Undurchsichtige Geschäfte mit „Goldenen Pässen“ und eine mutige Recherche von Journalisten haben eine Krise in Zypern ausgelöst. Es wurde Korruptionsanklage gegen prominente zyprische Politiker erhoben.

Als Anfang Oktober 2020 „Billy Lee“ und „Angie“ beim zyprischen Parlamentspräsidenten Dimitris Syllouris vorsprachen, war der Politiker ganz Ohr. Die beiden Besucher gaben vor, einen chinesischen Geschäftsmann zu vertreten, der sich für die Staatsbürgerschaft des EU-Staates Zypern interessiere. Die konnte damals bekommen, wer 2,5 Millionen Euro in Zypern investierte. Der Geschäftsmann hatte das Geld – aber auch eine Vorstrafe wegen Geldwäsche, wie seine Repräsentanten erklärten. Das hätte ihn eigentlich für den „Goldenen Pass“ disqualifiziert. Parlamentspräsident Syllouris versprach dennoch zu helfen: „Sie können Ihrem Mandanten sagen, dass er die volle Unterstützung Zyperns hat.“

 

Versteckte Kamera von Al Jazeera

Mit am Tisch saß Christakis Giovanis, Parlamentsabgeordneter der kommunistischen Akel-Partei und im Zivilberuf Immobilienentwickler. „Es ist nicht leicht, aber wir werden unser Bestes tun“, versprach Giovanis. Auf die Frage der Besucher, ob man den Namen ihres Mandanten vielleicht ändern könne, um die Vorstrafe zu vertuschen, antwortete Giovanis lachend: „Selbstverständlich, dies ist Zypern!“ Was Syllouris und Giovanis nicht wussten: Die Besucher waren Reporter des arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera. Sie zeichneten das Gespräch versteckt auf.

Als der Sender die Dokumentation „The Cyprus Papers Undercover“ ausstrahlte, löste das in Zypern ein politisches Erdbeben aus. Parlamentspräsident Syllouris und der Abgeordnete Giovani mussten von ihren Ämtern zurücktreten, beteuern aber weiter ihre Unschuld. Jetzt hat der zyprische Generalstaatsanwalt Anklage erhoben. Syllouris und Giovani wird „Verschwörung zum Betrug am Staat und unzulässige Beeinflussung von Amtsträgern“ sowie Verstoß gegen die Anti-Korruptions-Konvention des Europarats vorgeworfen. Mitangeklagt sind ein Rechtsanwalt und ein Manager des Immobilienentwicklers Giovani.

Es drohen fünf Jahre Haft

Die erste Verhandlung ist für den 12. September angesetzt. Bei einem Schuldspruch drohen fünf Jahre Gefängnis. Zypern steht seit Jahren wegen der Vergabe von Staatsbürgerschaften in der Kritik. Zwischen 2007 und 2020 hat die Inselrepublik 6779 Investoren aus Drittstaaten eingebürgert, vor allem reiche Russen. Wer einen zyprischen Pass bekommt, wird damit EU-Bürger und kann sich in allen 27 Mitgliedsstaaten frei bewegen und niederlassen. Trotz massiver Kritik der EU-Kommission und des Europaparlaments hielt Zypern lange an den „Golden Passport“-Programm fest. Dabei hatte schon 2019 der damalige zyprische Innenminister Konstantinos Petridis „Fehler“ bei der Passvergabe eingeräumt. Vor allem haperte es bei den Überprüfungen, die sicherstellen sollen, dass die Antragsteller nicht vorbestraft sind. Nach den Enthüllungen in der inzwischen mehrfach preisgekrönten Al Jazeera-Dokumentation wurde der Druck aber zu groß. Im November 2020 setzte Zypern die Pass-Vergabe aus. Eine im vergangenen Jahr eingeleitete Untersuchung ergab, dass 53 Prozent der seit 2007 vollzogenen Einbürgerungen gesetzwidrig waren. Ob die Pässe der Betroffenen wieder eingezogen werden sollen, ist noch unklar. Sie könnten versuchen, sich vor den zyprischen Gerichten gegen einen Entzug der Staatsbürgerschaft zu wehren