Das könnte ein langer Streit werden: Die Bundeshauptstadt will die Strom-, Gas- und Wasserversorgung wieder selbst in die Hand nehemen. Die private Konkurrenz setzt sich dagegen zur Wehr.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Es könnte ein langer Streit werden. Anfang Juni entschied Berlins parteiloser Finanzsenator Ulrich Nußbaum, das Gasnetz der Hauptstadt – eines der größten in Europa – ab 2015 für zehn Jahre an das neue landeseigene Unternehmen Berlin Energie zu vergeben. Seither schlagen die Wogen hoch. Der unterlegene bisherige Betreiber, die in den 90er Jahren privatisierte Gasag, klagt vor dem Landgericht.  Zudem beschwerte sich das ehemalige Stadtwerk auch gleich noch beim Bundeskartellamt, das daraufhin ein Prüfverfahren eingeleitet hat.

 

Der Fall ist exemplarisch. Die Gasag gehört heute den Energieriesen Vattenfall, Eon Ruhrgas und Gaz de France und betreibt seit mehr als 160 Jahren das lukrative Gasgeschäft an der Spree. Nach dem Fall der Mauer entschloss sich die damalige Berliner CDU/SPD-Koalition angesichts großer Finanznot, viele Landesbetriebe zu versilbern. Die Gasag wechselte für 1,4 Milliarden Euro in private Hände, der Stromversorger Bewag ging für 1,7 Milliarden Euro an den schwedischen Staatskonzern Vattenfall und die Wasserbetriebe wurden für dieselbe Summe an RWE und die französische Veolia teilprivatisiert.

2006 leitete Klaus Wowereit den Kurswechsel ein

Doch die Versprechen, dass private Investoren alles besser und günstiger machen als die öffentliche Hand, erfüllten sich nicht. Die halbstaatliche Bankgesellschaft Berlin, unter deren Dach mehrere Kreditinstitute mit Landesbank und Sparkasse vereinigt wurden, endete ebenso in einem teuren Desaster wie die versuchte komplette Privatisierung der Flughäfen. Die privaten Strom-, Gas- und Wasserversorger wiederum zogen vor allem durch steigende Preise und hohe Gewinne den Zorn der Bürger auf sich.

In Berlin startete die rot-rote Koalition unter Senatschef Klaus Wowereit (SPD) ab 2006 den Kurswechsel zurück zu öffentlichen Unternehmen. Wichtige Bereiche der Daseinsvorsorge sollten wieder zentrale Aufgabe der Stadt sein. Die zuvor angedachte Privatisierung weiterer Wohnungsunternehmen,  von Krankenhäusern, der Stadtreinigung oder der Messe war kein Thema mehr. Stattdessen fasste der Senat den Rückkauf der Versorger ins Auge. Allerdings nicht freiwillig. Denn die Parteibasis von SPD und Linken machte ebenso Druck wie Bürgerinitiativen. Per Volksentscheid setzten Kritiker 2011 sogar die späte Offenlegung der geheimen Verkaufsverträge für die Wasserbetriebe durch. RWE und Veolia, die viele Jahre lang garantierte Renditen kassiert hatten, gaben nach langem Widerstand ihre Anteile für zusammen knapp 1,3 Milliarden Euro zurück. Den Kaufpreis will der Senat in den nächsten drei Jahrzehnten aus den bisherigen Gewinnanteilen der Privaten finanzieren.

Eine Unterlassungserklärung für den Senatskollegen

Beim Gasnetz gibt es nun die nächste Auseinandersetzung. Die Konzession für die Privaten lief bereits Ende 2013 aus. Die Koalition aus SPD und CDU ist sich aber uneins, wie es weitergehen soll. Berlin Energie durfte sich zwar um das Netz bewerben. Doch seit das neue landeseigene Unternehmen von Finanzsenator Nußbaum den Zuschlag bekommen hat, sparen vor allem Wirtschaftsenatorin Cornelia Yzer und Justizsenator Thomas Heilmann (beide CDU) nicht mit Kritik an dieser Entscheidung.  Heilmann schickte seinem Senatskollegen sogar eine Unterlassungserklärung, weil Nußbaum dem Christdemokraten eine zu große Nähe zur Gasag und Geschäftsbeziehungen zu einem Gasag-Eigner vorgehalten hatte.

Das Kartellamt will nun den Vergabeentscheid des Senats unter die Lupe nehmen und prüfen, ob gegen „kartellrechtliche Missbrauchsvorschriften“ verstoßen wurde, so Behördenchef Andreas Mundt. Dazu haben die Wettbewerbshüter unter anderem die Angebote der Bieter und die Details zur Bewertung und Auswahl angefordert. Falls der Zuschlag Bestand hat, wird die Stadt für den Rückkauf des Gasnetzes rund eine Milliarde Euro zahlen müssen, bekommt dafür aber die künftigen Gewinne wieder in die öffentlichen Kassen. Mittlerweile gibt es zudem Hinweise, dass der Senat den Rückkauf der Gasag prüft, falls die privaten Eigner nach dem Verlust der Netzkonzession die Lust verlieren.

Berlin Energie will auch das Stromnetz übernehmen

Auch das Berliner Stromnetz soll ab 2015 wieder in kommunale Hände übergehen. Hier bewirbt sich im vorgeschriebenen Ausschreibungsverfahren ebenfalls Berlin Energie und will die Leitungen vom bisherigen Betreiber Vattenfall übernehmen. Falls die landeseigene Gesellschaft den Zuschlag bekommt, würde das vermutlich eine weitere Milliarde Euro kosten.