Der mögliche Rückzug von Ferdinand Piëch könnte größere Machtverschiebungen im Porsche-Imperium auslösen. Noch halten sich die beiden verfeindeten Familien gegenseitig in Schach.

Stuttgart - Die nächste Gelegenheit bietet sich am 30. Mai. An dem Tag treffen sich die Mitglieder des Familienclans Porsche-Piëch mit den anderen Aktionären zur Hauptversammlung der Porsche Automobil Holding. In den Wochen vorher müssen sich die Familienzweige einigen, wer bei dem VW-Mehrheitseigentümer für den Aufsichtsrat kandidieren soll. Das Besondere daran: Auf der Tagesordnung steht nicht – wie sonst üblich bei Aktionärstreffen – die Wahl einzelner Männer oder Frauen, sondern des ganzen Gremiums. Die Wahl selbst ist reine Formsache, da nur Familienmitglieder stimmberechtigt sind.

 

„Die vierte Generation muss endlich stärker einbezogen werden, sonst handelt sich das Unternehmen ein ganz großes Problem ein“, sagt ein Kenner der Verhältnisse bei dem Sportwagenbauer. Schon ein kurzer Blick auf die Lebensläufe gibt ihm recht und zeigt, dass die Kapitalseite im Aufsichtsrat eine veritable Altherrenrunde ist. Die bisherigen sechs Vertreter des Clans, zu denen auch ihr Vertrauter, der frühere Henkel-Chef Ulrich Lehner, gehört, sind mit einer Ausnahme mindestens 70 Jahre alt; nur Ferdinand Oliver Porsche, der vor wenigen Tagen allerdings auch schon 56 Jahre alt geworden ist, repräsentiert die vierte Generation.

Zwölf Kinder mit vier Frauen

Dass am 30. Mai weitere Vertreter aus dem Kreis der 34 Urenkel und -enkelinnen des legendären „Käfer“-Konstrukteurs Ferdinand Porsche ins Kontrollgremium einziehen werden, gilt als sicher. Denn zumindest für das prominenteste Mitglied des Clans, den früheren VW-Dominator Ferdinand Piëch (79), muss ein Nachfolger gefunden werden. Nach dem verlorenen Machtkampf bei VW hatte er bereits alle Ämter bis auf das Mandat im Aufsichtsrat der Porsche Automobil Holding abgegeben. Nachdem er nun seine Aktien verkaufen will, wie seit dem vergangenen Freitag offiziell bekannt ist, wird es für ihn im Aufsichtsrat gewiss keinen Platz mehr geben.

Die Verhältnisse auf der Piëch-Seite sind schwer durchschaubar, was auch damit zusammenhängt, dass alleine Ferdinand Piëch im Zusammenwirken mit vier verschiedenen Frauen für 12 der 23 Abkömmlinge seines Zweigs gesorgt hat. Insider gehen davon aus, dass sich das Knäuel erst nach Ferdinand Piëchs Ableben entwirren wird. Eine hervorgehobene Position nimmt in der vierten Generation bei den Piëchs bis jetzt nur die Designerin Louise Dorothea Kiesling ein, die im Sommer auch schon 60 Jahre alt wird; sie sitzt im Aufsichtsrat von Volkswagen.

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Wenigstens einer findet klare Worte

Das Porsche-Lager ist übersichtlicher, und Ferdinand Oliver ist hier im Kreis seiner Cousins und Cousinen der Primus. Er gehört zusätzlich bereits seit 2009 dem VW-Aufsichtsrat an und leitet den Prüfungsausschuss, der sich mit dem Jahresabschluss und dem internen Kontrollsystem befasst. Ein Kenner der Verhältnisse beschreibt ihn als einen Mann, der klare Worte findet und konfliktbereit ist – was in seinem Familienzweig, dem kollektiv das Image verweichlichter Anthroposophen anhängt, keine weit verbreitete Tugend ist. Öffentlich freilich herrscht Schweigen.

