeitarbeitern und befristet Beschäftigten zu besetzen. Als die bisherige Zukunftssicherung 2004 abgeschlossen wurde, konnte kein Mensch wissen, wie sich jetzt die Konjunktur entwickelt. Es war also nicht unser Motiv und auch nicht notwendig, die Mitarbeiter vorsorglich emotional zu schützen, sondern Folgevereinbarungen zu treffen.

Dafür hätten Sie nicht die umfassende Zukunftssicherung gebraucht.

Mit der alten Regelung sind ja beide Seiten wirklich gut gefahren. Wir sind Ende 2008 schnell in die Krise reingeraten und genauso schnell wieder rausgekommen. Die Vereinbarung hat uns geholfen, im Schulterschluss die Maßnahmen umzusetzen, die notwendig waren. Das Gesamtpaket hat sich also bewährt, so dass wir uns schnell einig waren, die Vereinbarung fortzuschreiben.

Worin besteht für das Unternehmen der Fortschritt?

Während in der Öffentlichkeit und zwischen den Tarifparteien Themen wie Leiharbeit und befristete Beschäftigung heiß diskutiert werden, haben wir bei Daimler klare Regelungen, die nun langfristig gültig sind und die uns ausreichend Flexibilität geben, auf die schnellen und schwankenden Marktentwicklungen zu reagieren.

Für Leiharbeit und befristete Beschäftigung gilt weiter die Achtprozentquote. Vor einem Jahr noch haben Sie mehr Flexibilität angemahnt, weil die Höchstwerte schon vielfach erreicht waren. Wo also ist der Fortschritt?

Wir sind nicht an allen Standorten am Anschlag. In Rastatt und Wörth liegen wir drüber, aber das lässt der Vertrag zu. In Sindelfingen ist das teilweise auch der Fall, aber das war schon in der C-Klasse-Vereinbarung so geregelt. Insgesamt haben wir eine faire Lösung gefunden, die eine ausreichende Flexibilität gewährleistet.

Die IG Metall fordert stärkere Mitwirkungsrechte beim Einsatz von Leiharbeitern und von Werkvertragsbeschäftigten. Warten Sie auf die Tarifregelung oder wollen Sie einen eigenen Weg gehen?

Das werden wir nicht gesondert angehen. Wenn es zu einem Tarifvertrag kommt, dann gilt der natürlich auch für uns. Wir bleiben gleichwohl bei der Ansicht, dass das Thema Zeitarbeit bei uns bereits ausreichend und besser geregelt ist als in vielen anderen Unternehmen; zum Beispiel was die Gehälter anbelangt. Außerdem haben wir bereits eine Quotenregelung. Ich glaube, dass wir bei Mitbestimmung und Equal-Pay-Anspruch vorbildlich sind. Wir warten gelassen ab, was die Tarifverhandlungen erbringen. Schließlich gibt es Dinge, die womöglich noch wichtiger sind als die Zeitarbeit - zum Beispiel die Vergütung.

Apropos Geld: zuletzt haben die Mitarbeiter eine Erfolgsbeteiligung von 3150 Euro plus eine Jubiläumszahlung bis maximal 1000 Euro erhalten. Nun soll der Gewinn vor Steuern und Zinsen in diesem Jahr sehr deutlich über dem Niveau des Vorjahres liegen. Was bedeutet das für die Beschäftigten?

Das Jahr ist noch nicht vorbei, und deshalb steht auch das Ergebnis noch nicht fest. Aber eine Jubiläumszahlung werden wir nicht mehr haben, denn das Jubiläum war ein einmaliger, besonderer Anlass. Aber wenn der Ertrag steigt, dann wird auch eine gute Ergebnisbeteiligung für die Mitarbeiter rauskommen. Die Einzelheiten werden wir wie immer im Februar oder März mit dem Betriebsrat diskutieren.

"Wir müssen Leistungsanreize für junge Menschen schaffen"

Neben den Leiharbeitern geht es der IG Metall auch um die Lage der Werkvertragsbeschäftigten. Sie haben einmal gesagt, Sie wüssten nicht, wie viele Werkvertragsbeschäftigte es bei Daimler gebe; haben Sie sich zwischenzeitlich erkundigt?

