Das gibt es sonst nirgends in Deutschland: Mit dem Hohenzollernzug steht eine vollständig erhaltene Personenbahn von 1900 in einer unscheinbaren Weissacher Halle. Viel Arbeit wartet auf die Ehrenamtlichen um Armin Herdecker.

Weissach - Unscheinbar steht die Halle da, am Ortsausgang von Weissach. Die Gleise weisen zwar darauf hin, dass es hier um das Thema Zug geht. Was für einen Schatz der Schuppen aber beherbergt, das sieht man erst, wenn man die riesigen Eisentore öffnet. Auch Armin Herdecker ist ganz aus dem Häuschen und atmet schwer, aus Faszination, aber auch, weil die Tore so schwer gehen.

 

Es rostet überall. Das ist der Grund, warum der Zug in der Halle steht, hier in Weissach. Seit etwa zwei Jahren ist hier der „Hohenzollernzug“ untergebracht, vorher war er in Kornwestheim zu Hause, im Freien. „Wir sind gottfroh, dass wir in Weissach diese Halle gefunden haben“, sagt Herdecker und geht rein in die gute Stube.

Es ist dunkel, die Augen müssen sich erst daran gewöhnen. Dann aber, nach und nach, offenbart sich der Anblick. Bis nach hinten stehen die Wagen aufgereiht. Was für eine Ansammlung!, mag sich der Laie denken, aber nur so lange, bis er von Armin Herdecker korrigiert wird. „Nein“, erklärt der Fachmann, „das Besondere ist, dass das keine Sammlung ist“. Sondern die Garnitur eines Zugs, die wirklich vor einhundert Jahren so gefahren ist.

Nämlich im Donautal, zwischen Sigmaringen und dem Laucherttal, später auch von Hechingen bis Burladingen. In Hohenzollern, einem Regierungsbezirk, das um 1900 noch zu Preußen gehört hat. Die 1899 gegründete Eisenbahnfirma hieß daher „Aktiengesellschaft Hohenzollern’sche Kleinbahngesellschaft“. Von 1907 an dann „Hohenzollerische Landesbahn“ (HzL).

Eisenbahnfreaks nennen die Garnitur aus Loks und Wagen deshalb bis heute „Hohenzollernzug“. Zwei Loks gehören dazu, die Dampflokomotive 11 der Maschinenfabrik Esslingen von 1911 und die Dampflokomotive 16 von AEG (Baujahr 1928). Dazu kommen acht Personenwagen aus den Baujahren zwischen 1900 und 1908 und drei Packwagen von 1900.

Es gibt viele Vereine, die in Deutschland historische Züge und Dampfloks betreiben. Der Unterschied aber ist: Die meisten davon sammeln Wagen unterschiedlicher Herkunft. Der Hohenzollernzug aber ist in großen Teilen erhalten, stilrein steht er heute genau so da, wie er vor einem Jahrhundert gefahren ist. „Ich wüsste nicht, dass es das so in Deutschland nochmals gibt“, sagt Armin Herdecker, völlig zu Recht mit ein bisschen Stolz in der Stimme.

Es ist ein wahres Denkmal, das die „Gesellschaft zur Erhaltung von Schienenfahrzeugen Stuttgart“ (GES) besitzt. 2004 hat das auch das Landesdenkmalamt erkannt und den Zug unter Schutz gestellt. „Alle Fahrzeuge sind in Fahrgestell, Aufbau und Radsätzen aus dem Betriebszustand heraus überliefert“, schreibt der Gutachter damals begeistert, „die Personenwagen 3, 6, 21, 22 und 26 besitzen noch die originale Innenausstattung, die sie während des fahrplanmäßigen Betriebs erhalten hatten.“

Bis in die 60er und 70er Jahre waren die Wagen auf den HzL-Strecken regulär in Betrieb, zuletzt mehr schlecht als recht. Der Wagen Nr. 3 zum Beispiel, der älteste Wagen, diente zuletzt als Beiwagen, wenn ein Güterzug Menschen beförderte. Wagen Nr. 7 war zuletzt ein Lagerraum und Transportfahrzeug für Schweißgeräte. Wagen Nr. 9 war am Ende Aufenthaltsraum für die „Landesbahner“, wie man die HzL-Mitarbeiter noch heute nennt.

Ein Verein wird gegründet – die GES

Gleichzeitig finden sich in den 60er Jahren in Stuttgart zehn Eisenbahnfreunde, die sich eine Mission geben. Sie wollen Züge erhalten und sie vor der Verschrottung retten. Im Dezember 1965 gründen sie die GES. Die Hohenzollerische Landesbahn wird schon alsbald zu einem guten Partner, nach und nach kaufen die Stuttgarter Wagen und Loks aus Hechingen, 1973 zum Beispiel Wagen Nr. 3 und 6, drei Jahre später Wagen Nr. 7 und 1977 Wagen Nr. 9.

