Die Landtagswahl bringt das bestehende Parteiengefüge aller Voraussicht nach völlig durcheinander. Aber wer könnte denn überhaupt mit wem regieren? Welche Koalitionen bahnen sich an? Zwischen wem stimmt die Chemie?

Stuttgart - Die Wahl ist vorbei und keiner weiß, wer regieren wird. Diese Situation könnte am Abend des 13. März durchaus eintreten. Der Ausgang der Landtagswahl ist offen wie selten, ganz neue Farbkombinationen rücken ins Bild: Kommt Schwarz-Rot-Gelb? Reicht es doch noch einmal für Grün-Rot? Gibt es einen Wechsel zu Schwarz-Rot, zu Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz? Auguren haben Hochkonjunktur. Das Spektrum der aussichtsreichsten Farbkombinationen wechselt beinahe mit jeder neuen Umfrage. Monatelang lag eine erneute Mehrheit für Grüne und SPD in weiter Ferne. Doch je näher die Wahl rückt, desto mehr zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und Grünen ab.

 

Fünf Parteien werden wahrscheinlich in den Landtag einziehen: CDU, Grüne, SPD, AfD und die FDP. Es gibt zwar noch die alten Präferenzen. Die CDU tendiert am ehesten zur FDP und auch umgekehrt, sehen die Liberalen ihre größten politischen Schnittmengen mit der CDU. Für die aktuellen Regierenden, die Grünen und die SPD, bleibt die Fortsetzung der Koalition bei aller Ernüchterung die erste Wahl. Doch die bekannten Zweierkoalitionen verhelfen möglicherweise nicht mehr zur Mehrheit.

Kretschmann gegen „Ausschließeritis“

Entsprechend offen geben sich die Führungskräfte aller aussichtsreichen Parteien. Der CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf mahnt eindringlich, demokratische Parteien sollten im Wahlkampf das Tischtuch nicht zerschneiden. Der Grüne Winfried Kretschmann hat noch nie etwas von „Ausschließeritis“ gehalten. Nils Schmid führt die Verhandlungsbereitschaft der Sozialdemokraten vor und nach der Wahl an. Der FDP-Vormann Hans-Ulrich Rülke hält Koalitionsaussagen vor der Wahl für überholt und nennt sie „Produkt und Instrument von Drei-Parteien-Systemen“. In politische Landschaften, die aus fünf oder sechs Parteien bestünden, würden verbindliche Vorfestlegungen nicht passen.

Auch wenn theoretisch alles möglich ist, ist nicht alles politisch durchsetzbar. Als gesetzt gilt bisher nur, dass keine Partei mit der AfD koalieren will. Holt die CDU noch auf, könnte Schwarz-Rot, die Kombination die landläufig als „große“ Koalition gilt, eine Mehrheitsoption sein. Davon träumt mancher SPD-Landtagsabgeordnete mehr oder weniger offen. Andere winken ab. Inhaltlich seien SPD und CDU doch viel weiter auseinander als Grüne und CDU, sagt ein SPD-Bundestagsabgeordneter. Sollte gar die FDP noch notwendig sein für eine Mehrheit, wendet sich der Parlamentarier mit Grausen: „Wenn die SPD mit 15 Prozent eine Koalition mit der CDU und vielleicht der FDP macht, sind wir hinterher politisch tot.“ Auch ein führender Landtagsabgeordneter zeigt sich skeptisch. Die Erfahrungen auf Bundesebene zeigten, „man macht gute Politik und es zahlt sich für die SPD nicht aus“. Das ergeht der SPD im Land allerdings mit den Grünen ebenso.

Mitgliederentscheid bei der SPD?

Der langjährige Abgeordnete geht davon aus, dass vor einer Koalitionsvereinbarung bei der SPD ein Mitgliederentscheid steht. „Das wird schwierig mit schwarz-rot“, sorgt er sich. Gar nicht geht in seinen Augen für die SPD ein Dreierpakt mit der CDU und der FDP. Vielleicht, so sinniert mancher Genosse, wäre es besser, die SPD würde in die Opposition gehen. Allerdings ist diese Einschätzung bei den Abgeordneten eher verbreitet, die bei einem schlechten Abschneiden der SPD ohnehin nicht mehr in den Landtag einziehen würden.

Die FDP ihrerseits hätte wohl erhebliche Mühe ihrer Wählerschaft eine Ampel mit Grün-Rot schmackhaft zu machen, sagt einer ihrer Abgeordneten. Der Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke gerierte sich immerhin fünf Jahre lang als eigentlicher Oppositionsführer und betrieb zum Teil Fundamentalopposition. Regieren um jeden Preis will er nicht, sagt er.

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Sollen es doch die CDU und die Grünen gemeinsam machen, sagt mancher frustrierte Genosse. „Das wollen die Grünen doch seit 15 Jahren.“ Es sei auch gar nicht ausgeschlossen, dass die Kanzlerin Guido Wolf zu diesem Pakt rate. Kretschmann, der Wertkonservative, hatte nach der Wahl 2006 Sondierungsgespräche mit Günther Oettinger geführt. Damals hatte die CDU 44,2 Prozent der Stimmen geholt, die Grünen 11,7 Prozent. Der CDU-Fraktionschef Stefan Mappus machte dem schwarz-grünen Geplänkel damals ein jähes Ende. Inzwischen halten verschiedene CDU-Abgeordnete schwarz-grün für durchaus möglich. „Wenn’s für schwarz-rot nicht reicht, machen wir das“, meint ein jüngerer Mandatsträger. Doch das Bild ist uneinheitlich, bei CDU-Abgeordneten, wie bei ihren Wählern. Bei den Grünen halten inzwischen selbst Regierungsmitglieder einen solchen Pakt für möglich. „Inhaltlich könnte es gehen, aber persönlich wäre es sehr schwierig“, heißt es aus der Ministerriege.

Personell ist alles offen

Aber auch personell ist alles offen. Wenn sich der Sinkflug der CDU fortsetzt, muss es nicht Guido Wolf sein, mit dem die Koalition ausgehandelt wird, schon gar nicht, wenn die Grünen vorne liegen sollten. Dann sei es vorbei mit der Karriere von Wolf, konstatieren sie in der CDU-Fraktion – zum Teil ohne größeres Bedauern.

Auch wenn alles offen ist wie selten, darf in den Augen vieler Abgeordneter das nicht eintreten, was der Landtagsvizepräsident Wolfgang Drexler (SPD) so formuliert: „Es kann nicht sein, dass am Ende die AfD sagen kann, die Altparteien kriegen nicht mal eine Regierung zusammen“.