Mit einem Werkvertrag kaufen wir eine Dienstleistung ein; zum Beispiel für Instandhaltungsarbeiten. Mit wie vielen Mitarbeitern der Dienstleister das macht, ist ihm überlassen. Und deshalb kann ich Ihnen auch heute keine Zahl nennen. Ein Eingriff in die Werkverträge wäre für uns überhaupt nicht nachvollziehbar und darstellbar. Es mag sein, dass die Gewerkschaft das anders sieht, aber wir gönnen uns ja durchaus manchmal unterschiedliche Meinungen.

Warum wollen Sie keine unbefristete Übernahme von Ausgebildeten akzeptieren?

Eigentlich arbeitet die Gewerkschaft hier mit einer Forderung, die sie selbst nicht ernst meinen kann. Wir müssen doch Leistungsanreize für junge Menschen schaffen. Es kann schließlich nicht das Ziel sein, einem Auszubildenden eine unbefristete Anstellung zu garantieren, unabhängig davon, mit welcher Leistung er die Ausbildung absolviert. Wir haben die 90/10-Regelung, die im Übrigen deutlich besser ist als bei den meisten anderen Unternehmen. 90 Prozent der Ausgebildeten werden unbefristet übernommen, 10 Prozent befristet für ein Jahr mit der anschließenden Entscheidung über eine unbefristete Übernahme. Wir übernehmen einen jungen Menschen nur dann nicht, wenn es leistungs- und persönlichkeitsbedingt Gründe gibt, die dagegensprechen. Unsere Regelung hat dazu geführt, dass bisher fast 100 Prozent der Auszubildenden auch übernommen wurden.

Beim viel diskutierten Thema Fachkräftemangel geht es nicht nur um die Sicherung des Nachwuchses, also unter anderem um die Einstellung von Auszubildenden. Eine Entlastung haben Sie auch, wenn die Menschen länger arbeiten können, womöglich bis 67. Sind die Arbeitsplätze so ausgestaltet, dass das auch möglich ist?

Das Thema Generationenmanagement beschäftigt uns sehr. Wir führen gerade zusammen mit dem Betriebsrat ein Projekt durch, bei dem wir uns insbesondere in der Montage die Arbeitsplätze anschauen. Ziel ist es sicherzustellen, dass durch Rotationen und den Wechsel in andere Bereiche auch Menschen jenseits der 60 noch hier arbeiten können. Das fängt bei der Planung der Produktionslinien an, ist aber auch eine Frage der Ausgestaltung der Arbeitsplätze, der Qualifizierung und der Gesundheitsvorsorge bei den Mitarbeitern. Wir bereiten uns bereits heute auf die neue Situation vor, die uns gegenwärtig aber noch nicht trifft. Die Beschäftigten in der Fertigung sind zurzeit deutlich jünger, meist bis zu Mitte 50.

Fachkräfte sind gesucht. Trotzdem gibt es im Unternehmen Gerüchte, dass Sie in der Entwicklung in Deutschland sparen - sogar von einem Einstellungsstopp ist die Rede - und in Indien und China Kapazitäten aufbauen. Gibt es solche Überlegungen?

Es gibt definitiv keinen Einstellungsstopp. Im Gegenteil: wir suchen Entwickler, die über Spezialkenntnisse verfügen. Den Aufbau von Entwicklungskapazitäten in Wachstumsmärkten wie zum Beispiel China und Indien brauchen wir unbedingt. Denn wir müssen uns dort auf die Wünsche der Kunden dort einstellen. Das bedeutet aber nicht, dass es in Deutschland zu Einschränkungen kommt. Wir haben ehrgeizige Wachstumspläne, und deshalb mache ich mir überhaupt keine Sorgen um die inländischen Arbeitsplätze in der Entwicklung.

Wenn die Entwicklung so wichtig ist, dann ist die Unruhe bei Ihrer Tochtergesellschaft MBtech nicht zu verstehen. Die Mitarbeiter dieses Ingenieurdienstleisters machen sich unter anderem Sorgen, dass ihr Unternehmen verkauft werden soll.

MBtech bewegt sich in einem Wettbewerbsumfeld, das von großen Ingenieurbüros geprägt ist. Mit der Aufnahme eines Partners können wir uns einen externen Markt außerhalb von Daimler erschließen und das Unternehmen damit langfristig stärker machen und absichern. Es geht überhaupt nicht darum, MBtech loszuwerden; das ist Unsinn.

