Der Schweizer Popmusiker Faber zeigt bei seinem Konzert in Stuttgart, warum sein Name derzeit zu Recht in aller Munde ist.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Was ist dran am Hype? So einiges! Drei Monate ist es erst her, dass Julian Pollina alias Faber mit seiner Band das Debütalbum „Sei ein Faber im Wind“ vorgelegt hat, da beginnt auch schon eine Riesentournee durch den kompletten deutschsprachigen Raum. Alle wollen Faber für Konzerte buchen und live sehen, auch in Stuttgart: da steht der blutjunge Musiker aus Zürich am Mittwochabend auf der Bühne des Wizemann, wo das Konzert in den großen Saal verlegt worden ist, der nun mit über 1200 Besuchern nahezu ausverkauft ist. Nicht schlecht für eine Tournee zum ersten Album.

 

Es sei das größte Publikum, vor dem sie jemals gespielt hätten, sagt Faber bald nach Beginn, und es sei das beste bisher, sagt er später auch noch. Das wäre einerseits dämliche Koketterie, andererseits mag’s aber hinkommen: das Publikum ist euphorisch und begeistert, der Applaus ungewohnt kräftig. Und zwar zu Recht.

Nichts für die Schwiegermutter

Denn da ist zunächst dieser janusköpfige Sänger, der extrem charmant mit gewitzter Nonchalance durch den Abend führt – und der dann in seinen Liedern Boshaftigkeiten anstimmt, die nichts für schwache Nerven sind und die mit einem Vokabular daherkommen, das man sich am Kaffeetisch bei der Schwiegermutter besser verkneifen sollte. „Wem du’s heute kannst besorgen“ oder „Brüstebeinearschgesicht“ heißen sie, aber wer hier rüde Plattituden vermutet, geht fehl; Faber paart leidenschaftlich gerne Anzüglichkeit mit Doppelbödigkeit, aber er ist auch ein unglaublich präziser Beobachter der Lebenswirklichkeit. Deutlich wird dies spätestens zum Auftakt der Zugabe, in der Faber solo an der Akustikgitarre Verse singt, die das Publikum über dessen eigene Befindlichkeiten fast schon schaudern lässt.

Akustik ist bei Faber ohnehin Trumpf, auf dem Album wie auch auf der Bühne des Wizemann agiert neben dem singenden Gitarristen sein vierköpfiges Goran Koç y Vocalist Orkestar. Und dieser Ensembleklang ist der wahre Grund für den Hype, der, man braucht keine prophetische Gaben dazu, mehr als eine Momentaufnahme ist und Faber gewiss zum festen Bestandteil der ambitionierten Popmusik machen wird. Durch die Bank vorzügliche Ausführende stehen dort auf der Bühne, mehrheitlich an Orgel, Posaune und Bechertrommel denn am üblichen Instrumentarium spielen sie. Sie dürfen zurückgreifen auf sorgsame, fantasievolle und überraschende Arrangements von außergewöhnlicher Güte. Und sie spielen eine tolle Mischung, changierend zwischen Barblues und Polka, zwischen Schmachtmomenten und Losgehatmosphäre. Musik für Bauch, Beine und Kopf ist das, gewürzt mit Pollinas trotz Juvenilität („wenig Schlaf, viel rauchen“ hat er als Patentrezept in einem Interview verraten) ausgewachsen rauchigem Gesang.

An Konstantin Gropper, den Kopf von Baden-Württembergs bester Band Get Well Soon, fühlt man sich bei Faber erinnert, dem derzeit wohl interessantesten Schweizer Musiker. Beide sind erstaunliche Songkomponisten, und beide zeichnet jene selten zu erlebende ganz besondere kreative Gabe aus, die den vielen Max Giesingers der derzeitigen deutschen Musiklandschaft leider gänzlich fehlt.