Das Stuttgarter Haus des Dokumentarfilms (HDF) wird 25 Jahre alt. Bei einer Feierstunde gab es dafür viele schöne Worte. Leider kennen noch immer viel zu wenige Stuttgarter diese Institution.

Stuttgart - Bei Feierstunden von Kultureinrichtungen gehört eine gewisse Heliumüberdosis schöner Worte, die den Ballon behaupteter Bedeutsamkeit erhaben weit über den Gästeköpfen schweben lässt, zum Ritual. Man darf da nicht kleinlich sein. Bei der Feierstunde zum fünfundzwanzigjährigen Bestehen des Hauses des Dokumentarfilms in Stuttgart am Donnerstagabend aber musste keine milde Nachsicht die Rhetorik der Festredner aufs Reale herunterrechnen.

 

Dieses Haus, vom Süddeutschen Rundfunk gegründet und vom SWR übernommen, ist noch immer eine bundesweit einmalige Einrichtung, wie nicht nur die Stuttgarter Kulturamtsleiterin Birgit Schneider-Bönninger gern vermerkte. Seine Aufgabe ist, so formulierte der SWR-Intendant Peter Boudgoust, nichts weniger als die „Bewahrung und Aufarbeitung des audiovisuellen Erbes“. Und damit ist nicht einstaubender, bezugloser Bilderkram von anno dunnemals gemeint. „Bilder und Worte sind mächtige Konstrukteure von Wirklichkeit“, mahnte die Kulturstaatssekretärin Petra Olschowski, weshalb man in einer Ära „permanenter Reizüberflutung“ dringlich eine fundierte Auseinandersetzung mit jenen Bildern brauche, die unser Weltverständnis mit formen.

Geschichtsschreibung mit der Kamera

Dass die Feierstunde im Haus der Geschichte abgehalten wurde, lag nur vordergründig an den großzügigeren Räumlichkeiten. Film und Geschichte sind nicht erst in der Smartphone-Ära zusammengewachsen, Kameras sind Werkzeuge der Geschichtsschreibung. Was das bedeutet, welche unvermeidlichen subjektiven Faktoren und welche äußeren Manipulationsversuche bei Erstellung und Verbreitung der Bilder zu bedenken sind, hat eine vom ARD-Chefredakteur Rainald Becker moderierte Diskussionsrunde zur Kriegs- und Krisenberichterstattung erhellt. Angesicht der Entscheidungen, die im Feld arbeitende Kollegen in Sekundenbruchteilen treffen müssten, sagte „Tagesschau“-Chef Kai Gniffke, werde man demütig, wenn man in Hamburg im Warmen sitze und Zeit habe, das Gelieferte zu hinterfragen.

Die Fotografin Ursula Meissner, der Hörfunkreporter Martin Durm und der Filmemacher Marcel Mettelsiefen erzählten dann vom Risiko der subjektiven Parteinahme mit denen, deren Leben und Gefahren man vor Ort gerade teile, vom Wunsch, das Ferne nahezubringen, aber auch vom eigenen Unbehagen zu Hause beim Lesen und Schauen von Nachrichten. Gewohnt, vor Ort zu sein, sich ein eigenes Bild zu machen, misstrauen diese Menschen dem, was sie selbst herstellen, der verkürzten Nachricht. Sie gehen aber auch aus dieser Erfahrung heraus so sorgfältig wie möglich an ihre Arbeit heran.

Mehr Öffentlichkeit

Schade, dass diese Diskussion, der die Vorführung von Mettelsiefens Film „Syrien: Von Aleppo nach Goslar“ folgte, nur vor geladenen Gästen stattfand. Ihr hätte man ein noch größeres, öffentliches Forum gegönnt. Aber zu wünschen ist das sowieso: Dass das von Irene Klünder geleitete Haus, das in der Fachwelt hohen Respekt genießt, aber vielen Stuttgartern noch immer unbekannt ist, künftig kräftig hineinwirkt in jene Diskussionen unter Nachrichtenkonsumenten, in denen die schäbigsten Rattenfänger mit dem Schlagwort von der Lügenpresse vorab jene Entlarvung entwerten wollen, die solider Journalismus ihnen androht.