Schlampigkeit, Korruption, Unfähigkeit, Bequemlichkeit – das hat in Venezuela längst makroökonomische Dimensionen angenommen. Der Ölkonzern PdVSA wollte 2005 die Förderung bis 2012 verdoppeln, tatsächlich sank sie von 3,3 Millionen Barrel pro Tag auf 2,9 Millionen. „Wenn etwas schiefläuft, geht man achselzuckend darüber hinweg, es ist ja immer genug neues Geld da“, rügt ein junger PdVSA-Volkswirt, der in Konstanz und Berlin studiert hat.

 

Gute Vorsätze, miserable Verwirklichung: auch Chávez wollte zu Anfang die heimische Produktion stärken. Aber heute importiert Venezuela mehr als je zuvor. Agrarexperte Carlos Machado hat die Zahlen parat. Vor Chávez wurden jährlich für 1,8 Milliarden Dollar Lebensmittel eingeführt, bis 2008 stiegen die Einfuhren auf 7,4, dann sanken sie auf etwa sechs Milliarden.

Die Privatwirtschaft hat Chávez systematisch vergrault, seit er 2006 seinen Kurs radikalisierte. Er enteignete und verstaatlichte zahlreiche Firmen und drückte den anderen mit Bürokratieexzessen die Luft ab. Zwölf Prozent aller Firmen hätten 2012 zugemacht, sagt ein deutscher Unternehmer, der den Staat beliefert und lieber anonym bleiben will. Dafür erzählt er, wie teuer und schmiergeldanfällig das Geschäftemachen ist, wenn ein doppelter Wechselkurs, umständliche Reglementierungen und staatliche Willkür alles bestimmen.

Und das Soziale? Zweifellos hat Chávez die soziale Frage für immer auf die Tagesordnung gesetzt. Aber die Wohltaten, die die Regierung Chávez den Ärmeren erwies – die Vereinten Nationen beziffern sie auf 400 Milliarden Dollar in einem Jahrzehnt –, waren eben Wohltaten. Also nicht die Erfüllung eines Rechtsanspruchs, den bedürftige Bürger in einem Sozialstaat haben, sondern ein Geschenk des Comandante Hugo Chávez, für das Loyalität bei der nächsten Wahl erwartet wurde.

Der Wohnungsbau hinkt hinterher

„Das Wichtigste in den 14 Jahren unter Chávez ist der Aufstieg einer politischen Elite, die aus dem Militär kommt“, sagt der Soziologe Tulio Hernández. Das autoritäre militärische Prinzip von Befehl und Gehorsam, das dem sprunghaften Aktionismus des verstorbenen Comandante zugrunde lag, widerspricht dem Vorsatz, das Volk solle wenigstens auf unterster Ebene an der Macht teilhaben. Die Nachbarschaftsräte sind machtlos; das Sagen hat die Verwaltungsebene – und dort ist auch die Korruption beheimatet. Und natürlich in all den darüber liegenden Ebenen.

José Quintero gehört dem Bürgerverein Pro Cátia an, den es seit 30 Jahren gibt. „Ich würde Ihnen gerne mehr zeigen, was in den letzten 14 Jahren an Positivem geschehen ist“, sagt er bei einer Rundfahrt, „aber viel gibt es leider nicht.“ Uneingeschränkt positiv fällt sein Urteil nur über die neuen Metrobusse aus; Buslinien, die die U-Bahn-Linie im Tal in Richtung Berge anbinden.

Aufwendige Sozialwerke – von denen viele geschlossen sind

Und das soll schon alles gewesen sein, was der Chavismus für Cátia gebracht hat? Zu den viel gerühmten Errungenschaften der Ära Chávez gehören die „misiones“, aufwendige Sozialwerke, die Chávez parallel zur staatlichen Verwaltung schuf, was ihm reihenweise Wahlsiege sicherte. Die bekannteste Mission ist „Barrio Adentro“, die eine medizinische Grundversorgung in die Armenviertel brachte. Fast 7000 der charakteristisch achteckigen Module wurden dafür im ganzen Land aufgestellt. Aber dem venezolanischen Ärztebund zufolge – dem das System natürlich gar nicht passte, zumal die Ärzte Kubaner waren – sind heute 80 Prozent davon geschlossen. Auch in Cátia ist das so: Zehn von elf Achtecken sind zu, jedenfalls am Nachmittag.

