Der Graf ist ein Voyeur, und der Leser wird es mit ihm. Objekt der Neugier, dargestellt im Stil einer geschmäcklerisch-schlüpfrigen Reportage, ist eine Mätresse, Tochter eines armen Schleusenwärters und einer Concierge, vom lebemännischen Grafen in Seide gekleidet. Die Liebesnächte mit der emporgekommenen Kurtisane findet er göttlich, nur ihr Verschwinden allmorgens verdutzt ihn – wohin verdrückt sie sich? Er findet sie in einer Besenkammer, emsig beschäftigt, seine Stiefel einzufetten und zu wienern, beiläufig, wie es heißt, auch mit „spritzigen“ Folgen. Und noch Stunden zuvor war dieser Putzteufel seine Grande Dame gewesen . . .
Schuhe putzen: Für den Grafen eine abscheulich niedere Tätigkeit.AP
Psychologe mit Spürsinn
Die Schmutzwollüste, absolut unstandesgemäß, desillusionieren den Grafen. Er zahlt die Mätresse aus mit fünf Sous, wendet sich ab, will von ihr nichts mehr wissen – sie aber verlangt pampig hunderttausend Francs als Abfindung, worauf er ihr die Gegenrechnung schickt: Stiefelreinigen kostet 25 Centimes pro Tag, macht für drei Monate 23 Francs, exakt diese Summe werde er ihr übermitteln lassen durch den Kammerdiener – valet Illusion, verabschiedet ist so zugleich die kapitalistische Lebenslüge des Grafen. Als scharf blickener Psycholog, begabt mit journalistischem Spürsinn und dem Erzähldrang des großen Romanciers, hat der Autor dieser Erzählung den Stil einer ganzen Epoche geprägt. Seine Novellen und Erzählungen bieten Natur- und Sozialgeschichte en miniature, zwischen Zweitem Kaiserreich und Dritter Republik das Beste, um die Gesellschaft jener Zeit vom Kopf bis zum gewichsten Schuh kennenzulernen.