Mit einer Schweigeminute und dem Lied „We shall overcome“ haben rund 600 Schüler des Stuttgarter Wagenburg-Gymnasiums der Terroropfer in Paris gedacht. 200 der Stuttgarter Schüler haben einen französischen Pass.

Stuttgart - Am Montag um Punkt zwölf Uhr ist es still auf dem Schulhof des Wagenburg-Gymnasiums – dem einzigen Gymnasium in Stuttgart mit einer deutsch-französischen Abteilung, wo neben dem Abi auch das Baccalauréat erworben werden kann. Rund 600 Schülerinnen und Schüler, ein Drittel von ihnen mit französischem Pass, haben einen großen Kreis gebildet. In der Mitte liegt die Trikolore des Partnerlands Frankreich, darauf weiße Rosen und ein Grablicht. Nur ein Laubbläser ist von fern zu hören. Einige Schüler haben die Hände gefaltet. Niemand blödelt mehr herum. Aber es ist auch nicht so, dass alle verstehen, weshalb man an der Schule so ein Aufhebens macht um Vorfälle, die drei Tage zuvor im fernen Paris passiert sind.

 

Es habe sogar Streit darüber gegeben, berichtet die 16-jährige Maita aus der Kursstufe eins: „Ein paar Mitschüler haben sich sehr betroffen gefühlt, andere haben gesagt, es ist ein Anschlag wie andere auch.“ Bevor die Schweigeminute beginnt, erklärt die Schulleiterin Petra Wagner, „warum wir heute draußen stehen“. Ganz einfach: „Es ist so, dass Deutschland und Frankreich Freunde sind.“ Und die Schweigeminute sei als „eine besondere Geste des Mitgefühls“ zu verstehen. Zudem hätten „einige von uns auch Freunde der Familie verloren oder Verletzte zu beklagen“.

Schulleiterin rühmt Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit

„Wir stehen aber auch hier, weil wir die Werte Frankreichs teilen, diesen Dreiklang: Liberté, Egalité, Fraternité.“ Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – genau diese drei brächten auf den Punkt, was fürs Zusammenleben wichtig sei, sagte Wagner. Aber die brutale Gewalt dürfe nicht mit Hass und Gegengewalt beantwortet werden. Und Menschen, die bei uns Zuflucht suchten, dürften nicht unter Generalverdacht gestellt werden.

Ein Lehrer stimmt das Lied der Friedensbewegung an: „We shall overcome.“ Doch vielen Schülern ist nicht nach Mitsingen zumute. Nur ein paar helle Kinderstimmen stimmen mit ein. Die letzte Strophe wird auf französisch gesungen. Zum Schluss klatschen die Schüler, und man gewinnt den Eindruck, als ob sie damit ein Schreckgespenst oder auch einfach nur ihre Beklommenheit verjagen wollen.

Schüler bringt Poster mit: „Pray for France – pray for Paris“

Im Schulhaus hängen seit Montag überall Poster mit dem als Friedenszeichen stilisierten Eiffelturm und der Aufforderung: „Pray for France – Pray for Paris“. Ein Zehntklässler habe sie mitgebracht und am Morgen gefragt, ob er sie aufhängen dürfe, sagt Petra Wagner. Klar durfte er. Schließlich gehört das Wagenburg-Gymnasium zu den Schulen mit Courage. In Zeiten wie diesen gehört auch Mut dazu, sich zu einer Stadt zu bekennen, deren Lebensart offenbar die Anschläge mit provoziert hat.

So fern, wie manche glauben, ist Paris gar nicht. Maita berichtet von einem Freund, der in Paris die Schüsse gehört habe und wegrennen konnte. Die 16-jährige Mathilde weiß vom Cousin ihrer Mutter, dieser sei auf dem Konzert im Bataclan gewesen, habe sich aber retten können. Die Stimmung sei gedrückt, sagt der 19-jährige Keno Nied. Die Ereignisse blieben immer im Hinterkopf: „Man weiß ja auch nicht, ob es schon vorbei ist oder ob noch weitere Anschläge kommen.“ Diese Sorge könnte auch Einfluss haben auf geplante Aktivitäten des Gymnasiums.

Geplante Exkursionen nach Frankreich wackeln nun

Ob die Exkursion der Kursstufe am 20. November zur deutsch-französischen Studienmesse nach Straßburg wie geplant stattfinden wird, weiß Wagner nicht, da Frankreich ja den Ausnahmezustand ausgerufen habe. Auch die Begegnung mit der Partnerschule aus Le Mans in Paris im kommenden März wackle nun. Bereits das Treffen im vergangenen Frühjahr in Augsburg hätten die Franzosen absagen müssen, da in Folge des Überfalls auf Charlie Hebdo monatelang keine Schulklassen über Paris fahren durften. Man müsse zudem, so Wagner, auch „erst herausfinden, wie groß die Ängste bei den Eltern sind“.