Von Freitag bis Sonntag treten die Stars im Sindelfinger Glaspalast gegeneinander an – vor der größten Kulisse außerhalb Großbritanniens. Ein weiterer Beleg dafür, dass Dart auch in Deutschland boomt.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Am 2. Januar des vergangenen Jahres ist dieser Sport geadelt worden. Im Londoner Alexandra Palace liefen gerade die Halbfinals der Dart-Weltmeisterschaft, als im Publikum ein Mann auftauchte, der sonst eher in einem anderen Palast zu Hause ist: Prinz Harry saß mit Freunden auf einer Holzbank und genoss ein Bier im „Ally Pally“. Wenn es überhaupt noch eines Belegs bedurft hätte, wie groß mittlerweile das Ansehen dieser Sportart ist – hier war er.

 

Arbeitersport meets Royals. „Er hat mich umarmt, das erwartet man nicht, wenn man aus Stoke kommt“, sagte der spätere Weltmeister Adrian Lewis. Auf der Insel ist Dart längst eine große Nummer, aber dieser Besuch zeigte auch den gestiegenen Respekt. Ein Sport wird Mainstream, raus aus der Nische. „Dart ist der neue Rock ’n’ Roll“, hat die kürzlich verstorbene Kommentatorenlegende Sid Waddel Anfang des Jahres gesagt.

Und dieser neue Rock ’n’ Roll ist in der Stadt, genauer: in Sindelfingen. Heute, morgen, übermorgen. Erstmals präsentieren sich die besten Dartspieler der Welt in der Region, bei den German Darts Masters, die im Glaspalast ausgetragen werden. Die Branchengrößen machen mit ihrer hedonistischen Spaßveranstaltung, die anspruchsvollen Sport und bierseligen Frohsinn bietet (und in Großbritannien große Hallen füllt), Station vor den Toren Stuttgarts. Die Veranstaltung in Sindelfingen ist Teil der European Tour mit sieben Turnieren, unter anderem im spanischen Benidorm, in Wien, Berlin und eben Sindelfingen.

Dahinter steckt ein Masterplan, dessen Ziele kurz zusammengefasst so lauten: Dart will die Welt erobern. Die Erde soll eine Scheibe werden. Seit einigen Jahren versucht der Verband PDC neue Märkte für den Sport zu erschließen, weshalb 2006 die so genannte PDC Europe gegründet wurde – als Ableger auf dem Kontinent, der hier den Markt bearbeiten soll. Mit großem Erfolg. In den Niederlanden und auch in Deutschland boomt Dart, Asien soll dann als nächstes erobert werden. Eine Kneipe wird global.

Ein Boomsport. Das klingt für manchen Sportpuristen fürchterlich. Dart? Sport? Boom? Was ist denn mit Rudern, oder mit Bahnradsport, oder mit Schwimmen? Es ist manchmal schwer zu verstehen: all die Sportarten, die vor wenigen Wochen in London noch Millionen von Menschen begeisterten, haben wieder jahrelang Sendepause. Dart war vor Olympia im Fernsehen, kurz während Olympia, und nun füllt der Sport eine nicht ganz so kleine Halle in Deutschland drei Tage lang. Dart, und das ist für das Wachstum entscheidend, ist eine der wenigen Sportarten, die im deutschen Fernsehen funktionieren. Es hat mit dem Sender Sport 1 eine Plattform mit riesiger Streuung – dort haben die Dart-Übertragungen in der Spitze bis zu eine Million Zuschauer. Werte, von denen fast alle anderen Sportarten träumen können. Dart ist kurz, simpel, stimmungsvoll – wie fürs TV entworfen. „Die Popularität steigt und steigt“, sagt Sebastian Mayer von der PDC Europe.

Sindelfingen ist ein neuer Meilenstein der fortschreitenden Globalisierung. Im Glaspalast wird eine Rekordkulisse die Spiele verfolgen. Bis zu 2300 Zuschauer werden pro Session erwartet. Es wird, so viel ist sicher, die größte Kulisse, die Dart jemals außerhalb Großbritanniens hatte. „Wir bieten Sport und Party“, sagt Mayer.

Die karnevalesk-ausgelassene Stimmung mit verkleideten Fans und Gesängen trifft offenbar den Zeitgeist, gepaart mit dem leicht verständlichen wie auch faszinierenden Präzisionssport ergibt das eine Mischung, von der PR-Strategen nur träumen können. Sindelfingen wird sich aber nur kurz an seinem zu erwartenden Rekord erfreuen können. In zwei Wochen finden in Mülheim an der Ruhr die inoffiziellen PDC-Europameisterschaften statt – vor wohl bis zu 3000 Besuchern pro Session.