Wann fallen Entscheidungen?

Wir haben mit mehreren Ingenieurdienstleistern gesprochen, aber es gibt noch keine Festlegung und damit auch noch keine Entscheidung.

In Zeiten der Arbeitskräfteknappheit muss ein Unternehmen sich anstrengen, um für Beschäftigte attraktiv zu sein. Unabhängig von der juristischen Würdigung wirken manche Praktiken wie das Vorgehen gegen Facebook-Aktivisten, die geplante Entlassung eines Betriebsrats wegen Arbeitszeitverstößen oder die Bluttests bei Einstellungen nicht gerade modern und weltoffen. Hat Daimler ein Imageproblem?

All diese Dinge haben doch überhaupt nichts miteinander zu tun. Bluttests sind bei allen Behörden üblich, da geht es nicht um Modernität. Damals wurde uns ein Verstoß gegen den Datenschutz vorgeworfen, worauf wir reagiert haben. Zweitens: der Betriebsrat, um den es hier geht, ist nicht anders behandelt worden als andere Beschäftigte. Jede Form von Arbeitszeitbetrug wird bei uns - und zwar schon immer - sofort mit Kündigung geahndet. Das ist einer der Fälle, in denen das die Rechtsprechung auch ohne vorherige Abmahnung zulässt. Der Betroffene war im Übrigen Mitglied des Ausschusses des Betriebsrats, der genau mit solchen Kündigungen befasst ist. Und zum Fall Facebook, als wir uns gegen die Beleidigung unseres Vorstandsvorsitzenden gewehrt haben: wir haben keinerlei Personalmaßnahmen ergriffen, sondern nur die Mitarbeiter zu einem Gespräch gebeten. So etwas muss möglich sein. Man muss sich im Netz nicht alles gefallen lassen und das auch thematisieren können.

Als modern gelten heutzutage Unternehmen, die eine Frauenquote gutheißen. Daimler-Chef Dieter Zetsche hat eine Frauenquote jüngst als "schlicht nicht realisierbar" bezeichnet. Das werden Frauen mit Karriereambitionen kaum als Ermunterung auffassen. Hat Daimler ein Problem mit Frauen?

Die grundsätzliche Aussage lautet, dass eine generelle Quote über alle Unternehmen und Branchen hinweg keinen Sinn macht. Wir sind ein technisch orientiertes Unternehmen. Die Frauenanteile bei den Hochschulabsolventen liegen in den entsprechenden Fächern bei 5 bis 15 Prozent. Bei sozialwissenschaftlichen Studiengängen legt die Verteilung deutlich höher, aber das ist für unsere Bedarfe weniger relevant. Ein Einheitswert, der sich dann noch ausschließlich auf Vorstand und Aufsichtsrat bezieht, macht aus unserer Sicht daher überhaupt keinen Sinn. Wir haben uns selbst zu einer Quote von 20 Prozent Frauen in Führungspositionen bis zum Jahr 2020 verpflichtet. Wir kommen auf diesem Weg gut voran, so ist unsere Quote innerhalb der letzten fünf Jahre von 6,5 Prozent auf jetzt 10 Prozent gestiegen. Man muss das von unten her aufbauen. In unseren Nachwuchsprogrammen haben wir teilweise sogar Frauenanteile von 35 Prozent.

Personalchef Porth - Start mitten in der tiefen Krise

Vertrag: Im Sommer hat der Aufsichtsrat den Vertrag von Personalchef Wilfried Porth, der am 30. April 2012 ausgelaufen wäre, um fünf Jahre verlängert. Das Ressort Personal führt Porth seit 2009. Damals – mitten in der tiefen Wirtschaftskrise – trat er die Nachfolge von Günther Fleig an.

Anfänge: Der gebürtige Baden-Badener hat nach dem Abitur in Markgröningen in Stuttgart Maschinenbau studiert. Ursprünglich hatte der 52-Jährige Pilot werden wollen.

Karriere: Porth ist ein echtes Daimler-Gewächs. Hier begann er nach dem Studium in der Produktionsvorbereitung und machte danach rasch Karriere. Vor der Bestellung zum Personalvorstand war er Chef der Tochter Mitsubishi Fuso in Japan und Leiter der Transportersparte. Als Daimler-Personalchef spielt Porth auch eine wichtige Rolle bei Tarifverhandlungen im Südwesten.