Klingt zunächst mal alles nach dem großen Traum vom Rock’n’Roll, bringt Heisskalt nach drei Alben aber zum Implodieren. „Es kam einfach zu viel zusammen“, erinnert sich Frontmann Mathias Bloech im ersten Interview seit dem Comeback. „Wir hatten Zwist in der Band, uns ging es nicht gut, wir waren pleite.“ Nach der Zeit bei Chimperator versuchen es Heisskalt ohne Label, machen alles selbst. „Das hat immens viel Kraft und Geld gekostet. Unbewusst haben wir eine Antihaltung gegenüber diesem ganzen Popbusiness eingenommen. Das wurde uns aber erst viel später klar.“
Die Band zieht die Notbremse, verteilt sich auf verschiedene Städte. Von der Musik können Bloech, Schlagzeuger Marius Bornmann und Gitarrist Philipp Koch zwar nicht lassen; nur von Heisskalt wollen sie bis auf Weiteres nichts wissen. „Wir mussten das alles erst mal verarbeiten“, so Bloech. Die Reflexion führt dazu, dass man wieder zu sich selbst, aber auch zueinander findet. „Am Ende hatten wir alle unser Selbstgefühl verloren. Was bin ich und was ist dieses Projekt? Zumindest bei mir ist eine sehr hohe Identifikation mit meiner Rolle als Sänger entstanden.“ Er schweigt kurz. „Die hat mir überhaupt nicht gut getan.“
Es dauert, bis Heisskalt wieder reaktiviert werden. Doch für Mathias Bloech gibt es letztlich eh keine Alternative. „Ich kann doch nichts anderes“, lacht er. Schon vor drei Jahren finden er und Marius Bornmann wieder zusammen, schreiben klammheimlich Songs für ein etwaiges Comeback. „Wir haben langsam angefangen, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen. Der Tourbus war ja damals einfach so in den Graben gerollt, die Türen offen, alles lag noch drin, aber niemand war mehr da.“ Die Annäherung mit Philipp Koch folgt, Anfang 2024 ist die Urbesetzung wieder komplett.
Brandneues Album
Spätestens da ist klar: Heisskalt kommen wieder. Erst mit Festivalshows – und Anfang 2025 mit einem brandneuen Album. Eine sengende erste Single gibt es ab sofort, eine zweite folgt im Oktober. „Als wir die ersten Shows gebucht hatten, hingen die wie ein Damoklesschwert über uns“, blickt der Sänger zurück. „Denn das hieß ja: Wir mussten wieder raus da. Wie früher. Vor Leute. Wir hatten dieses Comeback ja drei Jahre vorbereitet, und alles steuerte auf diesen Punkt zu. Auf der Bühne dann einfach loszulassen und zu spielen – erst da habe ich gemerkt, dass wir wieder eine Band sind.“
Die Jahre sind nicht spurlos an Heisskalt vorübergegangen. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Kommunikationspolitik innerhalb der Band. „Wir artikulieren Dinge eher. Früher haben wir alles heruntergeschluckt und durchgezogen. Das sehen wir nicht mehr ein. Und das tut uns gut. Dadurch ist viel mehr Wertschätzung im Raum.“ Auch in Sachen Business haben sie sich neu aufgestellt. „Heute haben wir eine gute Balance gefunden“, sagt Bloech. „Wir haben ein Label und eine Booking-Agentur, machen aber auch viel selbst. Zum Beispiel ist Marius auch unser Manager. Früher habe man entweder zu viel Verantwortung abgegeben oder zu viel von dem gemacht, was sie gar nicht machen wollten. „Und dann bist du auf der Bühne genervt, weil du noch 50 T-Shirts versenden musst“, lacht der Frontmann.
Reifer geworden
Von all dem, der Reife, der neu entdeckten Sanftheit, der Unaufgeregtheit, profitiert das Comeback-Album „Vom Tun und Lassen“ gewaltig. Es ist nicht nur ihr bestes Album, sondern auch ihr facettenreichstes. Mit seinem Titel knüpft die Platte bewusst an die ersten Werke „Vom Stehen und Fallen“ und „Vom Wissen und Wollen“ an. „Musikalisch wollten wir mit dem Titel ebenfalls eine Verbindung herstellen – aber eher so: Schaut mal, wir machen das jetzt noch mal, aber diesmal so richtig geil“, schmunzelt Mathias Bloech.
Kurz kann man das Comeback so umschreiben: Die ruhigen Parts klingen noch ruhiger und sanfter; die lauten noch brachialer. „Das war das Ziel“, sagt der Sänger. „Ich wollte Heisskalt in die Extreme treiben. Im Kampfsport funktioniert die Kraftübertragung besser, wenn der Arm locker und nicht angespannt ist. Das haben wir auf die Musik übertragen. Früher waren unsere Platten voller Schmerz und Leid. Das war wichtig, sie waren ein Ausdruck dieser Zeit. Heute will ich eher darüber schreiben, wie schön und schrecklich, wie krass dieses Leben einfach ist. Überwältigend, sanft, wild, leise, laut, schmerzhaft, wunderschön.“
Nicht mehr dieselben
Heisskalt sind nicht mehr dieselben, die sie vor zehn Jahren waren, als sie gemeinsam in Stuttgarter WGs wohnten und durch die Kneipen und Bars zogen. Und genau das ist essenziell für den Fortbestand. „Ich habe große Lust, das noch eine ganze Weile zu machen“, sagt Mathias Bloech – und man glaubt es ihm sofort. „Wir haben uns sehr bewusst dafür entschieden, keinerlei Erwartungen an unser Comeback zu haben.“ Dann grinst er und fügt an: „Aber wer es genau wissen will: Wir werden auf jeden Fall die heftigste Band Deutschlands.“
Heisskalt in Kürze
Durchbruch
2012 gewinnen Heisskalt den Nachwuchswettbewerb Play Live. Noch im selben Jahr dürfen sie deswegen beim Southside Festival auftreten, was gleich mal zu einer Dokumentation der ARD führt.
Album
„Vom Tun und Lassen“ ist die erste neue Heisskalt-Platte seit „Idylle“ von 2018. Sie erscheint Anfang 2025. Das Foto für das Cover stammt von der Stuttgarter Fotografin Venera Red.
Tournee
Wo ein neues Album, da auch eine neue Tour: Am 18. November 2024 startet die Konzertreise, die Heisskalt in 13 Städte führen wird – darunter auch nach Sindelfingen und Stuttgart. Genaue Daten für das Doppelheimspiel gibt es noch nicht.