Einst verachtet, heute gefeiert: Scooter ist eine der erfolgreichsten deutschen Bands aller Zeiten. Die Erfinder des Kirmestechno feiern ihr 20-jähriges Bestehen – mit Platte, Buch und Tour. Am Freitagabend stehen sie in der Stuttgarter Porsche-Arena auf der Bühne.

Stuttgart – Früher war Scooter eine Band für Typen mit grässlichen Frisuren, die sich abends mit ihren getunten Autos an Tankstellen trafen und später versuchten, junge Mädchen in ländlichen Großraumdiskotheken abzuschleppen – selbstredend ohne Erfolg. Für Leute also, die mit guter Musik ebenso viel am Hut haben wie Joachim Gauck mit Punkrock. Was ist nur geschehen, dass die Technoband heute allseits gefeiert wird? „Scooter zelebriert eine reine, fröhlich-naive Vulgarität, die dank ihrer vollkommen enthemmten Wucht in geradezu sakrale Erhabenheit umschlägt“, schrieb selbst die FAZ vor Kurzem in ihrem Feuilleton – und steht mit diesem Urteil keineswegs alleine da.

 

Die unerwartete Anerkennung ist zum einen Ergebnis der Beharrlichkeit, mit der Scooter seit zwei Jahrzehnten einfach gestrickte Elektromusik mit dadaistisch anmutenden Texten kombiniert. Zum Beispiel in dem Song „The Question is what is the Question?“: „Start the Danger / Rearranger / Not so cool / Mercy / I’m the Vapour / On the Radar“. Durch den Verzicht auf jede Metaebene hebt sich Scooter erfrischend von all der prätentiös daherkommenden Popmusik ab, die es sonst so auf dem Markt gibt. Zum anderen sind die plötzlichen Huldigungen an diese Band Ausdruck eines Zeitgeists, der sich lustvoll die Abfallprodukte der Kulturindustrie aneignet, die eigentlich als Sedativum für das Subproletariat bestimmt waren.

H. P. Baxxter hatte schon vor einigen Jahren geahnt, dass es so kommen würde. „Sind wir jetzt Hochkultur, oder was?“, fragte der Sänger ein bisschen entrüstet, nachdem die Schauspielerin Irm Hermann, die lange mit Rainer Werner Fassbinder zusammengearbeitet hatte, 2008 die englischen Nonsens-Texte der Band in deutscher Übersetzung beim Kremser Donaufestival vorgetragen hatte. „Ich liebe es, eure Hände in der Luft zu sehen. Wir wollen harte Party machen. Die technologische Musik bekommt, was sie braucht. Springt alle hoch und nieder. Hüper, hüper“, rezitierte Hermann damals zu den Klangereignissen, die die Hamburger Avantgarde-Punker Die Goldenen Zitronen im Hintergrund produzierten.

Treibende Beats für ein Massenpublikum

Die Verse spielen auf den Scooter-Song „Hyper Hyper“ an, mit dem der Band 1994 der internationale Durchbruch gelang. „Hyper Hyper“ wurde zur Parole, die feierwütige Raver überall im Land auf den Tanzflächen skandierten. Scooter stand damals, genauso wie Marusha („Somewhere over the Rainbow“) oder Dune („Can’t stop raving“), für die Kommerzialisierung des Techno, der in dieser Ära die europäischen Clubs erobert hatte. In Kombination mit eingängigen Melodien erreichten die treibenden Beats nun ein Massenpublikum.

Was Scooter von vergleichbaren Acts aus dieser Zeit allerdings unterscheidet: die Band lockt nach wie vor Tausende auf ihre Konzerte, ihre Musik wird eben nicht nur auf Retropartys aufgelegt, auf denen die heute Um-die-Dreißigjährigen tanzen. So bespielt die Band auf ihrer diesjährigen Jubiläumstour „20 Years of Hardcore“ nicht etwa Jugendhäuser und Dorfdisko-theken, sondern die großen Hallen der Republik.

