Die Christdemokraten bleiben stärkste Kraft, müssen aber Federn lassen. Der zweite Gewinner ist die AfD.

Neckar-Zaber - Die bundesweit zu beobachtende Kräfteverschiebung in der Bundestagswahl hat sich auch im Ergebnis des Wahlkreises Neckar-Zaber niedergeschlagen. Zwar holte der CDU-Platzhirsch Eberhard Gienger erneut sicher das Direktmandat, jedoch musste er selbst wie auch seine Partei ebenso wie der bisherige Koalitionspartner SPD starke Einbußen im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren hinnehmen. Zu den Gewinnern zählen FDP und AfD mit starken Zuwächsen, auch die Grünen im Wahlkreis Neckar-Zaber konnten noch leicht zulegen.

 

Vor vier Jahren toppte Eberhard Gienger sogar noch das herausragende Ergebnis der CDU. Seine Partei kam in seinem Wahlkreis auf 45,3 Prozent, der Direktkandidat Gienger auf 53,2 Prozent. Was also sollte schief gehen? Nach 21 Uhr steht fest: Der Reck-Weltmeister von 1974 hat zwar erneut die Nase vorn, kommt aber nur noch auf 40 Prozent.

Für Marcel Distl reicht es nicht zum Einzug in den Bundestag

Bereits zuvor hatte er, der seit 2002 im Bundestag vertreten ist, von einem „anstrengenden und schwierigen“ Wahlkampf gesprochen und sich darüber beklagt, dass die Anhänger der AfD mit ihren Attacken „unter die Gürtellinie“ gegangen seien.

Marcel Distl weiß schon kurz nach 18 Uhr, dass er „sehr, sehr zufrieden“ ist – obwohl er selbst mit 8,8 Prozent unter dem landesweiten Ergebnis seiner Partei liegt und keinen Sitz im neuen Parlament haben wird. Der FDP-Direktkandidat ist allein darüber glücklich, dass seine Partei wieder in den Bundestag einzieht und damit ihr Ziel erreicht hat – und das nach einem Wahlkampf, der „spannend und voller neuer Erfahrungen“ gewesen sei. Das persönliche Highlight des 24-Jährigen: die Veranstaltung mit Christian Lindner im Urban Harbour in Ludwigsburg. Der 24-Jährige will nun sein Studium in Würzburg wieder aufnehmen – und 2019 bei der Kommunalwahl antreten. Sein Ziel: „Den Freiberger Gemeinderat verjüngen.“

Der SPD-Kandidat schließt eine erneute Kandidatur nicht aus

Ob Thomas Utz noch Lust auf die große Politik hat? Der SPD-Direktkandidat schließt eine erneute Kandidatur nicht aus, er will auch weiter politisch engagiert und wahrnehmbar bleiben. Aber erst einmal muss er das Ergebnis der jüngsten Wahl verkraften. „Ich kannte ja auch die Prognosen und habe gewusst, dass es schwierig wird. Aber dass es so kommt, konnte ich mir auch nicht vorstellen“, sagt der 28-Jährige über die rund 20 Prozent bei den ersten Hochrechnungen: Er selbst bleibt mit 19,7 Prozent der Erststimmen unter dem Schnitt seiner Partei im Bund – erreicht aber im landesweiten Vergleich aber ein relativ gutes Ergebnis. Betrübt ist er besonders über das Ergebnis der AfD. „Die Rhetorik von Alexander Gauland ist das Erschreckendste an diesem Abend.“ Dass die SPD sofort nach der Hochrechnung verkündet hat, in die Opposition zu gehen, findet Thomas Utz konsequent. „Wir haben keinen Regierungsauftrag erhalten.“

Catherine Kern von den Grünen geht es ein bisschen wie Marcel Distl von der FDP. Sie selbst bekommt kein Mandat, aber sie freut sich über das Ergebnis. Als die ersten Hochrechnungen 9,4 Prozent für ihre Partei anzeigen, herrscht Freude im Saal: „Wir haben entgegen der Umfragewerten doch noch Stimmen dazu gewonnen. Das ist in Zeiten, in denen ein Rechtsruck durch unsere Gesellschaft läuft, erfreulich“, sagt Kern, die 12,5 Prozent der Erststimmen gewonnen hat. Dass sie selbst keinen Sitz im Bundestag ergattern konnte, ist für Catherine Kern verschmerzbar: „Diese Kandidatur war eine tolle Erfahrung und eine Bereicherung für mich. Ich habe viele Menschen kennenlernen können und auch neue Freunde gefunden.“

Walter Kubach von der Linken ist entsetzt über den Zuspruch für die Afd

Für weniger Freude sorgen die übrigen Ergebnisse: Vor allem der hohe Wert der AfD bereitet der gebürtigen Britin Sorgen: „Ich hoffe sie werden nicht die größte Opposition stellen.“

Walter Kubach von der Linken ist entsetzt darüber, wie groß der Zuspruch für die AfD ist. „Hätten wir vor vier Jahren schon eine rot-rot-grüne Koalition gehabt, hätte es dieses Ergebnis heute nicht gegeben“, sagt der 62-Jährige, dem 4,6 Prozent der Wähler ihre Erststimme gegeben haben. „Wir hätten einiges tun können, um diesen Rechtsruck zu verhindern.“ Andererseits sei er froh, dass seine Partei keine Wählerstimmen verloren habe. Und: „Ich hatte darauf gehofft, dass wir in Baden-Württemberg über fünf Prozent kommen“, sagt er.

Und was sagt der Kandidat der Partei, die anderen Bewerber so entsetzt? „Die Stimmung bei uns ist sehr gut“, sagt Marc Jongen von der AfD, der den Wahlabend in Berlin verbringt. Das Wahlziel sei auf jeden Fall erreicht, „deutlich zweistellig und drittstärkste Partei werden“. Der Einzug in den neuen Bundestag ist dem Drittplatzierten der Landesliste gewiss: Mit 12,6 Prozent deckt sich sein Ergebnis ziemlich genau mit dem landesweiten Resultat der rechtspopulistischen Partei. „Es kommt ganz viel Arbeit auf uns zu. Es wird darum gehen, uns als Fraktion so aufzustellen, dass wir geeint auftreten und gemeinsam an einem Strang ziehen.“

Der promovierte Akademiker strebt an, in den Europa- oder den Bildungsausschuss einzuziehen.