Kultur: Stefan Kister (kir)
Unterliegen diese Bestimmungen einer Frist?
Im Prinzip gilt das Urheberrecht. Bei Sperrungen hingegen, wie wir sie bisweilen auf Wunsch der Bestandsbildner vornehmen, geht es um das Recht der Einsichtnahme. Sperrungen können individuell geregelt werden und vom Urheberrecht abweichen.
Eines Ihrer Anliegen, als Sie vor gut zehn Jahren angetreten sind, war, dem Archiv eine größere Sichtbarkeit zu geben. Wie weit sind Sie damit gekommen?
Sichtbarkeit erzeugt man, indem man spektakuläre Dinge tut: wenn man große Ausstellungen macht; durch bedeutende Erwerbungen, zum Beispiel die Folge von Kafka-Briefen, die wir gemeinsam mit Oxford gekauft haben, oder die Archive von Suhrkamp und Insel. Sichtbarkeit erzeugt man auch dadurch, dass man sich in der Forschung einen eigenständigen Platz erkämpft und behauptet. Das haben wir getan. Wir haben Marbach in den letzten zehn Jahren von einer kennerschaftlich organisierten Sammlung zu einem Brennpunkt der Forschung gemacht, der junge Forscher aus der ganzen Welt anzieht.
Daran hat sich allerdings auch Streit entzündet. Es hieß, sie würden eine Intellektualisierung und Internationalisierung der Einrichtung betreiben.
Intellektualisierung nehme ich gerne an – und lege das Wort auch gleich wieder ab. Wenn man forscht, tut man dies mit Methode und nach festen Regeln, man brennt keine intellektuellen Feuerwerke ab. Außerdem haben wir den Bildungsauftrag ja nicht vor die Hunde gehen lassen. Wir haben neben dem alten Museum das Literaturmuseum der Moderne in Betrieb genommen und bespielen es sehr erfolgreich, wir haben jedes Jahr mehr als 60 000 Besucher und arbeiten intensiv mit Schulen zusammen.
Viele waren aber auch von dem Konzept des Literaturmuseums, die Objekte in ihrer nackten Materialität sich selbst zu überlassen, überfordert.
Wenn wir hier eine Linie verfolgt haben, dann die, die Objekte zunächst so pur wie möglich zu präsentieren. Wir wollten die Dinge als Schauobjekte zeigen, nicht gleich als Leseobjekte. Deshalb haben wir zunächst auf Beschreibungen verzichtet. Ich will gar nicht abstreiten, dass das nicht in jedem Fall erfolgreich war.
Gerade vom Schauwert her haben sich viele Ausstellungen geglichen wie ein Ei dem anderen.
Dem haben wir uns ausgesetzt. Man muss lernen, die feinen Unterschiede zu sehen. Das ist etwas anderes, als wenn man Fernsehen schaut. Wenn wir Schautafeln mit Fotos und biografischen Angaben aufstellen, haben wir vielleicht mehr Abwechslung, sind aber sofort ziemlich weit weg von der eigentlichen Kostbarkeit: der einzelnen Handschrift. Unsere Prima Materia sind nun einmal diese kleinen unscheinbaren Zettel. Wir haben hier keine Tizians.
Prima Materia klingt nach Alchemie, und ein wenig glich die Dauerausstellung mit ihren Glaskastenfluchten einer Hexenküche.
In der Dauerausstellung ist das in großer puristischer Radikalität durchdekliniert worden. Ich akzeptiere die Kritik, dass es vielleicht zu viele Objekte waren und dass man sich nur schwer orientieren konnte, wenn man auf den Audioguide verzichtete.