Live-Sendungen und Dokumentationen: ARD und ZDF berichten umfassend über das NSU-Urteil und die Hintergründe. Auf ZDF Info begibt sich eine verstörende Doku auf die Spur des rechten Terrors.

München - Das Urteil im NSU-Prozess ist gefallen, aber viele Rätsel bleiben ungelöst. Einige sind womöglich wichtiger als die Frage, welche Rolle Beate Zschäpe bei den Morden des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ gespielt hat. Rainer Fromm geht in seiner Dokumentation „Auf der Spur des rechten Terrors“ einigen dieser offenen Fragen nach: Wie groß war der NSU wirklich? Welche Rolle spielte der Staat? Sein Film trägt den Titelzusatz „Die sieben Geheimnisse des NSU“. Wäre es angesichts der Opfer nicht so makaber, könnte man von den perfekten Zutaten für einen Verschwörungsthriller sprechen.

 

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Tatsächlich haben sich bereits zwei Spielfilme mit der Materie befasst. 2016 beschrieb der Abschluss der preisgekrönten „NSU“-Trilogie „Mitten in Deutschland“ (ARD), wie gezielt der Verfassungsschutz die Suche nach dem Mördertrio behinderte. Ein Jahr zuvor war Wolfgang Schorlaus packender Roman „Die schützende Hand“ (2015) erschienen. Darin geht sein Held, der Privatdetektiv Dengler, den vermeintlichen oder tatsächlichen Ermittlungspannen rund um den mutmaßlichen Selbstmord der beiden NSU-Täter Mundlos und Böhnhardt nach. Die Verfilmung lief im November 2017 unter dem Titel „Dengler und die schützende Hand“ im ZDF.

Akten bleiben 120 Jahre unter Verschluss

Würde der Sender den Thriller nun wiederholen, könnten sich viele Zuschauer ein Bild davon machen, wie richtig Schorlau mit vielen seiner Vermutungen lag – denn Fromms Film wirkt wie eine jener Dokus, mit denen ARD und ZDF an Themenabenden Spielfilme von gesellschaftspolitischer Relevanz ergänzen. Natürlich kann Fromm all jene Fragen, welche die Nebenkläger im NSU-Prozess vor seiner Kamera aufwerfen, nicht endgültig beantworten, aber schon allein die Existenz dieser Fragen ist ein Skandal.

Selbst wenn sich der eine oder andere Vorwurf entkräften oder wenigstens schlüssig erklären ließe: Zu viele Details bleiben ungeklärt; es wird seine Gründe haben, dass ein Teil jener Akten, der den Nebenklägern nicht zugänglich gemacht wurde, absurde 120 Jahre unter Verschluss bleiben soll. Der Film ist der respektable Versuch, Schlaglichter in das Zwielicht zu werfen, das die Staatsschützer mit ihrer Verdunkelungsstrategie erzeugt haben.

Über Fromms Stil kann man streiten. Immer wieder setzt der Autor musikalische Ausrufezeichen, die nicht nötig wären – die Ungeheuerlichkeit vieler Fakten spricht für sich. Überzeugender ist die abwechslungsreiche Bildgestaltung, die eine Aneinanderreihung redender Köpfe verhindert. Gelungen sind auch die grafischen Zwischenspiele, in denen die sieben Geheimnisse als Puzzleteile erscheinen.

Warum beharren die Ermittler auf der Drei-Täter-Theorie?

In der Tat ist es befremdlich, wie sehr die Ermittler darauf beharren, das NSU-Trio habe die zehn Morde ganz auf sich allein gestellt vorbereitet und ausgeführt. Minutiös arbeitet Fromm mit Hilfe der Nebenkläger, aber auch mit Unterstützung von Mitgliedern der Untersuchungsausschüsse in Thüringen und Hessen heraus, wie gering die Wahrscheinlichkeit ist, dass es sich bei den ermordeten Migranten wie auch bei der in Heilbronn erschossenen Polizistin Michèle Kiesewetter um Zufallsopfer handelt. Der Hintergrund einiger Mordfälle lässt gar die These zu, die NSU-Killer seien eine Art Auftragsmörder der Neonazi-Szene gewesen. Geradezu frappierend ist die Fülle an Indizien, Hinweisen und Zeugenaussagen, die bei fast allen Taten auf Helfershelfer schließen lassen. Schon allein die „Todesliste“, der sich um 20.15 Uhr auf ZDF Info ein eigener Beitrag widmet, ist mit ihren vielen „Ausspähdetails“ derart umfangreich, dass sie kaum von lediglich drei Personen erstellt worden sein kann.

Umso bedenklicher ist das Beharren der Ermittler auf der Drei-Täter-Theorie, zumal Phantomzeichnungen ins bizarre Milieu der sogenannten Vertrauensleute verweisen. Von diesen „V-Leuten“ hat es im früheren Umfeld des Trios Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe offenbar geradezu gewimmelt; trotzdem hat angeblich niemand von der Mordserie gewusst. Dabei ist schon allein die Existenz des dank der großzügigen Entlohnung der „V-Leute“ nicht zuletzt mit Steuermitteln finanzierten rechtsextremistischen Netzwerks erschreckend. Fromms Film wirft derart viele Fragen auf, dass die gesamte Untersuchung im Grunde von vorn beginnen müsste.  

Hier alle Sendetermine auf einen Blick

Die Doku „Auf der Spur des rechten Terrors“ läuft am Mittwoch, 11. Juli, dem Tag der Urteilsverkündung, um 20.45 Uhr auf ZDF Info. Das ZDF wiederholt die Dokumentation im Anschluss an die Übertragung des WM-Halbfinales, geplanter Sendetermin: 22.30 Uhr. Um 19.20 Uhr gibt es im Zweiten ein „ZDF spezial“ über das Urteil; ZDF Info zeigt zudem um 21.30 Uhr den Film „NSU – Der Prozess: Die Schuld der Beate Zschäpe“ (Wiederholung im ZDF um 0.45 Uhr).

Das BR Fernsehen berichtet den ganzen Tag in verschiedenen Sendungen über das NSU-Urteil. Im BR und auch in der ARD wird ab 9.55 Uhr live aus München berichtet. Die ARD bringt um 20.15 Uhr im Anschluss an die „Tagesschau“ einen „Brennpunkt“ sowie um 0.05 Uhr den Dokumentarfilm „Heer, Stahl und Sturm“ über die drei Strafverteidiger Zschäpes. In der Mediathek ist diese Doku, die der Presse vorab nicht zur Verfügung stand, ab 20.15 Uhr abrufbar.