Depression, Angststörung und Co.: So steht es aktuell um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Land.

Stuttgart - Ein kleines Männchen mit orangerotem Superhelden-Schatten blickt wachsam aus der Mitte eines Computer-Bildschirms. „Wie fühlst du dich gerade?“, fragt es seinen Betrachter. Wer daraufhin auf „gestresst und angestrengt“ klickt, dem nickt das Männchen verständnisvoll zu und beginnt ein Gespräch – Lösungsansätze für die schwierige emotionale Gemengelage inklusive.

 

Virtuelle Therapieangebote wie diese „Smart4me“-App der DAK gibt es heutzutage viele. Automatisch generierte Gesprächspartner, TED-Talk-Portale oder Angebote mit speziellen Atemübungen für Stresssituationen – auf dem Markt tummeln sich zahllose virtuelle Taschentherapeuten, die Unterstützung bieten sollen, wenn Menschen in einer psychischen Krise zum Beispiel lange auf einen Therapieplatz warten müssen. Als Ersatz für eine reale Behandlung taugen die Apps zwar nicht, doch für viele können sie zur Krücke werden – gerade auch für eine Patientengruppe, die den Schritt in die Therapie meist selbst noch gar nicht gehen kann: Kinder und Jugendliche.

Wie steht es um die psychische Gesundheit der Schulkinder im Land?

2017 war in Baden-Württemberg jedes fünfte Schulkind zwischen zehn und 17 Jahren psychisch auffällig und wurden deswegen von einem Arzt behandelt. Diese Ergebnisse stellte die DAK mit ihrem aktuellen Kinder- und Jugendreport am Montag in Stuttgart vor. Die meisten der jungen Patienten litten unter Entwicklungsstörungen, wie zum Beispiel Stottern oder anderen Sprachschwierigkeiten. Häufig hatten sie jedoch auch mit schwerwiegenden affektiven Störungen wie Depressionen und Angststörungen zu kämpfen.

Beide Erkrankungen sind weit verbreitet. Mit einer dauerhaften depressiven Störung zum Beispiel kämpfen in der Republik nach Angaben der Deutschen Depressionshilfe rund 5,3 Millionen Menschen. Dazu kommt eine hohe Dunkelziffer – viele leiden leise und schreiben ihre vermeintliche Niedergeschlagenheit keiner psychischen Krankheit zu.

Eine solche wurde jedoch in Baden-Württemberg 2017 bei rund 32.000 Kindern und Jugendlichen diagnostiziert. 16.600 davon litten unter Depressionen, 19.300 unter einer Angststörung. Das sind je rund zwei Prozent aller Schüler im selben Alter, wobei Mädchen fast doppelt so häufig betroffen waren wie Jungs. Bundesweit liegt das Land mit dieser Zahl unterhalb des Durchschnitts.

Die wahre Herausforderung wartet nach der Klinik

Die meisten Betroffenen leben in den Städten: Hier litten im Untersuchungszeitraum statistisch gesehen rund 12 Prozent mehr Kinder an Depressionen als im ländlich geprägten Raum. Das könnte einerseits an den unterschiedlichen Lebensgewohnheiten und -bedingungen liegen, erklärt DAK-Landeschef Sigfried Euerle. „Für Stadtkinder existiert aber auch ein dichteres Angebotsnetz an niedergelassenen Fachärzten. Sie bekommen leichter Hilfe und damit auch eine passende Diagnose.“

Für jedes 12. depressive Schulkind war 2017 der Weg in die Klinik unausweichlich, bei den meisten hatte eine akute Episode zu diesem Schritt geführt. Durchschnittlich 38 Tage lang blieben sie stationär in Behandlung. Doch vor allem danach wurde es für viele kritisch: 27 Prozent der Patienten mussten einige Zeit später erneut im Krankenhaus behandelt werden. Der Grund: In vielen Fällen ist die ambulante Nachsorge ungenügend. Kinder und Jugendliche, die aus der Klinik entlassen werden, müssen oft lange auf eine Anschlusstherapie warten oder kommen erst gar nicht mit den passenden Stellen in Verbindung. „Wir haben offenkundige Versorgungslücken nach der Krankenhausentlassung, die wir dringend schließen müssen“, so Euerle.

Die DAK will das zum Beispiel mit dem Nachsorgeprojekt „veo“ tun. Dieses soll psychisch kranken Kindern und Jugendlichen eine vernetzte ambulante Nachsorge über drei Jahre hinweg garantieren. Dazu können auch individuelle Angebote kommen, die den Jugendlichen Halt geben: Gespräche in der Familie zum Beispiel. Gut aufgearbeiteter Lesestoff. Oder eben das Männchen mit dem Superheldenschatten.