Das Wein-Quartett stellt jede Woche einen Wein vor, heute ist Michael Weier an der Reihe, der sich über die Bedeutung von Etiketten freut. Die Botschaft muss stimmen. Der Inhalt ist in dem Fall was für Liebhaber von halbtrockenen Tropfen – wovon es sehr viele gibt!

Stuttgart - Hand aufs Herz: Wer hat nicht schon einmal einen Wein nur wegen seines Etiketts gekauft? Viele Winzer haben das inzwischen kapiert, das biedere, mit Informationen überladene Etikett von gestern ist nicht mehr gefragt. Chateau Mouton Rothschild zelebriert jedes Jahr ein Kunstwerk auf der Flasche, der Niederländer Nierpoort landete mit Wilhelm Busch und dem Name Fabelhaft einen Coup, Emil Bauer aus der Pfalz schaffte es mit seinen Schriftzügen sogar ins Wein-Museum in Meersburg. „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“ steht vorne groß drauf, alles durchgestrichen, und drunter dann „just Riesling for me, thanks“. Auf einer anderen Flasche ist zu lesen: „You can’t buy happiness, but you can drink Pinot blanc.“ Du kannst Glück nicht kaufen, aber du kannst Weißburgunder trinken.

 

Einfallsreich war auch der Hamster-Wein

Auf die Pandemie ist dieser Winzer auch schon aufgesprungen. „#Fuck you Covid, da hilft nur Grauburgunder“. Was nicht ganz so originell ist, meiner Meinung nach. Da war Thomas Diehl vom gleichnamigen Weingut in Rotenberg schon ein bisschen einfallsreicher: Er hat im ersten Lockdown, als das Klopapier ausgegangen ist, eine Edition Hamsterwein aufgelegt. Der Hamster vorne drauf sah gut aus, der Witz war gut – und wenn dann der Wein noch schmeckt, kommt die Botschaft an. Meine Frau hat nun einen Wein entdeckt, den wir zur Verlängerung des Lockdowns bestellt haben. Da steht vorne drauf: „Lockdown, 750 ml Lösung. Empfohlen zur Einnahme im nicht-öffentlichen Raum. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie unsere Winzer oder Kellermeister.“ Dazu ging die Idee noch weiter: Die Gastronomie im Ahrtal, wo die Genossenschaft Dagernova diesen Wein keltert, erhält von jeder verkauften Flasche einen Euro. Der Tropfen selbst ist ein weiß gekelterter Spätburgunder, der noch in hübschem Rosé schillert und nett duftet. Er hat fruchtige Aromen, ist allerdings nichts für Trockentrinker.

Das Urteil der Weinrunde

Harald Beck Klar, nette Idee, und das Etikett hat was. Aber irgendwie sträubt sich in mir etwas dagegen, bloß wegen des Lockdowns und der Flaschenoptik halblebig, süßliche Weinchen hochleben zu lassen. Die Ahr bietet Besseres.

Holger Gayer Bei aller Liebe zur originellen Verpackung, aber mir kommt es schon etwas mehr auf den Inhalt an. Und der ist nicht mein Ding. Allerdings ist der Wein anständig gemacht für seine Art, wer auf Restsüße steht, ist hier gut bedient.

Kathrin Haasis Mit Farbe und Optik bin ich völlig einverstanden, allerdings renne ich angesichts der halbtrockenen Variante eher aus dem Haus, als daheim zu bleiben. Absolut ein Wein zum Anschauen und daran zu riechen.

Der Service zum Wein

Lockdown 2020,
Spätburgunder blanc de noir feinherb, Weinmanufaktur Dagernova, 7,90 Euro (ein Euro geht an die Gastronomie). www.dagernova.de