Das Cabrio schon mal antesten, den ersten Kaffee im Freien und mit leichter Jacke durch die Stadt. In vielen Jahren ist das im Februar durchaus drin. 2018 hätte das aber zu Erfrierungen geführt – eine Bilanz.

Stuttgart - Irgendwie will das in diesem Jahr wettertechnisch nicht so richtig zusammenpassen. In den Schaufenstern der Kaufhäuser leuchten schon seit Tagen an frühlingsschlanken Puppen leichte Textilien in Gelb und Rot wie ein aufgemotzter Golf GTI aus der Provinz. Draußen auf der Straße bibbern dagegen rotnasige Menschen mit Bommelmützen und quietschblauen Daunenjacken aus dem Sale (sprich: Säil). Dabei ist meteorologisch seit dem 1. März der Winter vorbei. Aber eben nur auf dem Papier. Gefühlt ist er noch da wie der Pfennig, die Wetterwerte passen bloß ebenso wenig in die Jahreszeit, wie die aktuelle Erfolgsserie zum VfB Stuttgart oder verbotenes Streusalz aufs Frühstücksei.

 

Die „Russenpeitsche“ ließ die Stadt erstarren

Was auch nicht passt, ist die gefühlte Winterbilanz in der Stadt. Nimmt man die mittlere Erinnerungsdistanz eines Durchschnittsbürgers (etwa zwei Wochen) war der Winter, also die Zeit vom 1. Dezember bis zum 28. Februar granatenmäßig kalt. In Wahrheit war die kühle Jahreszeit aber gegenüber dem langjährigen Mittelwert von 1,3 Grad sogar 1,7 Grad zu warm. Milde 2,8 Grad Durchschnittstemperatur stehen für den Winter 2017/18 auf der Uhr und ohne die polare Kaltluft der vergangenen Tage wäre der Winter sogar als sehr mild aus dem Rennen gegangen. Aber da war die „Russenpeitsche“ dagegen, wie man die arktische Luft aus Nordsibirien nennt, die die Stadt erstarren ließ. „Dass Luftmassen aus Regionen nördlich des Ural die Stadt erreichen ist selten“, sagt dazu Andreas Pfaffenzeller. Der Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Stuttgart registrierte denn auch am letzten Tag des Winters die tiefste Temperatur an der Wetterstation Schnarrenberg. Minus 12,8 Grad am 28. Februar waren der Kältepol des Winters.

Der Februar ging den auch mit einer Durchschnittstemperatur von -0,6 Grad um 2,5 Grad zu kalt in die Bücher ein. Durch den kräftigen Wind fühlte sich das Ganze noch kälter an und ein wenig Schnee für die Kulisse gab es auch. Dagegen kein Hauch von Frühling in der Luft, Carbriofahrer starrten traurig auf geschlossene Verdecke, E-Biker beklagten Batterieschwäche wegen der Kälte und Menschen, die den Klimawandel als real einstufen, mussten sich eimerweise Häme gefallen lassen. Zu Unrecht, den Kaltlufteinbruch nennt man Wetter, die ständig wärmer werdenden Winter dagegen Klima.

Der Februar war kälter und sonniger als sonst

Keinen Dauerfrust wegen Dauerfrost hatten dagegen Hundebesitzer, weil ihre Fellbündel nach dem Gassigehen genauso sauber waren wie vorher. Und weil man viel in der Sonne spazieren gehen konnte. Der Februar war nämlich nicht nur sehr kalt, sondern mit gut 88 Sonnenstunden auch freundlicher als ein normaler Februar mit knapp 80 Stunden.

Über die gesamte Winterzeit gerechnet, hat sich die Sonne dagegen doch eher zurückgehalten und es nur auf knapp 90 Prozent Sonnenstunden eines normalen Winters gebracht. In Erinnerung bleiben wird der Winter aber vor allem wegen der krassen Gegensätze zwischen Januar und Februar. Zum Jahreswechsel war es sehr mild, an Silvester wurde mit 14,4 Grad die höchste Temperatur des Winters gemessen, der gesamte Januar war mit einer Durchschnittstemperatur von 5,7 Grad der zweitwärmste seit Beginn der Aufzeichnungen 1951. Und so nass, dass die jetzt glücklichen Hundebesitzer angesichts matschiger Wiesen zu Depressionen neigten und die Feinstaubbelastung so hartnäckig ausgewaschen wurde, dass es am Neckartor plötzlich atembare Luft hatte. Aber dann kam ja der Februar, die polare Kaltluft und aktuell die Angst vor einem Märzwinter, der zuletzt 2013 die Stuttgarter frieren ließ.

Jetzt drehen die Temperaturen ins Plus

Der ist allerdings zunächst einmal nicht in Sicht. Im Gegenteil: In den kommenden Tagen drehen die Temperaturen deutlich ins Plus, am Sonntag und gegen Ende der kommenden Woche kann es in Stuttgart durchaus zweistellige Höchsttemperaturen geben. Für einen Kaffee im Freien in leuchtend neuer Frühlingskleiding wird es zwar nicht reichen, die Michelin-Daune muss man sich aber auch nicht mehr antun.

Das warten auf das Frühjahr darf also durchaus beginnen. Und was bleibt vom Winter 2017/18? Ein Auf und Ab des Wetters wie eine Nord-Süd-Passage der Stadt. Die lange nass-schmuddelige Periode hatte aber auch etwas Gutes. Insgesamt fielen seit dem 1. Dezember etwa 150 Liter Regen pro Quadratmeter, das ist gut ein Drittel mehr als in einem normalen Winter und gut für die Natur, weil es in den vergangenen Jahren doch eher zu trocken war. Da hat das Jahr 2018 jetzt ein wenig vorgefeuchtet und wenn jetzt der letzte Schnee abgetaut ist, darf es gerne Frühling werden. Also so mit Sonne satt, blauem Himmel und einem milden Windhauch aus Südwest, der das sonore Brummen fetter Motorräder ins Straßenkaffee trägt. Ist bald soweit.