Daimler-Vorstand Thomas Weber begrüßt den Wettbewerb mit den IT-Riesen. Im Interview erzählt er, wie der Stuttgarter Konzern die Investitionen für Forschung und Entwicklung aufstockt, um das autonome Fahren voran zu bringen.

Stuttgart – - Der Internetriese Google sorgt seit einigen Jahren immer wieder für Aufregung, wenn er Testwagen auf die Piste schickt, die ohne Fahrer ihren Weg finden. Auch Apple arbeitet angeblich an einem solchen autonom fahrenden Wagen. Der Daimler-Forschungs- und Entwicklungsvorstand Thomas Weber sieht solche Aktivitäten gelassen. Dieses große Interesse der kalifornischen IT-Firmen zeige doch, wie attraktiv die Autoindustrie als Branche mit großen Zukunftschancen sei, meint Weber im Interview mit der Stuttgarter Zeitung.

 
Herr Weber, vor nicht allzu langer Zeit waren Autos mit elektronischem Chauffeur nur ein Thema für Futuristen. In diesem Jahr werden autonom fahrende Autos und die Vernetzung von Fahrzeugen die dominierenden Themen auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt sein. Wird sich der Wettbewerb der Autobauer künftig vor allem auf diesem Feld abspielen?
Das Auto ist ein sehr komplexes Produkt. Deshalb kann man nicht immer über alles gleichzeitig diskutieren. Über viele Jahre standen grüne Technologien und alternative Antriebe im Mittelpunkt der Diskussion. Hier haben wir schon viel erreicht und dieses Thema wird weiter wichtig bleiben. Auch Sicherheit und Komfort bleiben sehr relevant. Gerade bei Premiummarken erwarten Kunden, dass hier höchste Ansprüche erfüllt werden. Neu kommt nun aber die Connectivity – also die digitale Vernetzung der Fahrzeuge – hinzu, weil jeder von uns inzwischen ein Smartphone hat. Neu kommt auch das autonome Fahren hinzu, das uns eine riesige zusätzliche Chance gibt, im Wettbewerb zu punkten.
Auf der IAA wird in diesem Jahr auch erstmals Google vertreten sein. Der kalifornische Internetriese hat eine geniale Suchmaschine entwickelt und experimentiert nun auch mit autonom fahrenden Autos. Sehen Sie Google als Angreifer, der die Autobranche aufmischen will?
Ich freue mich, dass Google kommt und bin ganz entspannt. Wir bei Daimler sind selbstbewusst und haben keine Angst. Wir gehen inzwischen wie selbstverständlich auf die Elektronikmesse CES in Las Vegas, und dass Internetriesen wie Google nun zu uns kommen – das adelt doch unsere Branche. Es ist noch nicht lange her, da wurden Autohersteller mit Dinosauriern verglichen, die vom Aussterben bedroht seien. Wenn Internetriesen zur IAA kommen, sieht man auch daran, dass die Autobranche große Zukunftschancen hat.
Aber wenn zusätzliche Spieler auf den Markt kommen, wird der Wettbewerb härter.
Nur wer dieses Thema nicht ernst nimmt, muss Angst haben, weil er möglicherweise überholt wird. Wir geben auf diesem Gebiet kräftig Gas. Bei Daimler haben wir im vergangenen Jahr 5,6 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben, davon vier Milliarden bei Mercedes-Benz. Und wir werden das Entwicklungsbudget weiter aufstocken. Unser Budget für das Thema digitale Vernetzung haben wir in den letzten zwei, drei Jahren verdoppelt und das Budget für autonomes Fahren werden wir in kurzer Zeit verdreifacht haben, damit wir hier vorne bleiben. Denn wir sind uns bewusst: Der Schnellere wird am Ende gewinnen.
Wird dafür die Pkw-Entwicklung in Sindelfingen und Untertürkheim ausgebaut?
Wir werden dafür unser gesamtes globales Netzwerk nutzen. Sindelfingen und Untertürkheim bleiben die „Mission Control“, also quasi das Kontrollzentrum. Es wird jedoch nicht alles hier gemacht. Wir werden die Kapazitäten im Silicon Valley ausbauen, wo wir schon seit 20 Jahren mit einem Forschungs- und Entwicklungszentrum vertreten sind und weit mehr als 200 Mitarbeiter beschäftigen. Das Silicon Valley ist der Know-how-Hotspot der Internetbranche, wo man mit Innovationen anders umgeht und manches anders gemacht wird. Wir werden auch unsere schnell wachsenden Entwicklungszentren in China und Indien dafür einspannen. Durch dieses globale Netzwerk können wir die 24 Stunden eines Tages besser nutzen und deutlich schneller sein.
Daimler-Chef Dieter Zetsche hat kürzlich Spekulationen geweckt, wonach Daimler mit einem der Internetriesen aus dem Silicon Valley die Kräfte bündeln könnte. Könnte Daimler vielleicht das Auto für Google oder Apple bauen?
Dieter Zetsche hat nur fiktiv gesagt: Warum auch nicht? Durch unsere guten Kontakte im Silicon Valley gehen wir bei diesen Firmen ein und aus. Dies gilt auch umgekehrt. Ich suche diese Kontakte, weil sie sehr wichtig sind und unsere Arbeit befruchten. Diese Firmen verstehen etwas von Daten, von Vernetzung, von dem was Kunden wirklich wollen, auch zum Beispiel wie Bedienkonzepte gestaltet sein sollten. Es gibt derzeit an vielen Stellen Diskussionen – konkreter möchte ich nicht werden.