Lange war die Zukunft von Daimlers traditionsreicher Mercedes-Fabrik in Marienfelde ungewiss. Dann erhielt es als Digitalisierungszentrum eine neue Aufgabe. Und nun kann der Betriebsrat einen weiteren Erfolg feiern.

Stuttgart - Daimler verstärkt die Neuausrichtung seines Mercedes-Werks in Berlin-Marienfelde. Dort sollen künftig auch Elektromotoren montiert werden. Dies kündigte der Autohersteller am Donnerstag an. Dafür sollen auch die Investitionen zur Unterstützung des Abschieds vom Verbrenner deutlich aufgestockt werden. In den kommenden sechs Jahren soll dort ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag investiert werden, teilte Daimler mit. Bisher war ein zweistelliger Millionenbetrag geplant. Genauere Zahlen nennt das Unternehmen nicht.

 

Seit dem vergangenen Herbst gab es viel Unruhe unter den Mitarbeitern

Seit dem Herbst des vorigen Jahres hatte es viel Verunsicherung über die Zukunft der Jobs in dem Berliner Werk und heftige Proteste gegeben. Die Mitarbeiter befürchteten, dass ein Großteil der Jobs gefährdet ist, womöglich sogar der gesamte Standort auf der Kippe steht. Das Werk wurde bereits 1902 gegründet und ist der älteste produzierende Standort von Mercedes-Benz.

Im März einigte sich das Management mit dem Betriebsrat dann zunächst darauf, das Werk zu einem Kompetenz- und Schulungszentrum für die Digitalisierung der Produktion in den Fabriken des Autoherstellers umzubauen und auch einige Komponenten für Elektroautos zu produzieren. Trotz dieser Vereinbarung waren Stellen in Berlin weiterhin gefährdet: Die Produktion von Verbrennertechnik soll in den kommenden Jahren komplett heruntergefahren werden. Kündigungen sind allerdings bei Daimler bis Ende 2029 ausgeschlossen.

Der Betriebsrat kann einen weiteren Erfolg vermelden

In den vergangenen Monaten hat der Betriebsrat weiter mit dem Management verhandelt. Der Betriebsrat und die IG Metall zeigen sich sehr zufrieden mit dem nun erreichten Ergebnis. „Wir machen hier einen wichtigen Schritt in die Zukunft. Wir werden zum Kompetenzzentrum für Elektromotoren, ohne Konkurrenz mit anderen Standorten. Das ist ein großer Erfolg. Hier wird keiner seinen Arbeitsplatz verlieren“, sagt der Berliner Betriebsratschef Michael Rahmel.

Jan Otto, der Erste Bevollmächtigte der Berliner IG Metall, zeigt sich euphorisch und geht sogar noch einen Schritt weiter: „Auf dem Weg zur Fabrik der Zukunft kann in den nächsten Jahren sogar mehr Beschäftigung aufgebaut werden“, schätzt Otto. Daimler setzt hier nach Einschätzung des Gewerkschafters auch ein gutes industriepolitisches Signal. „Aus Tradition wird in Berlin Zukunft. Deutschlands Premium-Automarke beweist rund 50 Kilometer entfernt von Tesla Zukunftsmut und Gestaltungswillen“, sagt Otto. Tesla will demnächst mit der Produktion von Elektroautos in seinem neuen Werk in Grünheide bei Berlin beginnen.

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Die Elektromotoren, die künftig im Daimler-Werk Marienfelde hergestellt werden, wurden von dem britischen Start-up Yasa entwickelt, das Daimler in diesem Sommer übernommen hat. Die Entwicklung der Motoren bleibt nach Angaben von Mercedes-Produktionschef Jörg Burzer in Oxford. Die Hochleistungs-Elektromotoren der Briten sollen in die sportlichen Wagen der Mercedes-Tuningtochter AMG eingebaut werden. Burzer konnte in einer Videokonferenz noch keine Angaben dazu machen, wie viele Jobs dadurch zusätzlich im Berliner Werk gesichert werden können. Derzeit sind dort laut Burzer rund 2300 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt.

Die im Luxussegment angesiedelten sehr sportlichen Modelle von AMG werden eher in kleineren Stückzahlen produziert. Die Elektrifizierung ist noch ganz am Anfang. Der reine Verbrenner ist aber auch bei AMG ein Auslaufmodell. Zug um Zug soll auf Hybrid- und reinen Elektroantrieb umgestellt werden.

Der Mercedes-Produktionschef betonte, dass das Berliner Werk mit der zusätzlichen Montage der Elektromotoren nun sehr gute Zukunftsperspektiven habe. Mit dem Kompetenzzentrum für die Digitalisierung der Produktion spiele Berlin im weltweiten Verbund der Werke eine ganz neue und sehr wichtige Rolle. Mit Hilfe der Digitalisierung sind alle Daten in einer Fabrik überall in Echtzeit verfügbar. Damit können beispielsweise Abweichungen bei der Qualität schnell erkannt und gezielt abgestellt werden. Dies erhöht die Effizienz der Produktion.