Schlagzeilen gemacht hat der promovierte Jurist, der als Tätigkeit „Beteiligungsmanagement“ angibt, nur durch ein privates Interesse. Vor sieben Jahren wollte er bei Weil der Stadt auf die Hügelkuppe Mönchsloh, die in einem Landschaftsschutzgebiet liegt, ein exklusives Pferdegestüt mit großzügigem Wohnhaus sowie Ställen und einer Reithalle bauen lassen. Als das Projekt bekannt wurde, formierte sich vor Ort rasch Widerstand gegen eine Ausnahmegenehmigung für die betuchte Familie. Schnell zog Porsche das Baugesuch zurück. Nur ein Thema für die hippophile Fachwelt war kurz darauf der Erwerb des Eisernen Hofes in Bissingen/Teck, auf den die australische Dressurreiterin und Olympiateilnehmerin Hayley Beresford gezogen ist.

Ein Antroposoph scharrt schon mit den Hufen

Ferdinand Oliver Porsche ist der Sohn des verstorbenen Ferdinand Alexander Porsche, der sich mit dem Design der Porsche-Legende 911 ein Denkmal gesetzt hat. Der Vater, genannt „Butzi“, übernahm 1990 als Nachfolger von Porsche-Gründer Ferry Porsche den Aufsichtsratsvorsitz, fühlte sich in dieser Rolle aber überfordert, als das Unternehmen Anfang der neunziger Jahre in eine existenzbedrohende Krise geriet; 1993 trat er deshalb zurück. Weil sich die Porsches und Piëchs, die voneinander gerne als der „Gegenfamilie“ sprechen, nicht auf einen Nachfolger einigen konnte, musste ein Familienfremder geholt werden: Helmut Sihler, zuvor Chef des Henkel-Konzerns. Dass Ferdinand Oliver Porsche aufgrund der Erfahrungen des Vaters vorsichtig ist, verwundert niemanden.

Auch Peter Daniell Porsche hat große Ambitionen. „Der scharrt mit den Hufen“, sagt ein Insider. Das ist schon deswegen naheliegend, weil Daniell keine Geschwister hat und deshalb eines Tages der größte Einzelaktionär sein wird. Er lebt mit Frau und Kindern in der Nähe von Salzburg und wurde lange als Waldorfpädagoge und Musiktherapeut mehr verspottet als charakterisiert, weil er auf Distanz zur traditionellen Wirtschaft war und sich lieber für soziale Projekte engagierte. „Schon als Kind wollte ich etwas Soziales machen“, lautet so ein programmatischer Satz von ihm, „etwas Sinnvolles mit dem Geld anfangen.“ Dass er sein Geld den technischen und kaufmännischen Fähigkeiten der ersten Familiengenerationen verdankt, ist ihm bewusst, aber er hat auch ein Buch mit diesem Titel geschrieben: „Es gibt noch mehr im Leben als Autos bauen“.

Vorlaute Familienmitglieder sind verpönt

Seit einiger Zeit stichelt Peter Daniell Porsche nicht mehr wie zuvor gewohnt gegen das Establishment. 2014 hat er die Beteiligungsgesellschaft PDP Holding gegründet, die auf ökologische und nachhaltige Projekte setzt. Den möglichen Eindruck, dass er mit Autos nichts am Hut habe, versucht seine Sprecherin zu korrigieren. „Herr Porsche ist ganz nah dran an dem Produkt“, sagt sie. „Er ist ein richtiger Autonarr und fasziniert von Themen wie der Elektromobilität und dem autonomen Fahren.“ Über seine Ambitionen innerhalb der Familie will der Erbe jetzt nicht sprechen – und sendet damit gleichwohl ein Signal. Unerbetene Wortmeldungen schätzt die Familie nicht, wie der 43-Jährige von Stammesoberhaupt Wolfgang Porsche weiß. Ende vergangenen Jahres hatte Peter Daniell Porsche noch sehr deutlich gesagt, er stehe für eine tragende Rolle im VW-Aufsichtsrat zur Verfügung, wenn er eines Tages gefragt werde. Das Problem: Es hatte ihn noch niemand gefragt, außer dem mächtigen VW-Betriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh, der bei diesem Thema allerdings kein Stimmrecht hat.

