Die österreichische Band Bilderbuch hat im Beethovensaal gezeigt, warum sie zu den besten ihres Lands zählt. Das Publikum feiert gute Musik und ein buntes Bühnenbild.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Sechs oder sieben Mal seien sie ja schon hier gewesen, erzählt der Sänger Maurice Ernst gegen Mitte des Konzerts, aber so schön wie heute sei es noch nie gewesen, in Stuttgart zu sein. Das klingt erst mal nach durchschaubarer Klischeeansage, birgt aber gleich einen dreifachen Kern an Wahrheit in sich. Betrachtet man nämlich erstens nur die letzten beiden Gastspiele – im April 2017 im Wizemann und im März 2015 in den Wagenhallen – ist festzuhalten, dass es beim Publikumszuspruch stetig bergauf geht; am Sonntagabend ist der unbestuhlte Beethovensaal bis auf ein paar freie Sitzplätze auf der Empore proppenvoll.

 

Zweitens war’s noch nie so schön, weil die Band diesmal ein wirklich liebevoll erdachtes, üppiges Bühnenbild mitgebracht hat. Unterm Hallendach baumeln ein saturnartiger Himmelskörper und ein überdimensionierter Wasserhahn, aus dem sich einem Wasserstrahl gleich ein Lichtband auf den Bühnenboden ergießt, auf der Bühne steht unter anderem eine große Flugzeugeinstiegstreppe, vom Saaldach regnen gleich zu Beginn kleine rote Papierherzen – alles zwar im Prinzip überflüssiger Zierrat, aber alles dann doch hübsch anzuschauen, Wohlfühlatmosphäre und Gedanken vermittelnd sowie – wie der Sänger Maurice Ernst eben sagte – so schön bei Bilderbuch noch nie dagewesen.

Drittens schließlich war es auch deshalb so schön wie noch nie, weil jederzeit in dem zwar sinnlos spät beginnenden, aber doch lange währenden Konzert spürbar geworden ist, wie fein sich das österreichische Quartett künstlerisch fortentwickelt hat. Für die Tour haben sie sich mit einem Live-Perkussionisten verstärkt, aber weder dessen mit dem etatmäßigen Drummer Philipp Scheibl vorgebrachtes Schlagzeugsolo-Duett noch das kleine exaltierte Gitarrensolo von Michael Krammer wirken peinlich aufgesetzt. Und natürlich ernten sie mit ihren beiden souverän im Konzertverlauf versteckten größten Hits „Bungalow“ und „Maschin“ den größten Applaus, aber auch die restlichen Songs zeigen jederzeit, was für gute und vor allen Dingen einfallsreiche Musiker hier agieren, die sich in einem sanften stilistischen Wandel vom Indierock zum Artpop fortentwickelt haben, ohne dabei an Güte einzubüßen und ohne dem aufgebrochenen Gitarrensound und der marschierenden Kraft ihrer Anfänge untreu geworden zu sein.

Alles klingt bei Bilderbuch kunstvoll, ohne verkünstelt zu wirken: Das ist das eigentliche Gütemerkmal ihrer Musik. Das macht die noch immer vergleichsweise jungen Musiker auch für die zahlreich im Beethovensaal vertretenen älteren Semester interessant, die auf zeitgeistige Moden gerne pfeifen können. Die wohltuend politische Haltung der Band tut ihr übriges – und so verlässt man am Ende den Saal mit dem wohltuenden Gefühl, richtig gute Musik gehört zu haben.