Sechs Monate lang haben einige Redakteure ein Stückchen Acker in Stuttgart-Möhringen angemietet und dort eigenes Gemüse angebaut. Von den Erfahrungen haben wir regelmäßig berichtet. Nun schaut das Team auf die Zeit zurück. Was hat Spaß gemacht, was hat Überwindung gekostet?

Möhringen - Ja, das Team des Schreiber-Gartens weiß, wie man Schrebergarten korrekt schreibt. Aber das „i“, das sich in den Schreiber-Garten geschlichen hat, war gewollt. Das Kunstwort bringt auf den Punkt, was einige Redakteure unserer Zeitung ein halbes Jahr lang gemacht haben: im Garten gewerkelt und darüber geschrieben. Nun zieht das Team Bilanz.

 

Im Acker buddeln erdet

Die Ackerarbeit hat mich geerdet. Mit meinen Gartenhandschuhen habe ich im Boden gewühlt, um zum Beispiel die Süßkartoffeln tief aus der Erde zu buddeln. Das war ganz schön schweißtreibend. Umso schöner war es, hinterher ein volles Körbchen mit den lila leuchtenden Feldfrüchten vor mir zu haben. Mein Setzling, meine Süßkartoffeln, meine Ernte! Die Feldarbeit war schmutzig und anstrengend, aber Gemüse hat nie leckerer geschmeckt. Die Mühsal der Landwirte, die tagein, tagaus auf dem Feld ackern und Hitze, Dürre oder Hagel ausgeliefert sind, habe ich ganz anders zu schätzen gelernt. Klar, die Bauern haben moderne Maschinen, die ihnen bei ihrer Arbeit helfen, aber dennoch bleibt es ein Heideng’schäft. Die Kehrseite der Medaille war, dass ich nicht nur Berge von Gemüse, sondern auch Erdklumpen und diverse Krabbeltiere in meine Küche geschleppt habe. Wer am Gemüsestand seine Wochenration kauft, ist es inzwischen gewöhnt, Obst und Gemüse gewaschen und blitzblank zu erhalten. Die Arbeit, die dahintersteckt, vergisst man dadurch leicht.

Schön war auch, mit meinem dreijährigen Sohn auf dem Feld zu buddeln. Er hatte viel weniger Berührungsängste mit dem Dreck als ich. Zuhause hat er das selbstgeerntete Gemüse eher probiert und lieber gegessen als gekauftes. Verwirrt hat mich seine Aussage, als er zuhause in eine Karotte vom Acker biss und rief: „Schmeckt wie eine echte!“ (Leonie Schüler)

Das Trauma des Käfermords

Immer noch schaue ich gleich genau hin, wenn ich aus dem Augenwinkel etwas Orangefarbenes auf einer Pflanze sitzen sehe. Eine anhaltende Reaktion auf das große Käfermorden im Sommer: Um unsere Kartoffelpflanzen zu retten, waren wir angehalten, gefühlte Millionen von Kartoffelkäfern, ihre Eiern und Larven zu töten. Ein anderes Mittel ist gegen die Schädlinge nicht geeignet. Ich glaube, ich kann für alle sprechen: Spaß hat das niemandem gemacht. Der Acker, auf dem wir gärtnern, ist ein bio-zertifizierter Acker, und das hat viele Vorteile: Wachstumsbeschleuniger sind nicht erlaubt, das Gemüse schmeckt intensiver deshalb. Chemische Schädlingsbekämpfungsmittel sind ebenfalls verboten – eigentlich gut, für uns aber in diesem Fall die Ansage zum Käfermorden. Deshalb habe ich für mich entschieden: Ja, das Gärtnern hat mir viel Spaß gemacht, und ja, ich überlege, ein Eckchen im heimischen Garten freizumachen für den eigenen Gemüseanbau. Kartoffeln werde ich aber sicher nicht pflanzen – zu traumatisierend war das Käfermorden für mich. Zumal ich vorhabe, weiterhin gemeinsam mit meiner kleinen Tochter zu gärtnern – und ihr nicht beibringen will, dass Krabbeltiere zum Zerquetschen da sind. (Rebecca Anna Fritzsche)

Der Stolz der Selbstversorger

„Pfanne“ ist das Gericht meines Sommers. Kartoffeln, Süßkartoffeln, Lauch, Schnittknoblauch, Zwiebel, Bohnen, Erbsen, Karotten, Brokkoli, Zucchini und Rote Bete landeten in unterschiedlichsten Kombinationen auf dem Herd. Einfach anbraten, ein bisschen Salz und Pfeffer, vielleicht einen Klecks Sahne oder Schmand – das Ergebnis schmeckte immer. Alles Gemüse war selbst geerntet auf unserem Redaktionsacker. Mit Schweiß auf der Stirn bei 37 Grad und brütender Sonne, mit Wasser in den Turnschuhen bei strömendem Regen. Die Küche wurde beim Gemüseputzen zum Saustall, auch das ein oder andere Krabbeltier musste ich einfangen und auf meinem Balkon aussetzen, doch die Mühe lohnte sich.

