Das Grauen des Zweiten Weltkriegs hat Richard Rommel in einem Kriegstagebuch veröffentlicht, das nach seinem Tod im Alter von 92 Jahren erschienen ist.

Herrenberg - Wir schaffen es, über gepflasterte Straßen vorzudringen, ohne Feindberührung. Der Gegner kann ja nach den riesigen Verlusten nicht mehr viele Truppen haben – meinen wir“, schreibt Richard Rommel am 6.

 

November 1941 über den Russlandfeldzug. Wenig später fällt Schnee, das Gelände wird morastig, das Angriffsziel Moskau rückt in weite Ferne. In einer prägnanten Sprache schildert der damals 21 Jahre alte Funker in seinem geheimen Kriegstagebuch eindrucksvoll seine Erlebnisse. Die bewegenden Aufzeichnungen Rommels, der seinen Lebensabend in Herrenberg verbrachte und im vergangenen Jahr im Alter von 92 Jahren starb, veröffentliche nun der ehemalige Journalist und Autor Hans-Dieter Frauer.

Unter den Funkern gab es mit die höchste Todesquote

Richard Rommel war im Zweiten Weltkrieg ungewollt vom ersten bis zum letzten Tag als Funker – bis auf ein paar Wochen Heimaturlaub – immer vorne dabei. „Hätte er sich geweigert, wäre er wohl erschossen worden“, sagt Frauer. Dass er den Krieg überhaupt überlebt hat, sei ein Glücksfall. Denn unter den Funkern habe es mit die höchste Todesquote gegeben – „weil sie unter Feindbeschuss arbeiten mussten.“ Dennoch notierte Rommel heimlich die Geschehnisse, hin und wieder schoss er sogar mit seiner Kamera – verbotenerweise – Fotos.

Rommel stammte aus einer Remstäler Weingärtnerfamilie. Mit 19 Jahren machte er das Abitur, kurz bevor der Krieg begann. Der technisch begabte junge Mann wurde zum Funker ausgebildet und zunächst im Frühjahr 1940 zum Frankreichfeldzug abkommandiert.

Auf den erhofften Frieden eine Flasche Rotwein getrunken

Dort trifft ihn die Erbarmungslosigkeit des Krieges mit voller Wucht: Neben den Landstraßen liegen Leichen, von Panzern überrollt. Flüchtende Franzosen werden kaltblütig beschossen. „Unsere Geschütze schossen ohne Erbarmen hinein“, hält Rommel fest. Als die französische Regierung um einen Waffenstillstand bittet, hofft der 19-Jährige bereits auf ein Kriegsende. In Saint-Eloy-de-Gy im Loiretal stoßen der Dorfpfarrer, der Oberleutnant und er am 25. Juni mit einer Flasche Rotwein auf einen langen Frieden. Rommel notiert später: „Nach elf Uhr nachts wird geläutet – wir drei stürmen in die kleine Dorfkirche und ziehen an den Glockenseilen, was das Zeug hält.“ Doch sollte das Ganze ein Irrtum sein.

Im November 1941 schließlich kämpft sich Rommel in Rußland mit seinen Kameraden durch die Winterlandschaft. Die geflickten Schneekatten am Funkwagen Rommels gehen kaputt, dann versagt die Handbremse ihren Dienst. „Einsetzender Regen macht das Frosteis zur Rutschbahn“, schreibt Rommel am 23. November. „Wenn die Kolonne stockt und ich abbremsen muss, geht das nur mit folgendem Manöver: Erster Gang rein – Zündschlüssel raus – Motor würgt ab – Räder sperren sich – Fahrzeug bleibt stehen.“ Und nur sechs Tage später notiert er: „Wir haben den Eindruck, dass unsere Einheiten sich in dem grenzenlosen schneebedeckten Gelände verlieren. Ich kann mich nur aufs Gebet verlassen.“

Nachts 35 Grad Minus

Nachts herrschen Temperaturen von bis zu 35 Grad Minus. „Bei manchen Soldaten sind die Helme am Kopf gefroren“, ergänzt der Tagebuchherausgeber Frauer. Er hat die Fotos des inoffiziellen Kriegsberichterstatters den einzelnen Kapiteln zugeordnet. Auf dem Buchcover ist eine Szene des Russlandfeldzugs zu sehen, als deutsche Wehrmachtssoldaten versuchen, einen in einen Graben gerutschten, völlig vereisten Wagen wieder flott zu bekommen. Andere Dokumente zeigen schwere Geschütze, Gefechtsgräben, Unterkünfte in russischen Bauernhäusern, Fahrzeugkolonnen auf Landstraßen und Soldatenfriedhöfe in Russland.

„Das Tagebuch offenbart, wie Hitler die Soldaten gewissenlos verheizte“, sagt Frauer. Der 70-Jährige ehemalige Mitarbeiter des evangelischen Pressedienstes hat so wenig wie möglich in die Texte Rommels eingegriffen und sie an einigen Stellen mit erklärenden Anmerkungen versehen. Der Verlag sei auf ihn zugekommen, ob er das Manuskript bearbeiten wolle, sagt der 70-jährige Frauer.

Richard Rommel hatte es erst im vergangenen Jahr eingereicht. Nach dem Krieg hatte Rommel Theologie studiert und war Gemeindepfarrer geworden. Seine letzte Station war der Stuttgarter Stadtteil Möhringen gewesen. „Die Erkenntnis, dass er sein Tagebuch der Nachwelt zur Verfügung stellen möchte, ist ihm spät gekommen“, berichtet Frauer. Rommels Motivation klinge aus dem bekannten Zitat des spanischen Philosophen und Schriftstellers George de Santayana zu Beginn des Buches heraus: „Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“