Das Europaparlament berät, welche Sonderrolle der Kultur im Freihandelsabkommen TTIP zukommen muss.

Brüssel - Chlorhähnchen, Genfood und private Schiedsgerichte führen die Rangliste der Befürchtungen an, wenn es um die Auswirkungen des geplanten Freihandelsabkommens mit den USA geht. Weniger prominent spiegeln sich in der großen Freihandelsdebatte die großen Sorgen des Kulturbetriebs. Die drehen sich etwa darum, dass die Buchpreisbindung bald der Geschichte angehören könnte. Oder dass die öffentliche Förderung von Volkshochschulen, Museen oder Büchereien als wettbewerbsverzerrende Staatsbeihilfe eingestuft werden könnte – allen gegenteiligen Beteuerungen von Bundesregierung oder EU-Kommission zum Trotz.

 

„Für den Kulturbereich wird es jetzt eng“, teilte Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, kürzlich im Hinblick darauf mit, dass die Verhandlungen bis Jahresende abgeschlossen werden sollen: „Noch ist vollkommen unklar, wie die von TTIP gefährdeten Bereiche effektiv geschützt werden können.“

Knackpunkt Unesco-Konvention

Diese Aufgabe gestellt hat sich das Europaparlament, wo derzeit für den Mai eine Resolution erarbeitet wird mit Bedingungen, deren Erfüllung die Abgeordneten am Ende zu einem Ja zu TTIP bewegen würden. In 14 Ausschüssen wird derzeit an Forderungen und Formulierungen gefeilt – der Ausschuss für Kultur und Bildung ist mit der Arbeit fast durch, am 16. April wird abgestimmt. „Wir wollen“, sagt die zuständige Berichterstatterin Helga Trüpel von den Grünen, „dass Dienstleistungen mit starkem kulturellen Bezug nicht zur Liberalisierung angeboten werden.“

Wie soll das geschehen? Parteiübergreifend unstrittig ist Trüpel zufolge etwa die Forderung, dass der endgültige Abkommenstext Bezug auf die Unesco-Konvention zur kulturellen Vielfalt nimmt. So hat es schon Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) im Namen der Bundesregierung verlangt, weil die Vereinigten Staaten diese internationale Übereinkunft nämlich nicht unterschrieben haben.

Nach Ansicht des Staatsrechtler Hans-Georg Dederer, der im Auftrag der Bundestags-Grünen ein Gutachten verfasst hat, ist ein Verweis darauf schon deswegen chancenlos. „Die USA werden einer ausdrücklichen Bezugnahme auf die Unesco-Konvention in der TTIP-Präambel nicht zustimmen.“ Dies dürfte demnach ein Knackpunkt werden.

Konkret fordert der Kulturausschuss des Parlaments zudem eine Klarstellung, dass die Buchpreisbindung nicht kippt, was der Onlineversandhändler Amazon über die US-Regierung in den Verhandlungen angeblich zu erreichen versucht. Dasselbe soll für die Förderung von Film, Funk und Fernsehen gelten. Die EU-Kommission solle in den Freihandelsgesprächen sicherstellen, heißt es im Entwurf der Ausschussstellungnahme, „dass keine Bestimmung des Abkommens auf Beihilfen oder staatliche Unterstützung in Bezug auf Dienstleistungen im Bereich Kultur, Bildung und audiovisuelle Medien Anwendung findet“.

Eigentlich müsste das auch so klar sein. Vor allem auf Druck Frankreichs zurrten die EU-Mitgliedstaaten schon vor den Gesprächen im Verhandlungsmandat fest, dass der kulturelle Bereich tabu ist.

Abgeordnete fordern eine allgemeine Klausel in TTIP zu verankern

„Das Abkommen darf keine Bestimmungen enthalten, die die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der Union oder ihren Mitgliedstaaten – insbesondere im kulturellen Bereich – beeinträchtigen“, heißt es darin. Sogar ein Bezug auf die Unesco-Konvention ist enthalten. Bei der Liberalisierung des Dienstleistungssektors heißt es in der Formulierung ausdrücklich: „Audiovisuelle Dienste werden von diesem Kapital nicht erfasst.“

Die Bedenken aber bleiben – auch deshalb, weil es von Seiten der EU-Kommission als Verhandlungsführerin schon damals hieß, man könne die Mitgliedstaaten ja auch noch einmal nach ihrer Meinung fragen, falls man in den Gesprächen doch zufällig auf diese audiovisuellen Dienste zu sprechen käme. Die Amerikaner mit Google und Apple im Rücken wollten diese, meint Helga Trüpel nun aus den Verhandlungen gehört zu haben, „alle als digitale Produkte klassifizieren“. Dabei sei „Kultur eben nicht nur eine Ware, sondern auch Trägerin von Sinn und Bedeutung“ – und deshalb staatlich zu fördern.

Dasselbe gilt natürlich für die Bildung. Ohne Schutzzäune könnte die öffentliche Unterstützung der Volkshochschulen, ja selbst der allgemeinen Schulen theoretisch beklagt werden. Deshalb soll nach dem Willen der Abgeordneten nun eine allgemeine Klausel in TTIP verankert werden, die nicht nur diese rein staatlichen Bereiche, sondern auch die staatliche Förderung unangreifbar macht. Dort, wo private Anbieter aus den USA zugelassen werden, sollen sie, so die Parlamentsforderung, „die gleichen Qualitäts- und Akkreditierungsanforderungen erfüllen wie inländische Anbieter“. Also keine größeren Klassen oder billigere Lehrer etwa.

Gäbe es nach dem Willen des EU-Parlaments überhaupt Bereiche, die dem Wettbewerb ausgesetzt würden? Trüpel will sie, ganz im Sinne des Kulturrats, in einer Positivliste eingegrenzt wissen. Darüber hinaus gäbe es dann keine Liberalisierungen. Das aber lehnen die Christdemokraten ab, die den Negativlisten-Ansatz der Kommission unterstützen. „Das ist reine Spiegelfechterei“, sagt der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary: „Wenn wir sauber ausschließen, dass die kulturelle Leistung eines Theaters liberalisiert wird, gibt es in der Praxis überhaupt keine Unterschied zur Positivliste.“