Zugegeben, das erfüllt mich noch heute mit Stolz. Ein bisschen fühle ich mich wie ein Selbstversorger. Und alles ist Bio – kein Dünger, keine Schädlingsbekämpfungsmittel. Das gute Gewissen wird perfekt ergänzt durch den tollen Geschmack unserer Feldfrüchte. Das hat mich zum Umdenken bewegt. Jetzt, da unser Acker leer ist und ich wieder im Laden einkaufen gehe, schaue ich viel mehr auf regionale und biologisch angebaute Lebensmittel. Während Eier aus Freilandhaltung schon länger den Weg in meinen Kühlschrank gefunden haben und meine Tomaten im Sommer ohnehin vom eigenen Balkon kommen, finden sich jetzt unter anderem auch Säfte von lokalen Anbietern im Einkaufskorb. (Sandra Hintermayr)

Fettnäpfchen und bessere Tage

Ich muss zugeben: Obwohl ich Gemüse sehr gerne mag und auch in einer ländlichen Umgebung groß geworden bin, hatte ich vor der Anmietung unseres Schreiber-Gartens keine Ahnung vom Gemüseanbau. Ich wusste nicht, wie riesig Zucchini werden können, wenn man sie ein paar Tage zu spät erntet. Ich wusste nicht, dass die Blätter von Süßkartoffeln ein Beet komplett zudecken können. Und um ganz ehrlich zu sein: Ich wusste auch nicht, wie Mangold und Grünkohl aussehen. Immer wieder musste ich in unserem Schreiber-Garten zu den kleinen Schildchen laufen, um nachzusehen, was dort eigentlich auf unserem Feld wächst.

Einmal bin ich voll in ein Fettnäpfchen getreten: Ich hatte „Acker-Dienst“ und erntete großzügig, unter anderem auch Mangold. Mich verwirrte dabei, dass manche Pflanzen rote Stiele hatten und andere grüne Stiele. Ich war überzeugt, dass das unmöglich dasselbe Gemüse sein könnte – und wusste, dass ganz in der Nähe von den Mangoldpflanzen auch Grünkohl wächst. Zurück in der Redaktion verkaufte ich meinen Kollegen den grünstieligen Mangold also selbstbewusst als Grünkohl. Heute, ein halbes Jahr später, kann ich darüber lachen. Das würde mir jetzt nicht mehr passieren. Ich habe im vergangenen halben Jahr enorm viel gelernt – und hatte richtig viel Spaß. Es war immer ein viel besserer Tag, wenn ich am Morgen schon auf dem Acker war. Das wird mir fehlen! (Julia Bosch)

Darf’s ein bisschen mehr sein?

„Mach ein bisschen weniger!“, habe ich meinem Mann oft gesagt, wenn es im Frühjahr daran ging, den Balkon und den Garten bei mir Zuhause neu zu bepflanzen. Seit Jahren wachsen dort Kräuter, Tomaten, Zucchini, Kürbis, Gurken und Bohnen – von Zeit zu Zeit auch mal Erdbeeren. Das alles habe ich bisher aber doch immer lieber meinem Mann überlassen. Er war der Gärtner und ich das Stadtkind, dem es vor der zusätzlichen Arbeit graute. Und Geld spart das eigene Gemüse auch nicht – ganz im Gegenteil. Darum habe ich auch gezögert, als es im März darum ging, wer aus unserer Redaktion im Schreiber-Garten mitackern möchte. Nach meiner Zusage und Verkündung zu Hause musterte mich mein Mann mit skeptischen Blick. Immerhin, meine Kinder waren begeistert. Jetzt habe ich ein halbes Jahr geackert, habe erfahren, wie viel Spaß so etwas machen kann. Vom Samenkorn bis zur fertigen Feldfrucht – nicht alles ist uns geglückt. Aber das, was gut ging, das will ich nun auch in unserem eigenen Garten mal ausprobieren. Mangold und Grünkohl sind ganz von allein gewachsen. Auch Karotten, Radieschen und Rote Bete haben gut funktioniert. Neulich stand ich mit meiner Familie im Garten vor unserem bereits wieder umgegrabenen kleinen Beet. Und ich habe zu meinem Mann gesagt: „Nächstes Jahr machen wir ein bisschen mehr.“ (Alexandra Kratz)