„Hyper Hyper“, die schlechteste Nummer der Welt

Dabei war der große Erfolg von Scooter in den Anfangszeiten nicht gerade absehbar. „Es gab derbe Kritik und Hohn von allen Seiten. Die Musikmedien haben fast ausnahmslos gegen uns gepöbelt“, erinnert sich Baxxter, der eigentlich Hans Peter Geerdes heißt und in Ostfriesland aufgewachsen ist, in der zum Jubiläum erschienen Bandbiografie „Always Hardcore“. „Proll-“ oder „Kirmestechno“ waren gängige Schimpfwörter für die Musik der Band. Zudem gab es Gerüchte, Scooter sei von einer Plattenfirma zusammengecastet worden, obwohl die Musiker ihre Stücke selbst produzierten und abmischten. Westbam, einer der erfolgreichsten Künstler der deutschen Technoszene, bezeichnete „Hyper Hyper“ gar als „die schlechteste Nummer der Welt“ – wobei man sagen muss, dass er mit diesem Urteil gar nicht so weit daneben liegt.

Jedenfalls glaubten damals viele, dass der Song ein einmaliger Erfolg bleiben und Scooter wieder in der Versenkung verschwinden würde. Eine spektakuläre Fehleinschätzung: gleich die ersten fünf Singles wurden mit Gold ausgezeichnet. Insgesamt folgten in Deutschland mehr als zwanzig Top-Ten-Platzierungen. Zudem gehört Scooter zu den wenigen deutschen Bands, die international großen Erfolg hat.

Vom Telefonverkäufer zum Popstar mit Jugendstilvilla

H. P. Baxxter ist das Gesicht der Band, Rick J. Jordan ihr musikalischer Mastermind. Die beiden hatten sich in den Achtzigern über eine Zeitungsannonce kennengelernt und zusammen mit Baxxters Schwester Britt die Synthiepop-Band Celebrate the Nun gegründet, mit der sie vergeblich versuchten, an den Erfolg britischer Gruppen wie Joy Division oder New Order anzuknüpfen. Erst mit Scooter gelang dem Duo der Durchbruch – zu einem Zeitpunkt, als die beiden schon gar nicht mehr damit rechneten. Baxxter arbeitete damals als Telefonverkäufer bei der Plattenfirma Edel, Jens Thele, der bis heute die Band managt, war sein Chef. „Ich hatte mir geschworen, mich nie wieder auf eine Bühne zu stellen. Mir schwebte vielmehr so ein lässiges Produzenten-Sesselfurzer-Dasein in meinem Studio vor – ohne Reisen und den ganzen Stress“, erinnert sich Baxxter. Es kam anders, und Baxxter wurde doch noch Popstar.

Heute besitzt der Frontmann eine Jugendstilvilla, sammelt antike Möbel und Edelkarosserien und führt gelegentlich mit der Musikzeitschrift „Spex“ Interviews über Kunstsprache. Bei der diesjährigen Silvesterparty am Brandenburger Tor spielte Scooter vor Hunderttausenden, direkt nach dem großen Feuerwerk. Davor hatte der Volksmusiker Heino auf der größten Jahresabschlussfeier der Republik seine Stücke zum Besten gegeben. Ganz schön gruselig, diese Kombination. Aber irgendwie auch ziemlich hyper hyper.

Scooter zum Hören, Lesen und live in Stuttgart

Band: Scooter gründet sich 1994 in Hannover. Der 1966 in Ostfriesland geborene Frontmann H.P. Baxxter, der Keyboarder Rick J. Jordan und der Manager Jens Thele sind von Beginn an dabei. Die Position des zweiten Keyboarders rotiert: Anfangs steht Ferris Bueller am Synthesizer, 1998 löst ihn Axel Coon ab, der für vier Jahre in der Band bleibt, ehe er von Jay Frog ersetzt wird, der wiederum 2006 ausscheidet. Seitdem komplettiert Michael Simon Scooter. Zu den bekanntesten Hits zählen „Hyper Hyper“ (1994), „How much is the Fish“ (1998), „Faster harder Scooter“ (1999) und „One (Always Hardcore)“ (2004).

Jubiläum: Anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens haben die Erfinder des Kirmestechno das Best-of-Album „20 Years of Hardcore“ veröffentlicht, auf dem 44 Hits zu hören sind. Unter dem Titel „Always Hardcore“ ist gerade eine Bandbiografie mit vielen Fotos erschienen (Edel-Verlag, 222 Seiten, 19,95 Euro).

Tour: Ihre Jubiläumstour führt Scooter am Freitagabend in die Stuttgarter Porsche-Arena. Es gibt noch wenige Restkarten.