Was passiert, wenn sich einige doch eher unkonventionelle Weingärtner im Remstal zusammentun, um fast schon ausgestorbene Rebsorten vor dem Vergessen zu bewahren? Ein außergewöhnliches Weinexperiment, das jetzt in Buch- und Flaschenform vorliegt.

Stetten - Da ist alles drin, was im Museumswengert wächst, der ganze gemischte Satz.“ Die ungetrübte Freude über den Tropfen sprudelt bei der Premierenweinprobe im eigenen Keller im ungefiltert aus dem Biowengerter Jochen Beurer. Und es ist ja auch nicht irgendein Wein, dem da unter dem Motto „Rettet die Reben“ ein dicker, bilderreicher und leidenschaftlich gestalteter Bildband gewidmet ist. Es ist der erste Tropfen vom Stettener Museumswengert, den der Remstäler Beurer zusammen mit einer Handvoll Reb-Enthusiasten in vierjähriger, wissenschaftlich unterstützter Arbeit angelegt hat.

 

Echte Spinner nennen sie sich selbst, und der Bürgermeister der traditionsreichen Weinbaukommune Kernen, Stefan Altenberger, sagt dazu. „Ich freue mich, dass wir solche Freaks in unserer Gemeinde haben.“ Nicht zuletzt deshalb weil auch noch ein absolut interessanter Wein aus den alten Sorten entstanden ist, von dem allerdings im 2012er-Premierenjahrgang zunächst einmal nur 150 Flaschen zur Verfügung stehen. Weinfreund Altenberger sagt zum ausdrucksstarken Traditionstropfen aus dem gemischten Satz, bei dem rote und weiße Sorten gemeinsam im Maischbottich landen: „Beim ersten Schluck habe ich gedacht: Wow, da kommt richtig was auf der Zunge an.“


Rückblende. „Kerle, du spennsch doch total, was willsch denn do mit“, hat Vater Beurer vor gut vier Jahren spontan gesagt, als er davon erfahren hat, dass sein Filius jenen steilen Wengert mit den halb verfallenen Weinbergmauern unterhalb der Stettener Y-Burg gekauft hat. Und dann auch noch mit dem Gedanken liebäugelte, dort möglichst viele der Rebsorten anzupflanzen, die einst hierzulande in den Weinbergen standen, heute aber praktisch verschwunden sind. Verschieden Glücksfälle haben allerdings schnell dazu geführt, dass sich auch der Herr Papa eines Besseren hat belehren lassen. Ein Rebsortensammler etwa – „auch so ein Verrückter wie wir“, sagt Beurer – der gleich einen ganzen Satz alter Reben zur Verfügung gestellt hat. Mitideengeber Bernhard Lobmüller, ehemaliger IBM-Manager, Ex-Gastronom und heute Volleyball-Manager, der beim winterlichen Anblick des Ý-Burg-Wengerts beschlossen hatte, dass man ein Buch darüber machen müsse. Oder Ebbe Kögel, Stettener Heimatforscher und einer, der es sich zum Ziel gesetzt hat, mit Hilfe von erfahrenen Trockenmaurern die Kunst des Wengertmäuerlesbaus zu erhalten.

Seit drei Jahren stehen deshalb nicht nur Heunisch, Adelfränkisch, Kleinweiß und Roter Gutedel mit 17 weiteren historischen Rebsorten im Wengert unter der Y-Burg. Dort zeugen auch neu gerichtete Wengertmauern davon, wie ein echter schwäbischer Terrassenwengert einst auszusehen hatte. Mit in Richtung Berg gelehnten Mauern mit passgenauen, handgeklopften Steinen und dickem, ein Meter in den Berg reichendem Mauerfuß. Und mit Reben, die in klassischer Dreischenkeltechnik erzogen und wie einst mit Pfeifengras an ihre Pfosten gebunden sind. Für das Binden und das Pfeifengras sorgt übrigens Senior Siegfried Beurer. Und oben auf den Trockenmauern, erzählt Jochen Beurer bei der Museumsweinpremiere, wachsen wie früher allerlei Kräuter – „das ist das Gärtle meiner Mutter“.

Der passende Wein zum Projekt kann sich sehen lassen

Auch das Buch zur Rebenrettung an der Y-Burg liegt pünktlich zur Präsentation des Premierenweins vor. Denn ein ganzes Team um Herausgeber Uli Schwinge und Fotograf Ronny Schönebaum hat die Mühen und Freuden der Rebenretter im Museumswengert drei Jahre lang akribisch begleitet. Ein reich bebildertes Werk über Leben, Arbeiten und Akteure im historischen Wengert ist dabei entstanden. Ein Werk mit Basisinformationen zu den erhaltenswerten Sorten im Museumswengert und einer Dokumentation zur liebevoll gepflegten Kunst des Trockenmauerbaus. „Ich bin sicher, dass das ein Standardwerk wird, was alte Rebsorten betrifft“, sagt Kögel.

Dass der Tropfen, der in alter Tradition aus dem Museumswengert kommt, über den reinen Erhalt der alten Reben hinaus ebenfalls ein Ausrufezeichen setzt, das ist das Anliegen von Jochen Beurer. „Wir haben für die alten Rebsorten gekämpft. Wir wollten zeigen, wie man mit ihnen Wein machen kann.“ Schon der 2012er verspricht da einiges.

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