Am einfachsten wäre ein Wechsel bei der Porsche Automobil Holding zu organisieren. Peter Daniells Vater Hans-Peter, der dort im Aufsichtsrat sitzt, ist 76 Jahre alt und will Platz machen – nach bisherigen Aussagen spätestens Ende des Jahrzehnts. Im Sommer, vielleicht schon früher, so hat die Sprecherin vor Kurzem in Aussicht gestellt, könnten sich die Verhältnisse klären. Nach dem Eklat um Ferdinand Piëch wird es wohl schneller gehen. Dass sich das Interesse von Peter Daniell offenbar stark auf VW konzentriert, irritiert in der Porsche-Stadt Stuttgart freilich manche.

Die Frauen reiten mit Erfolg

Außer Ferdinand Oliver und Peter Daniell bleiben alle Enkel von Ferry Porsche in Deckung, so zum Beispiel auch Ferdinand Olivers Brüder Kai Alexander und Mark Philipp, die sich vor allem eigenen Aktivitäten widmen. Allerdings ist der Zusammenhalt in der Familie doch so groß, dass alle Präsenz zeigen und bei Gesellschaftertreffen möglichst vollzählig antreten. Um den jüngeren Teil dieser Generation kümmert sich Wolfgangs Sohn Christian. Der Facharzt für Neurologie mit medizinisch-naturwissenschaftlicher Doppelpromotion organisiert gemeinsame Veranstaltungen. Seine Berufswelt ist die Klinik, nicht das Auto. „Da ist er ziemlich ahnungslos“, lautet ein nicht gerade schmeichelhaftes Urteil.

Diana Porsche ist die jüngste in ihrer Generation. Ihre Leidenschaft gehört dem Reitsport; die Dressurreiterin ist die Nummer eins der Weltrangliste bei den U25. Das Interesse an den Vierbeinern ist in der Familie sehr verbreitet , was Grenzen zu überwinden hilft. Diana ist sogar befreundet mit einem Mädchen aus dem Piëch-Clan, das ebenfalls die Reiterei liebt. So etwas wäre in der streitbaren Doppelfamilie früher undenkbar gewesen.

VW hat keinen direkten Zugriff auf Porsche

Deutliche Distanz wahrt Gerhard Anton Porsches ältester Sohn, der Agrarwissenschaftler Hans Porsche, der unter anderem an der Schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft gearbeitet hat. Seine Finanzgesellschaft HP-Capital Partners engagiert sich bei Projekten für eine nachhaltige Landwirtschaft; zudem finanziert sie Start-ups sowie das Hilfsprojekt Magic Bus, das unterprivilegierten Kindern helfen will. Hans Porsches Schwester Geraldine arbeitet als Ärztin in Österreich. Auf gesellschaftlichem Parkett zeigt vor allem Wolfgang Porsches Familie Präsenz. So hat sich zum Beispiel sein Sohn Felix Alexander, der in München Philosophie studiert, jüngst bei einer Spendengala für den Polizeiverein Münchner Blaulicht nützlich gemacht; zusammen mit seinem Bruder Ferdinand Rudolf war er beim Wiener Opernball zu sehen. Auch ihre Schwester, die Designerin Stefanie Porsche-Schröder, wurde schon bei Empfängen gesichtet.

Auf den ersten Blick ist es erstaunlich, dass die Porsches noch solch eine Nähe zu Porsche haben, denn seit fünf Jahren gehört der Familie direkt kein einziger Geschäftsanteil mehr an dem Sportwagenbauer; als Eigner darf sich der Clan nur dank der Mehrheit an der Porsche-Mutter VW fühlen. Aber die Wolfsburger haben keinen direkten Zugriff auf Porsche. Dafür sorgt eine unscheinbare Firma namens Porsche Holding Stuttgart, die zwar VW gehört, aber einen freiwillig gebildeten Aufsichtsrat hat, der genauso wie das Kontrollgremium der Porsche Automobil Holding besetzt ist. Eine Nuance für juristische Feinschmecker? Keineswegs. So hatte der vom Dieselskandal gebeutelte Wolfsburger Konzern die Idee, das VW-Werk in Bratislava/Slowakei bei Porsche einzugliedern und sich den Kaufpreis aus der Kasse in Stuttgart zu holen. Die Porsche Holding Stuttgart hat dieses Vorhaben blockiert.

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