Konzernchef Martin Daum hört auf. Nach monatelanger Auswahl sind die Würfel für seine Nachfolge nun offenbar gefallen – auf eine 45-jährige Top-Managerin, die ihre Erfahrungen vor allem bei der Konkurrenz gesammelt hat.

Automobilwirtschaft/Maschinenbau : Klaus Köster (kö)

In wenigen Wochen bereitet die Nutzfahrzeugbranche ihren Herstellern mit der IAA Transportation eine große Bühne, und einige spricht dafür, dass Daimler Truck diese Messe in Hannover nutzen wird, um die wichtigste Personalie zu verkünden: Die Ernennung des – oder der – neuen Vorstandsvorsitzenden. Nun scheint klar zu sein, dass die Entscheidung auf Mercedes-Benz-Markenchefin Karin Radström hinausläuft.

 
Martin Daum ist bisher Chef von Daimler Truck. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Der Vertrag von Konzernchef Martin Daum läuft im Februar aus, und er hat bereits angekündigt, diesen nicht mehr verlängern zu wollen. Seit Monaten läuft beim Aufsichtsrat deshalb das Auswahlverfahren, das sich von Anfang an auf drei interne Kandidaten konzentrierte.

  • Da ist die 45-jährige Schwedin Karin Radström, die den Großteil ihrer Karriere beim schwedischen Konkurrenten Scania verbracht hatte, wo sie bis 2021 Vertriebsleiterin war. Seit gut drei Jahren ist sie im Daimler-Truck-Vorstand verantwortlich für die Kernmarke Mercedes-Benz sowie für die wichtigen Absatzregionen Europa und Lateinamerika.
  • Andreas Gorbach (49) verantwortet als Entwicklungschef die Antriebstechnologien und damit ebenfalls ein Schlüsselthema.
  • Ebenso wie Karl Deppen, der das Asiengeschäft leitet und damit unter anderem für die Märkte in China, Indien und Japan verantwortlich ist.

Die zweite Chefin eines Dax-Unternehmens

Die Würfel sind jetzt offenbar gefallen. Das „Manager Magazin“ berichtet, Radström habe das Rennen gemacht. Der einstigen Profisportlerin, die zeitweise dem schwedischen Ruderer-Nationalteam angehört hatte, waren im Unternehmen schon zuvor die größten Chancen eingeräumt worden. Neben Merck-Chefin Belén Garijo López ist Radström damit die zweite Frau, die ein Dax-Unternehmen führt. Mit einem Umsatz von 56 Milliarden Euro ist Daimler Truck allerdings fast dreimal so groß wie Merck.

Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge sind für Daimler Truck von wachsender Bedeutung. Foto: MediaPortal Daimler Truck AG

Bei der IAA Transportation wird Radström ein Projekt vorstellen, das Kunden den Kauf eines elektrischen LKW nahebringen soll. Unter dem Namen TruckCharge will das Unternehmen alles bündeln, was es in Sachen E-Mobilität zu bieten hat – von der Beratung bis zu digitalen Diensten. Das Besondere dabei: Das Unternehmen spricht damit nicht nur eigene Kunden an, sondern will auch Fuhrpark- und Flottenbetreiber, die bisher bei anderen Herstellern einkaufen, einbeziehen und perspektivisch an sich binden.

Bei Daimler Truck steht jetzt Sparen an

Doch außer Zukunftsprojekten stehen auch unangenehme Gegenwartsaufgaben auf der Agenda von Daimler Truck – nicht zuletzt in Radströms eigenem Vorstandsressort. Wegen schlechter Auftragslage muss bei der Marke Mercedes-Benz kräftig gespart werden – geplant sind Kurzarbeit und ein Einstellungsstopp für rund 5000 der 10 000 Beschäftigten im LKW-Werk Wörth. Im europäischen Markt, für den im Vorstand ebenfalls Radström verantwortlich zeichnet, ging der Absatz im ersten Halbjahr um 15 Prozent zurück, der Betriebsgewinn sogar um 27 Prozent.

Daimler Truck ist der größte Lkw-Hersteller der Welt und produziert mit mehr als 100 000 Beschäftigten Nutzfahrzeuge vom Lkw bis zum Schwertransporter. Während beim Autokonzern Mercedes-Benz Group Vorstandsverträge ab dem Alter von 60 Jahren nur noch Jahres Weise verlängert werden, gibt es bei Daimler Truck keine Altersgrenze. Dass Daum gleichwohl aufhört, gab in der Vergangenheit Anlass zu Spekulationen.

Joe Kaesers unklare Signale zu Martin Daum

Einerseits heißt es im Unternehmen, Daum und sein Aufsichtsratschef, der ehemalige Siemens-Vorstandsvorsitzende Joe Kaeser, arbeiteten professionell zusammen; andererseits kommentierte Kaeser Daums Wirken auf der Hauptversammlung mit den Worten, dieser hinterlasse ein „gut bestelltes Haus und noch ausreichend Raum für seine Nachfolger“. Was wohl nur so zu verstehen ist, dass Daums Aufseher in dem Unternehmen noch Luft nach oben sieht, um die man sich erst nach Daums Abgang kümmern kann.

Kaesers Worte zu Radström, deren ursprünglicher Dreijahresvertrag erst im vergangenen Jahr um weitere fünf Jahre verlängert wurde, lassen dagegen wenig Interpretationsspielraum. Radström leiste „hervorragende Arbeit und hat Mercedes-Benz Trucks in schwierigem Umfeld erfolgreich weiterentwickelt“, lässt sich Kaeser zitieren. „Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit.“.