Der Kader von Volleyball-Bundesligist Allianz MTV Stuttgart ist nach der Verpflichtung von Mira Todorova nicht nur komplett, sondern auch namhaft besetzt – entsprechend hoch sind die Ansprüche.

Stuttgart - Kim Renkema hat ziemlich genaue Vorstellungen davon, wie Volleyball funktioniert. Klar, es geht nicht ohne Einsatz, Ehrgeiz, Erfahrung. Aber vor allem nicht ohne Emotionen und Euphorie. „Unser Sport“, sagt sie, „lebt vom Zusammenspiel mit den Fans.“ Entsprechend gemischt sind aktuell die Gefühle bei den Verantwortlichen von Allianz MTV Stuttgart. Weil niemand von ihnen weiß, ob beim Bundesliga-Start am 26. September wieder vor Zuschauern gespielt werden kann. Und sie doch allen ihr neues Team präsentieren wollen, das die Fans mitnehmen soll – auf einen spannenden, spektakulären, sportlich erfolgreichen Weg. „Von den Namen her“, sagt Kim Renkema, die Sportchefin, „ist dies der stärkste Kader, der je in Stuttgart gespielt hat.“

 

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Seit März, als die Saison wegen der Corona-Krise vorzeitig abgebrochen wurde, haben sie beim MTV gepuzzelt. Nun ist auch das letzte Teil gefunden: Mira Todorova (26) komplettiert das Bild. Die Mittelblockerin, die als Spezialistin für Schnellangriffe im Rücken der Zuspielerin gilt, kommt vom französischen Erstligisten RC Cannes. „Sie ist sehr erfahren, passt bestens in unser System“, sagt Trainer Giannis Athanasopoulos über die bulgarische Nationalspielerin, von der auch Kim Renkema absolut überzeugt ist: „Sie hat ein noch höheres Niveau als Martina Samadan, ist für uns die optimale Lösung. Ich mag ihren Spielstil sehr.“

Fragezeichen gibt es trotzdem. Wie in jedem Sommer.

Garantien gibt es auch im Volleyball nicht

Rückblende. Vor einem Jahr folgte auf die erste Meisterschaft der Vereinsgeschichte der große Umbruch. Neun Neue kamen, und doch waren sich alle sicher, an individueller Klasse gewonnen zu haben. Das Team bot begeisternde Spiele, vor allem in der Champions League, aber zum Beispiel auch im Pokal-Halbfinale gegen den SSC Schwerin. Doch es folgte im Endspiel der bitterste Moment – beim 2:3 gegen den Dresdner SC vergab der haushohe Favorit fünf Matchbälle. Was nur zeigt: Für Erfolg gibt es keine Garantien. Und dennoch ist der Optimismus in Stuttgart erneut groß. Vor allem bei Kim Renkema. „Wir haben“, sagt sie, „unsere Wunschkandidatinnen bekommen.“

Eckpfeiler des Kaders sind alte Bekannte. Diagonalangreiferin Krystal Rivers, die Kapitänin, und Libera Roosa Koskelo blieben in Stuttgart, Außenangreiferin Michaela Mlejnkova und Zuspielerin Athina Papafotiou kehren zurück, wie auch Lena Große Scharmann, die Rivers entlasten soll. „Wir haben sieben neue Spielerinnen geholt, die bei ihren letzten Vereinen eine sehr starke Saison absolviert haben“, meint Trainer Athanasopoulos, „aber noch wichtiger ist für mich, dass drei von ihnen alles bei uns kennen – die Stadt, den Verein, das Management, mich. Sie benötigen keine Eingewöhnungszeit. Das ist der Schlüssel, um erfolgreich zu sein.“ Entsprechend hoch sind die Ziele.

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Seit Jahren zählt Allianz MTV Stuttgart zu den besten drei Vereinen in Deutschland, bestreitet Finale auf Finale. Auch nächste Saison will der Club um Meisterschaft und Pokalsieg kämpfen. „Ich erwarte, dass die Bundesliga an der Spitze noch stärker und interessanter wird“, sagt Geschäftsführer Aurel Irion, „und trotzdem ist unser Team gut genug, um Titel holen zu können. Wir verfügen künftig über eine Schlagkraft, die uns zuletzt vielleicht etwas gefehlt hat.“

Der Etat kann gehalten werden – trotz Corona

Doch nicht nur sportlich scheint der ehrgeizige Verein stark aufgestellt zu sein. Stand heute wird es Allianz MTV Stuttgart gelingen, gut durch die Corona-Krise zu kommen. Der geplante Etat liegt weiterhin zwischen 1,6 und 1,7 Millionen Euro, bisher ist kein Sponsor abgesprungen, stattdessen wurden zwei neue Unterstützer (im fünfstelligen Bereich) gefunden, mit zwei weiteren Unternehmen laufen vielversprechende Gespräche. „Die Attraktivität des Frauen-Volleyballs in Stuttgart wird auch in schwierigen Zeiten gesehen, das ermöglicht uns eine sehr solide Finanzplanung“, sagt Irion, „zudem hat uns die Krise die Chance geboten, Spielerinnen verpflichten zu können, die unter normalen Umständen für uns zu teuer gewesen wären.“ Bleibt nur noch eine Sorge.

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Rund 300 000 Euro erlöst Allianz MTV Stuttgart pro Saison durch Ticketverkäufe. Vier Wochen, vielleicht auch acht oder zehn, wären mit Geisterspielen durchzuhalten. Mehr nicht. Längst wird deshalb überlegt, wie viele Fans unter den aktuell gültigen Abstandsregeln in die Scharrena gelassen werden könnten. 300? 500? 700? Auch ein Umzug in die Porsche-Arena wäre theoretisch denkbar, käme aber wohl zu teuer. „Aktuell spielen wir alle Varianten durch“, erklärt Geschäftsführer Irion, „noch weiß keiner, wie es kommen wird. Klar ist nur, dass wir Events mit Zuschauern brauchen.“

Für das Konto. Aber auch für die Emotionen. „Ohne Publikum“, sagt Kim Renkema, „ist unser Sport für mich nicht vorstellbar.“