Präsidentengattin für 598 Tage: Die Ex-First Lady Bettina Wulff rechnet ab – mit den Forderungen an ihre Rolle an der Seite ihres Mannes und anonymen Verleumdern.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Der Münchner Riva Verlag bietet alles andere als eine Plattform für politische Literatur. „Die fabelhafte Welt der Leichen“ und „Böser Engel“, so heißen die Bücher, die das Unternehmen bewirbt. Oder: „Nutella hat Lichtschutzfaktor 9,7“. Der ehemalige Schalke-Manager Rudi Assauer hat dort seine Alzheimer-Krankheit offenbart. Ein Hells-Angels-Rocker erzählt seine „wahre Geschichte“.

 

Mit einer anderen Art von Geschichte sorgt das Medienhaus für Furore. Sie steht in der Liste der „Top Titel“ schon ganz oben, obwohl sie offiziell noch gar nicht erschienen ist: Bettina Wulffs Fazit nach 598 Tagen als Präsidentengattin. Der Blick zurück erscheint nicht trotzig, aber durchaus selbstbewusst; ein Anflug von Melancholie umspielt die Augen: so präsentiert die ehemalige First Lady sich auf dem Buchumschlag. Das Foto könnte auch die Titelseite eines Modejournals schmücken. Eigentlich sollte Wulffs Werk erst im November auf den Markt kommen. Dann hieß es: irgendwann im September. Aufgrund eines Versehens kamen etliche Exemplare schon am Samstag in den Buchhandel, wurden aber wieder aus dem Verkehr gezogen. Offizieller Verkaufsstart ist jetzt der 12. September.

Noch nicht erschienen, aber schon „Top Titel“

Ausgerechnet die Zeitung mit den größten Buchstaben, welche die Affäre, die zu Wulffs Rücktritt führte, erst in Rollen brachte, zitiert bereits seitenweise aus den Memoiren seiner Frau. Sie nutzt die 224 Seiten zu einer Abrechnung: mit dem Politikbetrieb, den Anforderungen an die in der Verfassung nicht vorgesehene Frau an der Seite des Staatsoberhaupts, mit den Medien und den Urhebern zwielichtiger Gerüchte über ihr angebliches Vorleben.

„Haufenweise Überstunden“ an der Seite des Präsidenten

Bettina Wulff offenbart, dass sie ihrem Mann die Entscheidung, für das ranghöchste Amt der Republik zu kandidieren nicht leicht gemacht habe. „Mir lag es fern, nur die Frau von ... zu sein“, schreibt sie. „Ich werde dann unleidlich.“ Sie hätten lange abgewogen. „Am Ende des Redens aber“, so ein Zitat aus dem Buch, „schauten mein Mann und ich uns nur an und wussten beide: Sollten wir mit klarem Gewissen und gutem Glauben etwa sagen: Lass mal bleiben, machen wird nicht?“ Vom Leben als First Lady zeigt sich Bettina Wulff eher enttäuscht. Sie habe während dieser Zeit „ ein großes Stück Selbstbestimmung verloren“.

Sie fühlte sich vom Amt offenbar über Gebühr vereinnahmt: Die Präsidentengattin sei „wahrlich mehr als schmückendes Beiwerk“, sie habe einen Fulltime-Job zu erledigen, mit „haufenweise Überstunden“. Das gipfelt laut Buchzitaten in einem geradezu bitteren Räsonnement über die Rolle der Partner öffentlicher Würdenträger: Es sei „fast ein Hohn zu erwähnen, dass diese Arbeit wie selbstverständlich vom Bundespräsidialamt vorausgesetzt, aber nicht vergütet wird. Mit Zynismus könnte man anmerken, dass man als First Lady natürlich für das Land und die Ehre arbeitet. Aber das ist wohl so ähnlich wie die Luft und die Liebe, die dann auch nicht zum Leben ausreichen.“

Journalistenverband vermutet PR-Kampagne

Eine der 16 Kapitel widmet Bettina Wulff der schmutzigsten Facette dieser Politikerdramas. Es trägt die Überschrift „Das Gerücht“. Die üble Nachrede, gegen die sie jetzt mit allen juristischen Mitteln vorgeht, habe sie „entsetzlich und beschämend“ empfunden. Frau Wulff äußert sich dazu wenig präsidial: „Man kann gar nicht so viel essen, wie man kotzen möchte.“

Es bleibt die Frage, warum sie nun das heikle Thema selbst öffentlich zur Sprache bringt. Bisher war es bei Andeutungen geblieben. Und warum gerade jetzt? Michael Konken, der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, mutmaßt: „Der zeitgleiche Verkaufsstart ihres Buches nährt den Verdacht einer PR-Kampagne mit dem Ziel, Aufmerksamkeit zu erwecken.“ Es gibt in dem Buch einige Ansatzpunkte, die darauf hindeuten, dass pekuniäre Aspekte für Frau Wulff nicht völlig nebensächlich zu sein scheinen. Allerdings gehört es zum Wesen von Gerüchten, dass sie auch durch Dementis nicht aus der Welt zu schaffen sind. Bettina Wulffs Buch ist aber mehr als ein Dementi. Es ist der Versuch einer Selbstbehauptung.