Die Dauerleihgabe des Stuttgarter Landesmuseums ist nun im Hällisch-Fränkischen Museum in Schwäbisch Hall zu sehen. Das Museum lockt die Besucher mit freiem Eintritt.

Schwäbisch Hall - Bei diesem Anblick zückt jeder Tourist das Smartphone: Der um das Jahr 1240 errichtete Keckenturm gehört zu den das Stadtbild prägenden, meistfotografierten Gebäuden der ehemaligen freien Reichsstadt. Heute ist der einstige Wohnturm Teil des Hällisch-Fränkischen Museums (HFM), das sich über sieben angrenzende Gebäude erstreckt. In drei Bauabschnitten wurde von 1988 bis 2001 der Umbau zum heutigen Gesamtkomplex mit mehr als 3000 Quadratmeter Ausstellungsfläche verwirklicht.

 

Als reines Stadtmuseum versteht sich das Hällisch-Fränkische Museum freilich nicht, seine Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit orientiert sich an der gesamten Region Württembergisch Franken. Neben der Stadt Schwäbisch Hall, die sich dieses Aushängeschild jährlich rund eine Million Euro kosten lässt, ist zweiter Träger der 1847 gegründete Historische Verein für Württembergisch Franken. Dessen Sammlung bildet den Grundstock des Museums, das nun um eine Attraktion reicher ist: Der nach dem kleinen, rund acht Kilometer von Hall entfernten Ort Rieden benannte Altar ist zurück.

Der Riedener Flügelaltar ist erkennbar ein Meisterwerk

Hildegard Heinz, Mitglied im HFM-Förderkreis – auch den gibt’s in der an Bürgersinn reichen Stadt –, führt in den ersten Stock im Keckenturm, in dem das kleine Schmuckstück ausgestellt ist. Heinz müsste es nicht betonen: Der Riedener Flügelaltar ist erkennbar ein Meisterwerk. Um Mitte des 15. Jahrhunderts erwarb ihn die Reichsstadt Hall für die neu erbaute und wegen einer Wallfahrt bedeutend gewordene Marienkirche in Rieden. Wenig später kaufte sie auch für St. Michael und St. Katharina Altaraufsätze aus den Niederlanden, die sich heute noch in den Kirchen befinden. Warum nicht auch der kleine Riedener Altar? Aus gutem Grund, meint Heinz: „Als Konservatorin sage ich: Solche wertvollen Stücke sind im Museum am besten aufgehoben.“

1877 verkaufte der klamme Ort das 1,36 Meter hohe und 2,35 Meter breite Kunstwerk für 400 Mark ans Landesmuseum in Stuttgart: „Die brauchten Geld für die Kirchenrenovierung“, sagt Hildegard Heinz. In den vergangenen Jahren haben deren Experten und die der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart den Flügelaltar aufwendig restauriert und nun dem HFM als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. „Mit der volkstümlichen Darstellung ist er ganz nach dran an den Menschen“, rühmt die Kunsthistorikerin Abbildungen, die in der Tat ans Herz gehen. Der vor allem in Gold-, Blau- und Rottönen gefasste Schrein gibt drei Ereignisse des Marienlebens wieder: in der Mitte die Geburt Christi vor einer Felsenlandschaft, links davon die Vermählung Mariae und rechts die Anbetung der Könige. Im überhöhten Mittelteil ist der segnende Gottvater dargestellt. Die kleinen Flügel daneben zeigen die gekrönte Maria und ihr gegenüber den sie segnenden Gottvater. Auf den Rückseiten sind die Heilige Katharina und die Heilige Barbara zu erkennen. Der Tempelgang Mariae ist auf dem großen linken Flügel und die Darbringung im Tempel auf dem rechten aufgemalt. Im geschlossenen Zustand – „der Zustand an Werktagen“ – ist die Verkündigungsszene dargestellt.

Es gibt eine Sammlung historischer Schützenscheiben

Das neue Exponat lohnt den Besuch, die bewährten lohnen nicht minder. „Wir laufen durch die Zeit“, sagt Heinz: Der Gebäudeteil des Keckenturms und der -burg konzentriert sich chronologisch auf die Geschichte Schwäbisch Halls und seiner Umgebung bis 1802. Besonders sehenswert sind hier etwa die zarten Elfenbeinfiguren des Haller Künstlers Leonhard Kern (1588–1662) oder die beeindruckende Sammlung historischer Schützenscheiben. Am 9. September wird zum Tag des offenen Denkmals überdies eine neue Abteilung zur Reformation eröffnet, die in der Nacht des offenen Denkmals erstmals zu sehen sein wird. Im Stadtmühlentrakt ist die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts dargestellt, Schwerpunkte bilden hier etwa die Themen Hall und das Salz – der Ursprung des Reichtums, sowie das Thema Theater – der Stolz der Freilichtspielstadt.

Mit den Besucherzahlen ist man im HFM im Übrigen zufrieden. Das liegt wohl auch daran, dass das Museum „hürdenlos“ (Heinz) ist. Was nämlich anderswo diskutiert oder angekündigt wird, hat die Kocherstadt seit Januar 2016 umgesetzt. Nicht nur die Kunsthalle Würth auf der gegenüberliegenden Kocherseite (hinter der ein mehr als vermögender Stifter steht), auch das HFM verlangt keinen Eintritt. „Das spüren wir“, sagt Heinz. Familien mit Kindern, auch junge Menschen trauten sich nun ins Museum: „Die Leute kommen auch mal nur für eine Stunde und kommen dann wieder.“ In den Sommermonaten gesellen sich die (Festspiel-)Touristen dazu, in den Wintermonaten bleiben die Einheimischen eher unter sich. Im Grunde ganz so, wie es sich für ein Bürgermuseum gehört – diese tragen schließlich selbst die Kosten dafür.