Das Amtsgebäude in Dagersheim müsste renoviert werden. Außerdem steht es zur Hälfte leer. Jetzt wird über einen Abriss und einen Neubau diskutiert.

Böblingen - Die Stadt Böblingen blickt auf einen riesigen Sanierungsstau. Zahlreiche städtische Gebäude sind renovierungsbedürftig. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Herbert Protze sprach jüngst von einem „Schreckgespenst“, das der Oberbürgermeister Wolfgang Lützner an die

 

Wand gemalt habe. Demnach sollen die Stadtplaner Sanierungskosten in Höhe von mehr als 200 Millionen Euro ermittelt haben, die langfristig anfallen, wenn sämtliche Gebäude erhalten und auf den neuesten Stand der Energietechnik gebracht werden sollen. Einer der dringenden Fälle ist das Bezirksamt in Dagersheim. Jedoch arbeiten nur noch insgesamt sechs Bedienstete in dem Bau aus dem Jahr 1965, weil Verwaltungsaufgaben nach der Eingemeindung in das Böblinger Rathaus verlagert wurden.

OB Lützner will mit Bürgern nach einer Lösung suchen

Das Bezirksamt mit einer Gesamtfläche von rund tausend Quadratmetern steht gegenwärtig etwa zur Hälfte leer. Eine zentrale Rolle spielt das Bürgerbüro, das für die rund 6000 Dagersheimer zweimal pro Woche auch nachmittags öffnet. Zudem kümmert sich die Ortsvorsteherin Susanne Weiß um standesamtliche Belange, um Rentenfragen und die Hallenbelegung. Ansonsten ist in dem weitläufigen Gebäude nur noch eine Amtsbotin im Einsatz.

Laut der Stadt steht es nicht infrage, dass ein Verwaltungssitz mit dem Bürgerbüro im Ortsteil Dagersheim erhalten bleibt. In einer Bürgerversammlung Ende April sprach der OB Lützner jedoch von einem „Prozess des Nachdenkens“, der nun eingeleitet werden solle. Es gebe keinerlei Festlegungen, wie man mit dem sanierungsbedürftigen und zu groß gewordenen Gebäude in Zukunft verfahren wolle. Selbstverständlich sei die Meinung des zehnköpfigen Ortschaftsrates zu hören. Und auch die Dagersheimer Bevölkerung solle in den Entscheidungsprozess einbezogen werden, verspricht Lützner.

„Ich habe früher im Winter in meinem Büro stets kalte Füße gehabt“, erzählt der SPD-Stadtrat Gerhard Münsinger aus Dagersheim. Der heutige Rentner hat einst als Gemeindepfleger in dem Gebäude gearbeitet. Die Schwippe unter dem Gebäude verursache stets Kälte, die Heizkosten seien im Winter besonders hoch. Das Rathaus war für rund 350 000 Euro Mitte der 1960er Jahre ohne jegliche Wärmedämmung errichtet worden.

Einen Abriss des ehemaligen „Architekturwunders“ kann sich Münsinger nicht vorstellen. „Früher sind Abordnungen aus anderen Gemeinden, die einen Rathausbau geplant hatten, zu uns gekommen, um unser Bezirksamt zu besichtigen“, sagt Münsinger. Vielleicht könne das Gebäude auch anderweitig genutzt werden und für das Bezirksamt ein neuer Standort gefunden werden, meint er. Womöglich komme aber auch ein kleiner Neubau infrage. Eine konkrete Idee, wer nach einer Sanierung in die Räume einziehen könnte, hat Münsinger jedoch nicht.

Momentan sind laut dem Böblinger Pressesprecher Wolfgang Pfeiffer tatsächlich noch alle Optionen offen – bis auf eine: „Ein Wunschkonzert mit Forderungen nach zusätzlichen öffentlichen Einrichtungen in dem Gebäude darf es nicht geben“. Falls man sich für eine Sanierung entscheide, könne keine weitere städtische Einrichtung in das Bezirksamt einziehen. „Dann würden die Kosten an der Stadt hängen bleiben“, sagt Pfeiffer. Vielmehr müsste für die freien Räume ein anderer Nutzer gefunden werden. Auch über eine Veräußerung des Gebäudes werde nachgedacht. In diesem Falle könne für das Bezirksamt an anderer Stelle ein Neubau errichtet werden. Eine Kostenberechnung ist von den Stadtplanern bisher weder für die eine noch für die andere Lösung vorgenommen worden.

Dass bei einer möglichen Entscheidung, das Bezirksamt abzureißen, vor allem bei den älteren Dagersheimern auch einige Emotionen im Spiel sind, ist laut Pfeiffer klar: „Es ist das Symbol einer ehemals eigenständigen Gemeinde.“