Daimler will offenbar aus der deutschen Mautfirma Toll Collect aussteigen. Bei der Neuvergabe des Mautsystems sollte die Politik sich nicht wieder längerfristig von Unternehmen abhängig machen, kommentiert Thomas Wüpper.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis Daimler bei der Mautfirma Toll Collect aussteigt. Die Hoffnungen des Autokonzerns auf richtig große Geschäfte rund um die Maut-Box in den Lastwagen haben sich bisher nicht erfüllt. Stattdessen hat Daimler bis heute jede Menge Ärger mit milliardenschweren Schadenersatzforderungen des Staates an die Tochterfirma wegen des verspäteten Starts des Maut-Systems. Seit Frühjahr kommen strafrechtlichen Ermittlungen wegen Verdachts des Abrechnungsbetrugs hinzu.

 

Auch der erhoffte Exportschlager ist die teure deutsche Insellösung zur Erfassung und Abrechnung der Lkw-Straßengebühren nie geworden. Viele Länder auch in Europa haben sich für andere Systeme entschieden. Keine Bilanz, die Daimler-Chef Dieter Zetsche erfreuen kann. Kein Wunder also, dass die Stuttgarter Automanager nun die Notbremse ziehen und strategisch umsteuern wollen. Statt auf die gesamte Mauterfassung und Abrechnung will man sich künftig nur noch auf die Produktion der Boxen in den Fahrzeugen konzentrieren, die dazu gebraucht werden.

Zusatzgeschäfte anvisiert

Im zweiten Anlauf soll so der Plan aufgehen, mit der Technik lukrative Zusatzgeschäfte in der Telematik und Navigation zu verwirklichen. Deren exklusive Vermarktung über das Toll-Collect-System hatten die Wettbewerbsbehörden einst den Konzernen richtigerweise untersagt. Denn so wäre eine marktbeherrschende Position zementiert worden, die den Nutzern schadet.

Ob es Daimler und der Telekom dieses Mal gelingt, mit der von den Kartellwächtern frei gegebenen neuen Gemeinschaftsfirma Toll4Europe ein lukratives Geschäftsmodell zu etablieren, steht allerdings in den Sternen. Die Konkurrenz bei Mautsystemen ist groß, nationale Lösungen werden bisher bevorzugt, die Europäische Union hat es bisher nicht geschafft, auch nur im Ansatz wünschenswerte einheitliche Systeme zu etablieren.

Unerfreuliche politische Zwischenbilanz

Auch die politische Bilanz fällt daher unerfreulich aus. Die Kritik an Verkehrsminister Dobrindt, der viel Zeit und Geld mit einer fragwürdigen Pkw-Maut verschwendet hat, kratzt dabei nur an der Oberfläche. Viel schwerer wiegt: Mit der leichtfertigen Vergabe wichtiger Aufgaben wie der Mauterfassung an Toll Collect hat sich die Regierung über viele Jahre hinweg abhängig von großen Unternehmen gemacht.

Nichts zeigt das besser als das geheime Schiedsverfahren um viele Milliarden Schadenersatz, das auch nach einem Jahrzehnt nicht entschieden ist. Die von Dobrindt geplante Neuvergabe der Mautsysteme ab 2018 in der bisher geplanten Form sollte deshalb nach der Bundestagswahl auf den Prüfstand gestellt werden. Ein „weiter so“ darf es nicht geben.