Der Stürmer Marco Grüttner hat im Sommer von den Stuttgarter Kickers zum VfB II gewechselt. Am Sonntag trifft er im Drittliga-Derby auf seinen alten Verein und sagt: „Wenn ich ein Tor schieße, werde ich auch jubeln.“

Stuttgart - Diese Woche hat Marco Grüttner wieder einmal gemerkt, dass beim VfB alles zwei, drei Nummern größer ist als bei den Stuttgarter Kickers – auch in der zweiten Mannschaft. Im Training spielten eine Reihe von Bundesligaprofis mit, für die sich im Kader des Europa-League-Spiels in Rijeka kein Platz fand. Ihr Engagement war zwar durchaus unterschiedlich und bei Sercan Sararer beispielsweise nicht halb so groß wie bei William Kvist. Trotzdem (oder gerade deshalb) sah sich Grüttner einmal mehr darin bestätigt, „dass ich mich hier bestens weiterentwickeln kann“.

 

Marco Grüttner hat zu Beginn dieser Saison innerhalb der dritten Fußballliga von Degerloch nach Bad Cannstatt gewechselt. Am Sonntag (15 Uhr/Gazi-Stadion) wird er sein erstes Stadtderby im VfB-Trikot erleben und freut sich auf das Wiedersehen mit den Kickers, für die er im Vorjahr 18 Tore erzielt hat. Gerade noch rechtzeitig gelang Grüttner am vergangenen Wochenende beim 2:0-Sieg gegen den 1. FC Saarbrücken sein Premierentreffer für den VfB, der ihm den größten Druck vorerst genommen hat. „Das war für ihn ganz wichtig. Er ist jetzt bei uns angekommen“, sagt sein Trainer Jürgen Kramny.

Das Toreschießen ist im Nachwuchsteam des Stuttgarter Bundesligisten allerdings nicht die einzige Aufgabe des in Ludwigsburg geborenen und in Remseck lebenden Stürmers. Neben dem Innenverteidiger Daniel Vier (31) und dem Mittelfeldspieler Tobias Rathgeb (31) ist der 27-Jährige einer von drei Routiniers in der Mannschaft. Sie sind gesetzt, sie bilden die Mittelachse, die den vielen hoch veranlagten, aber auch unerfahrenen Nachwuchsspielern Halt geben soll. „Ich bin dafür zuständig, die Jungs an den Profifußball heranzuführen und ihnen weiterzuhelfen, wenn es nötig ist“, sagt Grüttner.

Fußball geht nicht immer aufwärts, weiß Grüttner

Er kann den Jungstars in spe zwar nicht davon berichten, wie es sich anfühlt, in der Bundesliga zu spielen – höher als in der dritten Liga hat er nie gespielt. Dafür weiß Grüttner aus eigener Erfahrung sehr genau, dass es im Fußball nicht immer nur aufwärts geht. Beim SGV Freiberg, mit dem er es in der Jugend bis ins Finale des DFB-Pokals schaffte, warf ihn ein Schienbeinbruch aus der Bahn. Beim VfR Aalen zog er sich bei einem Zusammenprall im Training einen Schädelbruch zu und musste erneut monatelang pausieren.

Nicht zuletzt aufgrund der Verletzungen entschied sich Grüttner frühzeitig dazu, nicht alles auf die Karte Fußball zu setzen. Er machte Abitur, ließ eine Ausbildung zum Industriekaufmann folgen und hat inzwischen auch ein Fernstudium zum Sportmanager abgeschlossen. Nebenher wurde er Torschützenkönig in der Verbandsliga (mit Schwieberdingen) und der Oberliga (mit Freiberg) – der überregionale Durchbruch aber gelang ihm erst in den zwei Jahren bei den Kickers. „Ich bin ein Spieler, der über den Tellerrand hinausblickt und weiß, dass eine Karriere auch sehr schnell beendet sein kann. Das sind Dinge, die ich weitergeben will. Man muss den Jungs die Augen öffnen“, sagt Grüttner.

Kramny: Grüttner hat klasse Mentalität

Genau aufgrund dieser Herangehensweise an seinen Beruf hat ihn der VfB verpflichtet, sein Vertrag läuft bis 2016. „Er ist nicht nur ein sehr guter Stürmer – er hat auch eine klasse Mentalität und passt deshalb wunderbar bei uns rein“, sagt Jürgen Kramny.

Von seinem Potenzial her, der Kopfballstärke und dem Durchsetzungsvermögen hätte Grüttner womöglich schon vor sechs oder acht Jahren beim VfB II spielen können. Nun wird er bald 28 – hadert aber nicht mit der Vergangenheit. „Ich trauere den Chancen nicht nach, ich bin stolz darauf, wie mein Weg verlaufen ist“, sagt er. „Vor ein paar Jahren hätte ich es mir nie erträumen lassen, irgendwann beim VfB zu sein.“ Noch möglichst lange will er Fußball spielen und sich nebenher ein Netzwerk für die Zeit nach der aktiven Karriere aufbauen – auch deshalb hat er sich dem VfB angeschlossen. Sein großer Wunsch ist, auch im späteren Berufsleben im Fußball zu arbeiten.

Zunächst aber steht das Derby gegen die Kickers an. Ob er jubeln wird, wenn er gegen die ehemaligen Kollegen ein Tor schießt? „Warum denn nicht“, fragt er, „ich bin jetzt schließlich VfB-Stürmer.“