Die Proteste gegen das geplante Gesetz sind groß. Aber sie sind haltlos, sagt Monika Grütters, die Kulturstaatsministerin.

Berlin - Dass Monika Grütters, die bisher gefeierte bundesdeutsche Kulturstaatsministerin, rotwangig nervös vor der Presse saß wie am Mittwochmittag, das gab es lange nicht mehr. Sie sei „enttäuscht“, lautete die nach längerer Wortsuche gefundene Formel für „Ich bin stocksauer“. Nämlich über die regelrechte Kampagne, die einige kunsthandelsnahe Medien seit Wochen gegen das von ihr geplante Kulturgutschutzgesetz fahren, sowie einen „offenen Brief“ von etwa fünfzig deutschen Kunsthändlern.

 

Sie werfen der weltläufig-liberalen CDU-Frau vor, das Grundgesetz brechen zu wollen, nationalistisch verengt zu denken, sparen nicht mit indirekten Verweisen auf die Ermächtigungsgesetze der Nazis und die Enteignungen im Sozialismus, zitieren großzügig das Freiheitspathos von Ronald Reagan. Abgewendet werden sollen so vor allem jene etwa zehn von 87 Gesetzesparagrafen, die sich mit dem innereuropäischen Export von Kunstwerken, Archivalien, Büchern und anderen Kulturgütern befassen.

Aber bis jetzt gibt es nur einen Referentenentwurf zum Gesetz. Er ist weder im   Bundeskabinett noch im Bundestag verabschiedet, hat nicht einmal den Weg durch die auch am Handelswesen beteiligten Ministerien oder durch die Ämter der für die Kulturpolitik zuständigen Bundesländer hinter sich. Zitiert wird also immer aus unautorisierten Zwischenfassungen. Es hat seit 2013 diverse Anhörungen gegeben, an denen auch der Kunsthandel, wie Grütters mehrmals betonte, beteiligt war. Fachverbände und Juristen wurden befragt, eine internationale Tagung zum Thema Raubkunsthandel veranstaltet. Der Museumsbund steht voll hinter ihr. Im Kunsthandel hat Monika Grütters aber offenbar die Nerven getroffen.

Nationaler Belang

Erst einmal will sie den Schutz von in Deutschland befindlichem Kulturgut, das möglicherweise als „bedeutsam für das kulturelle Erbe Deutschlands“ eingeschätzt werden könnte, verbessern und es vor der Ausfuhr bewahren. Alles Kulturgut, das Eigentum von öffentlichen Institutionen ist, soll künftig als national von Belang gelten. Wie die stets klammen Museen, Bibliotheken und Archive ihre Bestände derart gründlich erfassen sollen, ist dabei eine ganz andere Frage.

Werke in privatem Besitz, die älter als siebzig Jahre sind sowie mehr als 300 000 Euro wert sind, sollen erst nach einer Genehmigung durch Expertengremien ins europäische Ausland gebracht werden dürfen. Das entspricht genau den Regeln, die in praktisch allen anderen EU-Ländern gelten – nur die Niederlande haben neben Deutschland noch den weit gehenden Freihandel für Kulturgut. Süffisant merkte Grütters an, dass der Kunsthandel in Frankreich oder Italien mit diesen Regeln ganz gut lebe.

Solche Werke in Privatbesitz, die von den durch die Länder berufenen Kommissionen als national von Belang betrachtet werden, dürfen allerdings wirklich nur noch in Deutschland gehandelt werden. Genau das ist auch heute so. Der von der Erbin des Malers Max Beckmann und vorher schon von dem Maler Georg Baselitz erhobene Vorwurf aber, dass nach fünf Jahren Leihgaben an Museen zusammen mit dem staatlichen Besitz zum nationalen Kulturgut gezählt würden, ist in dem Gesetz schlichtweg nicht zu finden. Stattdessen aber die ausdrückliche Bestimmung, dass die Besitzer von Leihgaben einer Eintragung als Kulturerbe schriftlich oder sogar mit einer einfachen E-Mail widersprechen können.

Allerdings verlören sie dann auch, wie Grütters anmerkte, einen nicht unwesentlichen Schutz gegen Diebstahl. National wertvolles Kulturerbe ist nämlich durch EU-Gesetze auf siebzig Jahre davor geschützt, durch gutwillige Käufer „ersessen“ zu werden. Bei normalem Kunstbesitz beträgt diese Frist laut Grütters nur 35 Jahre.

Kurz: die Aufregung des Kunsthandels bezieht sich bislang vor allem darauf, dass Kunstwerke der Klassischen Moderne oder der alten Kunst eventuell als Kulturerbe erfasst würden. Gerade die aber werden in Deutschland nur sehr wenig gehandelt. Ganz im Gegensatz zu dem anderen Handelsgut, das Grütters endlich scharf regulieren möchte: die trotz der 2006 endlich ratifizierten Unesco-Konvention gegen Kulturgutraub skandalös lax gehandhabte Einfuhr von illegalen, oft aus Raubgrabungen und Diebstählen stammenden Kulturgütern nämlich. Hier müssen die Galeristen und Auktionshäuser künftig eine Genehmigung des Ursprungsstaates vorweisen, dürfen nicht mehr auf Listen verweisen, die gerade in bürgerkriegsgeschüttelten Ländern kaum vernünftig hergestellt werden können. Angesichts des Vandalismus in Syrien oder dem Irak eine längst überfällige Novelle.

Keine einzige Verweigerung des Exports in den vergangenen Jahren

Schließlich ist da der Vorwurf, Grütters wolle die grundgesetzlich geschützte Unverletzlichkeit der Wohnung aufheben. Im Gesetzentwurf finden sich dazu nur Passagen, die den Gewerbeämtern das Recht geben, bei Steuer- oder Zollproblemen die Lager und Gewerberäume sowie Bücher einer Kunsthandelsfirma zu prüfen. Das dürfen die Behörden jetzt schon. Wie die vielen Skandale um Raubgut zeigen, das durch den deutschen Kunsthandel gewaschen werden sollte, waren die Behörden dabei allerdings oft erstaunlich tolerant.

Wie sehr das Verfahren im Fluss ist, zeigt, dass manche Formulierungen, die noch vor einigen Tagen in dem Entwurf zu finden waren, inzwischen abgeschwächt sind oder ergänzt wurden. So sollte es – laut Grütters auf Wunsch einiger Bundesländer – keinen Verweis mehr geben auf die geplanten Expertenkommissionen. Inzwischen sind sie wieder Teil des Gesetzestextes. Aber machen wir uns nichts vor: auch solche Expertenkommissionen haben bisher den Kunsthandel über die Grenzen Deutschlands kaum je behindert; Grütters behauptet, in den vergangenen zehn Jahren habe es nicht eine einzige Verweigerung des Exports gegeben. Selbst der Staat, der durch das Gesetz zur Selbstdisziplin gezwungen werden soll, kann sie überstimmen, wie zuletzt der Skandal um den Verkauf der Warhol-Gemälde in Nordrhein-Westfalen gezeigt hat.