Das Gerber hat nun auch offiziell seine Türen geöffnet. Manche Besucher sind extra aus dem Umland angereist, um das neue Shoppingcenter zu begutachten. Auf die Flaneure wartet eine bunte Einkaufswelt.

Stuttgart - Nach der inoffiziellen Eröffnung am Montagnachmittag mit Oberbürgermeister Fritz Kuhn hat das Gerber seit Dienstagmorgen auch für den Rest der Stadt seine Türen geöffnet. Manche Besucher sind extra aus dem Umland angereist, um das neue Shoppingcenter zu begutachten. Bevor es ins Warme geht, sprechen der Pastoralreferent der katholischen Kirchengemeinde St. Maria, Andreas Hofstetter-Straka, sowie der Pfarrer der evangelischen Citykirchen Stuttgart, Eberhard Schwarz, einige Segnungsworte vor dem Eingang. „Wir hoffen, es entsteht an diesem Ort ein gutes Miteinander zwischen den Anwohnern und den Besuchern“, sagen die beiden. Kurz darauf stürmen die ersten Neugierigen das Gerber – im wahrsten Sinne des Wortes.

 

Doch was erwartet sie dort beim Ladenbummel? „Wo Shopping am urbansten ist“: So wirbt das Einkaufszentrum. Die Frage stellt sich, ob der Branchenmix den Erwartungen gerecht wird. Nehmen wir die Macher beim Wort: Sie haben die aus Philadelphia kommende Kultmarke Urban Outfitters nach Stuttgart geholt. Sie bietet auf zwei Etagen hinter der historischen Fassade an der Tübinger Straße ihren typischen Stil von junger internationaler Mode bis zu altem Vinyl. Und das in einem hippen Baustellenambiente mit unverschalter Decke, nacktem Mauerwerk, einer alten Tür ins Nirgendwo. Das ist ein individuelles Ladenkonzept, wie man es sich häufiger im durchgestylten Gerber wünschte.

Es lockt ein außergewöhnlich guter Tropfen

Aber der Reihe nach: In der zweiten Etage von der Tübinger Straße her, wo es in den 1980ern die ersten Cowboystiefel der Stadt gab, hat sich so etwas wie eine Trend-Ecke gebildet. Hier sind auch die Skatermarke Volcom und das britisch-japanische Label Superdry angesiedelt. Bei Ersterer tragen die Schaufensterpuppen Fernseher statt Köpfe, das andere brilliert mit einer Designerlampe aus Einmachgläsern. Beides macht Lust auf mehr – zur Stärkung lockt später nebenan die Espresso- und Weinbar Mocca mit für eine Mall außergewöhnlich guten Tropfen.

Der nächste Höhepunkt des Bummels befindet sich am anderen Ende der Etage, die sich aufgrund des Höhenunterschieds ebenerdig zur Marienstraße öffnet. Von hier wiederum führt eine Rolltreppe hinauf ans Licht. Das einzige Fenster des Gerber, der Logenplatz sozusagen, ist für Gäste des Cafés Pano reserviert. Und wie man es von den anderen Filialen etwa am Bodensee kennt, ist das Interieur sehr geschmackvoll. Parkett, eine ganze Bücherwand aus Holz an der Rückfront, bequeme Fauteuils, Lese- und Deckenlampen aus Kupfer: Das könnte ein neuer Lieblingsort der Stadt werden. Das Angebot: heißes oder kaltes Vesper, angefangen beim Butterbrot.

Die Nahversorgung ist gesichert

Apropos Vesper: im Eingangsbereich bei der Paulinenbrücke gibt es auch lokale Leckereien, von Steiners schwäbischer Genussmanufaktur etwa oder von Enkel Schulz. Daneben bleibt die übliche globale Abfütterung an Imbissständen von italienisch über türkisch, asiatisch und indisch bis zum Aloha Burger. Ganz hinten im Erdgeschoss, vorbei am Drogeriemarkt dm und den bestens ausgeschilderten, kostenlosen (!) Toiletten sichern Aldi und Edeka die Nahversorgung. Der Supermarkt schließt um 22.30 Uhr. Das ist nicht arbeitnehmerfreundlich. Aber es ist urban.

Im Ladenbau gefallen Boutiquen wie Brandy Melville mit Trockenblumen-Vintage-Einrichtung oder das Nagelstudio U. S. Nails, ein rosa und weiß gestreifter Sixties-Traum. Und endlich hat Stuttgart auch ein breites Unterwäsche-Angebot, modisch, witzig und bezahlbar. Aber ob es gleich fünf Läden sein müssen?

Was fehlt ist ein Angebot für Kinder

Den überwiegenden Rest der 25 000 Quadratmeter großen Verkaufsfläche nehmen Filialen ein, die es auch in den anderen Einkaufszentren gibt, etwa der dänischen Bestseller-Gruppe (Vero Moda, Jack Jones, Only. . .). Manchmal muss sich der Stuttgarter Flaneur kneifen, um nicht zu denken, er sei beispielsweise in Leipzig, in den Höfen am Brühl. Dazu kommt vor allem im Obergeschoss ein auch optisch nicht überzeugender Branchenmix aus Sport, Schuhen, Büchern, Papeterie und Billigmode.

Was dagegen wirklich fehlt: ein Angebot für Kinder. Es gibt im Gerber weder ein Bekleidungsgeschäft noch einen Spielwarenladen, geschweige denn, siehe Höfe am Brühl, ein Unterhaltungsangebot. Ja, leben denn in der Stadt keine Familien?