Marie Bues und Martina Grohmann werden im nächsten Jahr die Rampe übernehmen. Sie wollen Theater mit Experten und Migranten machen.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Man hört schon an der Wortwahl, dass eine neue Generation antritt: In der übernächsten Spielzeit werden Marie Bues und Martina Grohmann die Leitung des Theaters Rampe übernehmen. Sie wollen zwar noch nicht alles verraten, aber sie wissen schon genau, was sie vorhaben: Sie wollen „aus lokalen Diskursen schöpfen“. Sie wollen den „Kollektivgedanken weiterdenken“ und halten das „Stichwort Partizipation“ für wichtig. „Migrantische Biografien“ und „Protestkulturen“ werden ebenso Thema sein wie die „Frage nach Demokratie“. Dadurch wollen Marie Bues und Martina Grohmann ein „ganz anderes Publikum rekrutieren“.

 

Das klingt alles etwas sperrig, aber es sind eben die aktuellen Fragen, die den beiden auf den Nägeln brennen und mit denen sie die Berufungskommission auf Anhieb für sich eingenommen haben. Sie machten von den 42 Bewerbern das Rennen – und wurden einstimmig gewählt. „Das ist ein guter Rückhalt“, sagt Marie Bues.

Im Vordergrund steht die Gegenwart

Auch altersmäßig tritt in der Rampe eine neue Generation an: Marie Bues ist 32, Grohmann 40 Jahre alt. Bues ist Schauspielerin, arbeitet inzwischen aber ausschließlich als Regisseurin, Grohmann ist Dramaturgin. Mit klassischem Theater haben beide wenig am Hut. „Mich haben Klassiker auch interessiert“, erzählt Bues, „aber ich habe schnell gemerkt, dass ich lieber Gegenwartsdramatik und Stückentwicklungen inszeniere.“ Bei Grohmann ist das nicht anders. Sie hat sich als Dramaturgin auf Autorentheater spezialisiert, auf Gegenwartstheater und offene Projekte.

In der Rampe wollen sie „verstärkt auf den Gedanken des Kollektivs setzen“. Das heißt: „Wir wählen die Themen und Diskurse aus“, sagt Bues. Sie wählen die Mitstreiter aus – und dann beginnt die eigentliche Arbeit. Sie wollen Autoren nicht nur beauftragen, sondern konkret ans Haus holen, sie in die Probenprozesse einbinden, am besten sollen sie in Stuttgart recherchieren oder mit Persönlichkeiten aus der Stadt zusammenarbeiten, mit Experten oder Wissenschaftlern aus verschiedenen Bereichen. „Uns interessiert die aktive Teilnahme der Stadt.“

Eigentlich haben Martina Grohmann und Marie Bues noch gar nicht so häufig miteinander gearbeitet. Aber als Bues die Ausschreibung für die Rampe-Intendanz las, wusste sie sofort, dass Grohmann die ideale Mitstreiterin wäre. Noch haben sie nicht genau geklärt, wer welchen Arbeitsbereich übernehmen wird, aber als Team funktionieren sie schon bestens. Geschickt werfen sich die beiden Frauen die Bälle zu, wie ein munteres Pingpong geht beim Gespräch mit ihnen das Wort ständig hin und her und glaubt man es gern: „Wir haben eine konstruktive Streitkultur“.

Man sieht, dass sie Lust haben, alsbald anzupacken. „Natürlich ist das Theaterleiten für uns neu“, sagt Grohmann, „aber das ist genau die Herausforderung und der Reiz.“ Auch wenn sie erst mit der Spielzeit 2013/2014 offiziell das Ruder übernehmen, wollen die beiden schon jetzt nach Stuttgart ziehen. Bues tingelt noch als freie Regisseurin, Grohmann wird in der nächsten Saison noch für das Schauspiel Frankfurt arbeiten, „aber es ist gut, schon in der Stadt zu sein“, so Bues. Denn es stehen schon jetzt zahlreiche Gespräche und Entscheidungen an: von der Gestaltung der Spielpläne bis zum Internetauftritt – alles muss neu bedacht werden.

Was sicher ist: es wird weiterhin kein festes Ensemble an der Rampe geben. „Mit den finanziellen Rahmenbedingungen ist das nicht sinnvoll“. Es wird „neue Gesichter geben“, aber auch weiterhin Koproduktionen mit anderen Häusern und Gruppen. Darunter wird sicher das von Marie Bues gegründete „theaterkollektivbüro“ sein, ein Netzwerk für junge, freie Theaterschaffende. „Eva Hosemann hinterlässt uns ein wunderbares Erbe“, sagt Grohmann, „aber wir wollen den Ruf überregional noch mal steigern.“ Bues und Grohmann wollen auch einen Projektraum etablieren, der Lounge und offenes Atelier zugleich sein soll, in dem Filme laufen und neue Formate ausprobiert werden können. Schließlich geht es ihnen nicht nur um ein fertiges Produkt, sondern um „Theater als Prozess“.

Freies Haus, schlagkräftige Truppe

Die Rampe, da sind die beiden sicher, ist für ihre Art von Theater der richtige Ort – mit seiner „kleinen, schlagfähigen Truppe“, mit „inhaltlich viel größerer Freiheit“ als im Stadttheater. „Man muss hier nicht jeden Abend 500 Plätze füllen und den Bildungskanon spielen“, sagt Grohmann, „man ist viel flexibler, radikaler, freier“.

Ihr Vorbild ist das Berliner HAU, ein freies Haus mit „künstlerisch hochwertigen Kräften“. Sicher werden einige der neuen Gesichter aus Berlin kommen, aber die Themen werden auf Stuttgart zugeschnitten sein – und klar ist auch, die beiden wollen die Stuttgarter Protestbewegung „als Schwungfeder mit aufnehmen“.

Zeitgleich mit Marie Bues und Martina Grohmann wird auch der neue Schauspielhausintendant Armin Petras die Arbeit aufnehmen. Das schreckt die beiden nicht, im Gegenteil. „Das ist eine Chance, die Theaterlandschaft neu zu sortieren“, sagt Grohmann, „und wir werden uns dabei einen guten Platz sichern.“