Das Auktionshaus Nagel an der Neckarstraße ist ein weltweit bekannter Asien-Spezialist. Zur Auktion Anfang Mai werden wieder asiatische Kunstkenner in Scharen erwartet.

S-Ost - In Mannheim fing einst alles an. Das war 1922. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es in der Stuttgarter Liederhalle weiter, bevor das Kunstauktionshaus Nagel in der Breitscheidstraße eine eigene Heimat fand. Mehrere Umzüge folgten. Wo immer das Haus war, es wuchs bald über sich hinaus – bis sich Nagel 2003 am Stöckach niederließ. Nächste Woche werden in der Neckarstraße Sammlerteppiche versteigert, Anfang Mai reisen zahlreiche kunstbeflissene Asiaten für eine dreitägige Auktion an.

 

Auch große Dinge fangen in der Regel klein an. Nagels größtes Ding ist seine Asiensparte, von der einst, Anfang der 90er Jahre, bei der ersten Auktion niemand annahm, dass sie einmal solche Ausmaße annehmen sollte. China ist die neue Weltwirtschaftsmacht und das hat Auswirkungen auf den Markt für asiatische Kunst – für Nagel äußerst erfreuliche Auswirkungen. Viele Wertstücke, die einst im Rahmen des Kulturaustausches den Weg gen Westen fanden, wandern nun zurück in ihre Heimat. „Der Asiaboom hat sich nach der Jahrtausendwende mehr und mehr entwickelt. In den vergangenen Jahren ist er regelrecht explodiert“, sagt der Nagel-Sprecher Rainer Kämmerer.

3,7 Millionen Euro für eine kleine Weinkanne

Allein eine Auktion im Mai vergangenen Jahres erbrachte einen Umsatz von 23,5 Millionen Euro. Pro Jahr setzt Nagel rund 50 Millionen Euro um und ist damit hinter dem Kunsthaus Lempertz in Köln die Nummer zwei unter den Auktionshäusern in Deutschland. Für eine 13 Zentimeter kleine Doucai-Weinkanne legte ein chinesischer Sammler vergangenen Mai 3,7 Millionen Euro hin, der Vorbesitzer hatte das Stück knapp 30 Jahre zuvor für umgerechnet 45 000 Mark bei Sotheby’s in London ersteigert. Einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde hat Nagel der asiatischen Kunst ebenfalls zu verdanken. Im November 2000 versteigerte das Haus 350 000 Porzellanstücke der 1822 gesunkenen Dschunke Tek Sing. Die Rund-um-die-Uhr-Auktion in einem eigens aufgestellten Zelt dauerte acht Tage.

Damals hatte Nagel seinen Sitz noch in der Adlerstraße im Süden. Drei Jahre später erfolgte der Umzug in das 1906 von den Architekten Schmohl und Stählin errichtete Gebäude in der Neckarstraße. 35 Mitarbeiter sind hier auf 5000 Quadratmetern tätig, verteilt auf fünf Stockwerke, in denen praktisch permanent etwas in Bewegung ist. Wer durch die Hallen marschiert, sollte besser nicht tollpatschig sein oder wenigstens eine leidensfähige Haftpflichtversicherung haben, bewegt er sich doch zwischen Kunstwerken mit gewaltigen Euro-Schätzwerten.

Mindestens zwölf Auktionen pro Jahr

Da Nagel sich rühmt, gleichermaßen Spezialist und Generalist zu sein, lagern dort nicht nur Stücke asiatischer Kunst, sondern beispielsweise auch Gemälde, Skulpturen, Möbel oder Teppiche. Pro Jahr gibt es mindestens zwölf Auktionen mit wiederkehrendem Schwerpunkt, die nächste findet am kommenden Dienstag statt. Dann fällt der Hammer für 160 Stücke aus dem Bereich Ethnologica, darunter antike Gläser und persische Gefäßkeramiken, sowie 211 Teppiche – ein Segment, das die der asiatischen Kunst entgegengesetzte Entwicklung nahm. Gründe: eine Überschwemmung des Marktes und das US-Embargo für Waren aus dem Iran, das amerikanische Käufer von Perserteppichen praktisch ausschließt.

Es ist also nicht verwunderlich, dass der Mai bereits seinen Schatten voraus wirft. 95 Prozent der Kunden bei der Auktion für asiatische Kunst sind tatsächlich Asiaten, ein großer Teil auf Shoppingtour durch Europa. Das Haus in der Neckarstraße erwacht dann zu besonderem Leben. „Es wird ein Gedränge und ein Stimmengewirr geben, bei dem Sie Ihr eigenes Wort nicht mehr verstehen“, sagt der Sprecher Rainer Kämmerer.