„Nicht einmal die Müllabfuhr klappt, seit sie verstaatlicht ist“, schimpft José. Die Mülltüten liegen an Dutzenden von Sammelstellen mannshoch herum, keiner hat sie abgeholt. An einem Müllberg durchwühlen drei junge Männer den Abfall. Keine einzige der Tankstellen in der Gegend hat Sprit, obwohl Venezuela die größten Ölreserven der Welt hat. José fährt grimmig all die enteigneten und jetzt leer stehenden Fabriken ab sowie die angefangenen und vorzeitig beendeten Bauprojekte. Spielplätze, die nicht fertig sind, neue Sportanlagen, die mangels Wartung mittlerweile uralt aussehen, Gebäude, die planlos in die Landschaft gesetzt wurden. „Vor Chávez hat auch vieles nicht geklappt, aber die Leute konnten sich beschweren“, klagt er, „heute bist du schnell ein Oligarch oder ein CIA-Agent, wenn du meckerst.“

Viel Öl, aber auch viel Ungerechtigkeit

Schlampigkeit, Korruption, Unfähigkeit, Bequemlichkeit – das hat in Venezuela längst makroökonomische Dimensionen angenommen. Der Ölkonzern PdVSA wollte 2005 die Förderung bis 2012 verdoppeln, tatsächlich sank sie von 3,3 Millionen Barrel pro Tag auf 2,9 Millionen. „Wenn etwas schiefläuft, geht man achselzuckend darüber hinweg, es ist ja immer genug neues Geld da“, rügt ein junger PdVSA-Volkswirt, der in Konstanz und Berlin studiert hat.

Gute Vorsätze, miserable Verwirklichung: auch Chávez wollte zu Anfang die heimische Produktion stärken. Aber heute importiert Venezuela mehr als je zuvor. Agrarexperte Carlos Machado hat die Zahlen parat. Vor Chávez wurden jährlich für 1,8 Milliarden Dollar Lebensmittel eingeführt, bis 2008 stiegen die Einfuhren auf 7,4, dann sanken sie auf etwa sechs Milliarden.

Die Privatwirtschaft hat Chávez systematisch vergrault, seit er 2006 seinen Kurs radikalisierte. Er enteignete und verstaatlichte zahlreiche Firmen und drückte den anderen mit Bürokratieexzessen die Luft ab. Zwölf Prozent aller Firmen hätten 2012 zugemacht, sagt ein deutscher Unternehmer, der den Staat beliefert und lieber anonym bleiben will. Dafür erzählt er, wie teuer und schmiergeldanfällig das Geschäftemachen ist, wenn ein doppelter Wechselkurs, umständliche Reglementierungen und staatliche Willkür alles bestimmen.

Und das Soziale? Zweifellos hat Chávez die soziale Frage für immer auf die Tagesordnung gesetzt. Aber die Wohltaten, die die Regierung Chávez den Ärmeren erwies – die Vereinten Nationen beziffern sie auf 400 Milliarden Dollar in einem Jahrzehnt –, waren eben Wohltaten. Also nicht die Erfüllung eines Rechtsanspruchs, den bedürftige Bürger in einem Sozialstaat haben, sondern ein Geschenk des Comandante Hugo Chávez, für das Loyalität bei der nächsten Wahl erwartet wurde.

Der Wohnungsbau hinkt hinterher

„Von allen sozialen Vorhaben hinkt der Wohnungsbau am weitesten hinterher“, sagt Rafael Uzcátegui von der Menschenrechtsorganisation Provea. Denn die Regierung habe sich jahrelang nicht dafür interessiert. Vor der Wahl 2012 entdeckten die Chavisten das Thema, versprachen, bis 2019 zwei Millionen Wohnungen zu bauen, und gewannen. Ob sie das schaffen werden, ist äußerst fraglich. Wenn sie in dem bisherigen Schneckentempo weiterbauen, würde es bis zur Fertigstellung einige Jahrzehnte dauern.

„An deinen Händen erblüht der Regen des Lebens – wir lieben dich.“ So steht es tatsächlich auf den Plakaten. Das Symbolische war, bis ins Kitschige hinein, stets ein unverzichtbares Element des Chavismus. Es entsprach dem Hang zum Pathos, der zur Persönlichkeit des Comandante gehörte wie seine Neigung zum Volkstümlichen, zum Übertriebenen oder zum Vulgären.

Für seine Anhänger hat dieses Symbolische stets die irritierenden Realitäten Venezuelas überdeckt. Sogar die Vervierfachung der Mordrate seit 1998 oder die 16 000 Entführungen jährlich blenden die Chavistas aus. Sie finden solche Zahlen zwar furchtbar, aber sie geben nicht Chávez, sondern seinen insgesamt zwölf Sicherheitsministern die Schuld. Dass Chávez im Ausland teils als Diktator, teils als Witzfigur angesehen wurde, hat ihm nicht geschadet. Er wird als Held verehrt, er gilt seinen Anhängern als zweiter Befreier Lateinamerikas. Alles andere sind Machenschaften des „Imperiums“.

Bis ins Religiöse hinein wird nach seinem Tod das Bild von Chávez verschoben, seine Gegner finden das abscheulich. Aber für seine Anhänger ist die Anbetung des Verstorbenen nur logisch. Chávez hat zwar die politische Kultur des Landes mit Hass auf die Opposition durchtränkt, aber anderseits seinen Anhängern auch Liebe geschenkt. Und die haben versprochen, sie auf immer und ewig zu erwidern.