Die Band Green Day veröffentlicht ihr zwölftes Album. An die alten Zeiten kann sie damit nicht anknüpfen.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Im Jahr 1989, also jener auch schon wieder ganz schön lange vergangenen Zeit, in der die kalifornische Band Green Day ihren ersten Tonträger veröffentlichte, war rund um den Punk nur noch wenig los. In Deutschland begann der musikalische Protest sich mit Bands wie Advanced Chemistry eher im Rap eine Stimme zu verschaffen, das Erfinderland Großbritannien hatte den Punkrock längst hinter sich gelassen (bis heute fortexistierende Ausnahmen wie Exploited oder die UK Subs bestätigen die Regel), und in den USA spaltete sich das Genre in zwei Strömungen: den oft sehr wütenden Ostküsten-Hardcore und den oft sehr eingängigen Melodiccore an der Westküste. Dessen zwei Hauptprotagonisten Bad Religion (vor Kurzem erst live im Stuttgarter Longhorn) und No FX (deren neues Album zufällig ebenfalls am Freitag erschienen ist) machen bis heute unverdrossen ihr Ding, nach Green Day krähte seinerzeit kein Hahn.

 

Das änderte sich erst fünf Jahre später mit ihrem Album „Dookey“, das bei einem großen Player der Musikindustrie erschien; mit Hits wie „Basket Case“ oder „When I Come Around“, die noch heute gerne in öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern gespielt werden; und mit ihrem als „Rockoper“ titulierten Werk „American Idiot“, das als Grundlage für ein schönes Musical diente. Die ganz echte Punkattitüde sieht etwas anders aus, mit Ruhm und Reichtum hat’s für das Trio aber gut geklappt.

Textlich und musikalisch enttäuschend

Und da die Zahl der Idioten in Amerika – siehe den aktuellen Präsidentschaftswahlkampf – ja nicht gerade gesunken ist, gäbe es für Green Day noch immer viel zu erzählen. Politische Themen werden in den Texten der zwölf Stücke auf dem neuen Album „Revolution Radio“ jedoch gar nicht verhandelt. Allenfalls der Song „Troubled Times“ birgt einen Anflug von Sozialkritik, der Rest der Nummern bietet nur vage allgemeine Unmutsgefühlsäußerungen, vorzugsweise jedoch werden Beziehungsalltagshändel thematisiert. Ein politisches Statement ist dieses Album jedenfalls ganz und gar nicht geworden.

Musikalisch wiederum hat die Band Green Day wie viele andere ihres Kalibers auch mit dem Fluch der guten Tat zu kämpfen: Wer zig Millionen Alben verkauft hat, wird an den großen Erfolgen gemessen, die häufig (und so auch bei Green Day) lange Zeit zurückliegen. Zwölf Jahre sind seit „American Idiot“ vergangen, seitdem kam nichts richtig Prägnantes mehr, und daran wird auch das jetzt zwölfte Album wohl nichts ändern.

Das Stück „Bang Bang“ gönnt sich eine etwas flottere Gangart, der letzte Track „Ordinary World“ ein wenig gedämpfteres Gas mit Akustikgitarre, in „Bouncing Off The Wall“ darf noch eine Trompete hineinschneiden – ansonsten enttäuscht die Eindimensionalität in (vor allem) Tempo und Metrum sowie die sehr standardisierte Rocktrio-Instrumentierung, die auf einem Pfad irgendwo zwischen Funpunk und Alternativerock ins Ungefähre wandert, jegliche verblüffende Wendung ausspart, kaum einmal den Versuch unternimmt, aus dem engen selbst geschnürten Korsett zu entfleuchen und bisweilen (man vergleiche etwa das erwähnte Stück „Troubled Times“ mit den Riffs und Breaks im Song „Sanity“ von der gleichfalls erwähnten Band Bad Religion) hart an der Grenze von der Adaption hin zum Epigonalen wandelt.

Immerhin: Eingängig ist der Band dieses Album geraten. Auch das ist freilich ein Adjektiv, das man nicht zwingend mit einer Lebenshaltung namens Punk in Verbindung bringen möchte. Vielleicht sollte man sie folglich besser der Schublade Alternativerock zuschlagen. Am Fazit ändert sich dadurch aber nichts: Dann nämlich handelt es sich um ein alles andere als revolutionäres, sondern außerordentlich rückwärtsgewandtes, nicht sonderlich spektakuläres und weder an seine Vorgänger noch seine Vorbilder heranreichendes Alternativerockalbum.

Green Day treten am 18. Januar 2017 in der SAP-Arena in Mannheim auf.