Die Bundesregierung verlangt rasch Klarheit über das Ausmaß der möglichen Abgasmanipulation bei Daimler. Die Belegschaft ist nach den Vorwürfen besorgt um den guten Ruf des Unternehmens.

Stuttgart - Die Bundesregierung erhöht wegen des Verdachts auf illegale Abschalteinrichtungen bei Dieselfahrzeugen den Druck auf Daimler: Wie das Bundesverkehrsministerium unserer Zeitung mitteilte, verhängt das Ministerium ein Zulassungsverbot für Neufahrzeuge des Mercedes-Transporters Vito mit 1,6-Liter-Motor und Euro-6-Norm. Neufahrzeugen dieses Typs, die noch nicht erstmals zugelassen worden sind, dürfe keine Zulassung zum Straßenverkehr mehr erteilt werden, erklärte das Verkehrsministerium. Darüber wird Berlin die Zulassungsbehörden der Länder informieren.

 

Die Anordnung ergibt sich aus einem Verwaltungsverfahren, das jetzt angelaufen ist. Das Verfahren ist die Grundlage für den angeordneten Rückruf des Vito. Daimler wird darin verpflichtet, die Fahrzeuge in die Werkstätten zu rufen und mit einem Software-Update die unzulässige Abschalteinrichtung zu entfernen. Danach soll das Fahrzeug wieder den Vorschriften entsprechen. Bis Mitte Juni muss Daimler den Plan für die technische Lösung vorlegen.

Der Verkehrsminister setzt Daimler eine Frist von 14 Tagen

Die Bundesregierung forderte den Daimler-Konzern auf, die Vorwürfe wegen Manipulationen der Motorsteuerung schnell zu klären. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) setzte Daimler eine Frist von 14 Tagen, um einen verlässlichen Sachstand über das Ausmaß abzugeben. Dann sollen „konkrete Ergebnisse auf dem Tisch liegen“, erklärte der Minister. Dies vereinbarte Scheuer in einem Gespräch mit Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche in Berlin. In der vergangenen Woche hatte Scheuer angekündigt, dass er den Daimler-Chef einbestellt habe. Scheuer erklärte nach der Unterredung, es werde mit Daimler einen „vertieften Austausch über die hochkomplexen technischen Fragen geben“. Anhand der Prüfungen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) soll möglichst schnell die genaue Zahl der betroffenen Dieselfahrzeuge ermittelt werden, die unzulässige Abschalteinrichtungen aufweisen. Zu weiteren Inhalten machten weder die Bundesregierung noch Zetsche Angaben. Zetsche sagte hinterher nur, es sei ein gutes, konstruktives Gespräch gewesen.

Daimler-Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht telefonierte nach eigenen Angaben unmittelbar nach dem Berliner Gespräch mit Vorstandschef Zetsche. „Dabei habe ich ihm die Sorge der Belegschaft um den Ruf des Unternehmens geschildert“, teilte Brecht mit. Allen sei klar, dass ein positiver Ruf von Daimler eng mit einer guten Beschäftigungssituation verbunden sei. „In den Daimler-Werken greift die Angst um sich, dass an den Vorwürfen zum Vito etwas dran ist. Wir als Arbeitnehmervertreter nehmen diese Angst ernst. Wir erwarten von allen Verantwortlichen auf Unternehmensseite, dass sie dies auch tun“, erklärte Brecht und forderte eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe.

Bisher hat Daimler noch keinen Widerspruch gegen den Rückruf-Bescheid eingelegt

Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte in der vergangenen Woche den Rückruf von weltweit 4900 Kleintransportern der Marke Mercedes Vito angeordnet. Bei Untersuchungen waren die amtlichen Prüfer zum Ergebnis gekommen, dass zwei Funktionen in den Motorsteuerung des Fahrzeugs nicht den geltenden Vorschriften entsprechen. Mit einer unzulässigen Programmierung der Software soll im Betrieb auf der Straße zu wenig Harnstofflösung (AdBlue) in den SCR-Katalysator eingespritzt worden sein. Dies hatte zur Folge, dass die Abgase nicht genügend gereinigt wurden und im Alltagsbetrieb zu viel Stickoxid aus dem Auspuff kam. Daimler will sich nicht zu den Vorwürfen äußern.

Das Unternehmen hat allerdings schon am Donnerstag in einer Pressemitteilung etwas verklausuliert ausgedrückt, dass der Fall anders liegt als bei VW, wo unzulässige Abschalteinrichtungen dazu führten, dass die Autos auf dem Prüfstand zwar die Grenzwerte einhielten, im Straßenverkehr jedoch nicht. „Für das Bestehen des maßgeblichen Test-Zyklus NEFZ sind die infrage stehenden spezifischen Programmierungen nicht erforderlich“, erklärte Daimler.

Scheuer hält es für möglich, dass noch weitere Fahrzeuge mit illegaler Motorsteuerung hinzukommen. Er hatte das KBA zu weiteren Prüfungen aufgefordert. Den umstrittenen Motor stellt Daimler nicht selbst her, sondern bezieht ihn von Allianzpartner Renault. Ein ähnlicher Dieselmotor von Renault wird bisher auch als Einstiegsmotorisierung in der C-Klasse verwendet. Noch in diesem Jahr soll diese Maschine nach Angaben des Sprechers jedoch gegen einen Mercedes-Motor ausgetauscht werden. Daimler bestreitet die Vorwürfe der Behörde und kündigte an, auf rechtlichem Weg die Entscheidung des KBA anzufechten. Bisher hat Daimler nach Angaben des Sprechers jedoch noch keinen Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt.