In London beginnt am Freitagabend die Darts-WM. Der Favorit? Wie immer der 16-fache Weltmeister Phil Taylor. Der 53-Jährige hat den Aufstieg des Darts vom Spartenprogramm zur großen Veranstaltung für den Mainstream geprägt.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Phil Taylor hat Angst. Und das ist auch gut so. Angst essen Seele auf? Angst machen Wurf gut! Zumindest sagt er das. Die Sorge ist sein Antrieb. Der Treibstoff seiner jahrzehntelangen Kampagne im Kampf um die Spitze der Dartswelt. „Die Angst zu versagen motiviert mich.“

 

Phil Taylor? Genau der: der König des Jahresendes. Es ist Dezember. Es ist wieder Dartszeit. Die Wochen der Pfeile stehen an. Im Londoner Alexandra Palace beginnt am Freitag die WM (bis 1. Januar). Es ist nicht so, dass die ganze Sportwelt gebannt auf den „Ally Pally“, wie der Austragungsort genannt wird, schaut. Und die Sportpuristen schlagen ohnehin Jahr für Jahr entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen, warum – um Himmels willen – ausgerechnet diese Kneipensportart stundenlang im Fernsehen auf Sport 1 zu sehen ist, während doch so viele klassische und schöne Sportarten Hausverbot im TV haben.

Aber es ist eben, wie es ist. Eine steigende Zahl an Zuschauern in Deutschland und weltweit erfreut sich an den Darbietungen, Selbst die britischen Royals schauen regelmäßig bei der WM dieses traditionellen britischen Arbeitersports vorbei. Die karnevaleske Atmosphäre, die die Sender ins Wohnzimmer liefern, die unterhaltsamen Wettkämpfe und vor allem die Überfigur Phil Taylor ziehen Aufmerksamkeit an.

Phil Taylor ist dominanter als Michael Schumacher

Dominanter als Michael Schumacher

Michael Schumacher hat die Formel 1 ins Koma gesiegt? Und Sebastian Vettel macht es ihm aktuell nach? Im Vergleich zu der Dominanz des Mannes aus Stoke-on-Trent ist die Formel 1 an der Spitze prickelnd.

Taylor ist 16-facher Weltmeister. Allein von 1995 bis 2006 gewann er elf von zwölf Titeln. Aber die Wahrnehmung ist eine andere als bei Schumacher und Co. Es mag Leute geben, die gelangweilt sind von dem Mozart der Pfeile, aber die Mehrheit ist es nicht. Taylor hat den Sport mit seinen Erfolgen nicht sediert, sondern belebt. Als Figur ist er größer als der Sport und ein unersetzlicher Werbeträger. „Phil ist für uns das, was Tiger Woods für Golf ist“, sagt Barry Hearn, der mächtige Promoter des Dartsverbandes PDC. Auf der Insel findet Taylor längst Respekt und die Anerkennung über die Grenzen des Dartsbiotops, bei Sportlerwahlen landet er bisweilen weit vorne. Phil Taylor hat die Nische verlassen, selbst bei uns ist er Sportfans ein Begriff.

Taylor sieht aus wie ein Grobmotoriker. Untersetzt und unsportlich. Mit seinen Tätowierungen und dem Bauch erfüllt er alle Klischees, die es über Dartsspieler gibt. Doch hinter diesen Oberflächlichkeiten verbirgt sich ein Feinmotoriker: Ausgestattet mit einer brillanten Psyche und einzigartiger Auge-Hand-Koordination jagt der Multimillionär mit chirurgischer Präzision seine 26 Gramm schweren Pfeile in die Felder. Dahinter steckt Talent und tägliches, mehrstündiges Training. Taylor, der den ebenfalls aus Stoke stammenden Popstar Robbie Williams zu seinen Kumpels zählt, hat zudem eine Ernährungsberaterin und meidet Alkohol. So hat er hat Darts verändert und auf ein neues Level geführt.

Die Metamorphose des Darts

Phil Taylor ist mittlerweile 53 Jahre alt. Sein Haar ist ergraut und licht geworden. Einige von denen, die ihn stürzen wollen, könnten seine Kinder sein, Adrian Lewis etwa (28) oder Michael van Gerwen (24). Er wirkt inmitten der Jungen wie ein Mann aus einer anderen Zeit. Und der ist er letztlich auch. Er hat die Metamorphose des Darts miterlebt – den Aufstieg vom belächelten Spartenprogramm zu einer Mainstreamveranstaltung in Hallen vor bis zu 16 000 Fans. Er ist älter geworden. Aber nicht schlechter. Er hat die Zeit überdauert. Und ist mit dem Sport mitgewachsen.

Die Abgesänge kamen zu früh

Nach einer schwächeren WM-Phase 2011 und 2012 hatten manche das Requiem auf ihn angestimmt. Die Zeichen standen auf Revolution im Empire der Pfeile des Phil Taylor. Doch er kam zurück. Bei der zurückliegenden WM war er nicht der Favorit, der Niederländer van Gerwen brillierte vor und während der WM. Es schien, als sei dieser Bursche nicht zu schlagen, auch nicht von einem Phil Taylor. Doch Phil Taylor gewann. Er holte sich seinen 16. WM-Titel und spielt seit jenem Sieg im Januar 2013 wieder in einer eigenen Liga.

In der „Order of Merit“, der Geldrangliste des Verbandes PDC, führt er haushoch mit 748 350 Pfund vor van Gerwen (540 650) und Lewis (437 400). Sechs große Turniere hat er 2013 gewonnen, zuletzt allerdings im Finale der Players Championship gegen seinen größten Konkurrenten, Michael van Gerwen, verloren. Angst aber hat Phil Douglas Taylor vor allem vor der ersten Runde, in der seine Nervosität am größten sei: „Wenn du da den ersten Satz verlierst, machst du dir in die Hosen.“