Armin Herdecker steht jetzt davor. „Für uns ist das richtig viel Arbeit“, sagt der heutige Vorsitzende des GES. Das hängt mit der Vereinsgeschichte zusammen. Der Hohenzollernzug ist vor 30 bis 40 Jahren fleißig gefahren, zumeist auf den beiden GES-Stammstrecken, nämlich zwischen Korntal und Weissach und auf der Sofazügle-Strecke von Nürtingen nach Neuffen (Landkreis Esslingen). „Dann wollte man das Material schonen“, erklärt Armin Herdecker. Man hat Ersatz angeschafft, mit dem man den Museumsverkehr bedient hat. In guter Absicht war das natürlich – bewirkt hat man allerdings das Gegenteil.

Denn wer rastet, der rostet. Das gilt für nichts mehr als für alte Eisenbahnen. Teile des Hohenzollernzugs wurden damals außer Betrieb gesetzt und abgestellt. Und weil man keinen Schuppen hatte eben im Freien, erst in Zuffenhausen, dann in Kornwestheim – bis vor eineinhalb Jahren. Im April 2015 hat die Strohgäubahn ihre Werkstatt von Weissach nach Korntal verlegt. Die GES nutzt die Chance und bekommt die frei gewordene Halle von der Gemeinde Weissach zunächst übergangsweise. „Wir hoffen darauf, dass wir dauerhaft hier bleiben können“, sagt Herdecker. „Voraussetzung ist natürlich, dass wir auch auf der Schiene nach Weissach fahren können.“ Seit 2015 fährt die Strohgäubahn eben auch nicht mehr in diesen Ort und die Strecke ist verwaist. Aber da stehen die Zeichen gut. Denn Weissach und der Landkreis Böblingen haben schon damit begonnen, die Strecke zu sanieren, um sie wenigstens für den Museumsbetrieb zu erhalten.

Denn freie Eisenbahnhallen gibt es in der Region Stuttgart nicht allzu viele. „Wir brauchen aber eine Halle, wenn wir den Hohenzollernzug sanieren wollen“, erklärt Herdecker. Und das ist das große Ziel der GES und ihrer vielen Helfer, die sich – so wie Armin Herdecker – alle ehrenamtlich engagieren. Schon als kleiner Junge hat er davon geträumt. Der 55-Jährige ist in Bad Cannstatt aufgewachsen, dort also, wo der Hohenzollernzug einst zwischen den Einsätzen stand. „Immer, wenn er angefahren kam, stand ich neben den Gleisen“, erinnert er sich.

Mit 16 erlaubten es die Vereinsstatuten, in die GES einzutreten. Seit fünf Jahren hängt er, der stilecht im Höfinger Bahnwärterhäuschen lebt, sich nun wieder richtig rein, seit drei Jahren ist er der Vorsitzende. Als Kaufmann ist er zwar häufiger im Vereinsbüro als in der Werkhalle, dennoch weiß er, wie viel Arbeit auf die GES wartet.

Kauf und Verkauf von alten Zügen

Einen kleinen Paradigmenwechsel hat sich der Eisenbahnverein in den vergangenen Jahren dafür verordnet. Die Kernsammlung will man pflegen, dafür hat man Material, das nicht ins Konzept passt, etwa einen Elektrolok E 94 (das „Krokodil“), verkauft. „Das war ein entscheidender Punkt, als wir entschieden haben, den Hohenzollernzug wieder in Betrieb zu nehmen“, berichtet der Vereinsvorsitzende.

Wagen für Wagen machen sich die etwa 30 Ehrenamtlichen seitdem an die Arbeit, bis diese wieder glänzen und fahrbereit sind. Das Blech muss dafür erst weg, dann muss man das morsche Holz dahinter austauschen. Daneben müssen Risse ausgebessert, Bremsen gewartet und am Ende alles gestrichen werden. Mehr als 100 000 Euro kann das kosten – pro Wagen. „Wir finanzieren das aus den Einnahmen unserer Fahrten, zum Beispiel dem Feurigen Elias“, sagt Armin Herdecker.

Da wird jeder Cent gebraucht. Aber auch mehr Helfer könnte Herdecker gebrauchen. Die Zahl der Schlosser und Schweißer reicht einigermaßen, einen Schreiner hatte es lange Zeit nicht gegeben. Zuletzt haben sie zum Glück einen gefunden. „Wir brauchen jeden, auch wenn jemand überhaupt keine Kenntnisse hat“, sagt Herdecker.

Aus elf Wagen insgesamt besteht der Hohenzollernzug. Vier sind derzeit startklar, an einem wird gearbeitet. „Es wird nie so sein, dass alle Wagen gleichzeitig fahrbereit sind“, weiß der Vereinsvorsitzende. Ziel ist eine betriebsfähige Garnitur, die aus sechs bis sieben Wagen besteht.

Und der Dampflok. Die Lokomotive 11 der Maschinenfabrik Esslingen von 1911 gehört seit 1969 der GES, die Lokomotive 16 seit 1973. Die Lok 16 ist demnächst wieder fahrbereit, anschließend wird ihre Kollegin 11 saniert. Wenn das die Autofahrer wüssten, die hier unbedarft am Weissacher Ortsausgang vorbeibrausen.